Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0042
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3698

Vernhcrrös „Vüchnrann".

In seinem Sorgenstnhle sank in Schlummer
Der schöne Bernhard bei der Ampel Licht.

Ls liegt ein Zug vor: Müdigkeit und Kummer
Um seinen Mund, aus seinem Angesicht.

Lr athmet schwer. Im Ost beginnt's zu tagen,
Des Morgens Rosen stehen vorm Lrblühn.

Noch liegt -er „Büchmann" vor ihm anfgeschlagen,
Den er studirt mit eifrigem Bemühn.

Lr war von jeher dem Zitat gewogen,

Das nützlich er in vielen Fällen fand,

Und eine Liste hat er ausgezogen
Aufs Reue sich mit prüfendem Verstand.

Den Diplomaten überhebt des Lügens
Im Deutschen Reiche des Zitirens Runst.

„wann wir- der Winter meines Mißvergnügens
Glorreicher Sommer" durch des Reichstags Gunst?

Am meisten macht die Rechte ihm zu schaffen
In ihrer Habgier unheilvollem Barm.

Mit einem Mal will Alles sie erraffen
Und sie verschmäht, was er ihr bieten kann.

Lr wird ihr bald in bitterm Lrnste sagen:

So stoßt ihr von euch das gebotne Glück?

„was ihr von der Minute ausgeschlagen,

Das bringt euch keine Ewigkeit zurück!"

Ls wächst der Groll -er breiten Massen stündlich,
Seit sie die drohende Gefahr erkannt.

Das Zentrum aber zeigt sich unergründlich,

Ls hat noch immer keinen Preis genannt.

All seine Reden sind zu sein gedrechselt,

Statt mit -er Meinung frei herauszugehn.

„Der Worte sind nunmehr genug gewechselt —
Laßt mich nun endlich einmal Thaten sehn!"

Lr soll für's Heer und für die Flotte sorgen —
Das ist -es Ranzlers erste, höchste Pflicht.

Da muß der Mensch wahrscheinlich wieder borgen,
Denn neue Steuern will der Reichstag nicht.

Ob auch der Lffen viele nicht mehr dampfen,

Ob auch die Pleite drohend zieht durch's Land —
„Rann ich Armeen ans der Erde stampfen?
wächst mir ein Rornfeld auf der flachen Hand?"

Lr muß den Zoll und die Verträge haben,

Denn wenn er heim mit leeren fänden kehrt,

So hat er selbst die Stellung untergraben,

In -er er jetzt sich init Zitaten wehrt.

Im Deutschen Reich vollzieh» sich die Geschicke,
Bevor die Hand man einmal umgedreht —

„Ls giebt im Menschenleben Augenblicke",
wo plötzlich vor uns — der Lucanus steht, K.L.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Kulturhistorische Bilderbogen. I. Von Hans G. Jentzsch
(Illustration). — Nur in Deutschland, da möcht' ich wohnen.
Von Petrus Obscurus 8. J. — Die Rathschläge. Ein Groß-
stadtbild. Von G-. A. M. — Geschichtsunterricht in der Jn-
struktionsstunde. — Der Maler der großen Revolution. Mit
Porträt von Jacques Louis David und den Bildern „Die
Sabinerinnen" und „Der Schwur der Horatier". — Der be-
ladene Reichskarren (Illustration). — Aus dem „Kleinen
Büsing". Von M. E. — Moderne Kinder (Illustration).

ln diefer Nummer beginnen wir zuerft mit
der Aufnahme von l’riuat^nferaten. wir
richten an unsere werthen Abonnenten die
Bitte, uns durch Empfehlung in geschähe
Kreisen auf diesem Gebiet zu unterstützen.

Hn die ungeduldige Sozialdemokratie.

(Der wird denn immer jagen, treiben,

Und wecken, was süss eingelullt?

Ach, Schuld dran, dass wir stehen bleiben,
trägt einzig 6ure Ungeduld!

wenn Ihr €ucb nur in Sanftmutb fasstet
Und bautet fromm auf höchste ßuld
Und nicht beständig vorwärts hastet
Und zähmtet 6ure Ungeduld:

Dann könnten wohl die Reichsregierer
In IDusse thun, was ihre Pflicht;

Doch dank dem Drängen eurer Führer
erwidern sie: Dun grade nicht!

Ihr hättet schon seit manchem Jährchen
So manch Reformgesetz am Pult;

So aber hat es stets ein Härchen ...
Geduld! Geduld! Geduld! Geduld!

$d)lumberger.

Die Berliner Gesundbeter.

Macht dir, Mensch, auf dieser Erden — dein
geliebter Leib Beschwerden, — Bist du krank
und ungesund — Oder sonsten auf dem Hund,

— O so flieh', dies laß dir raihen, — Allo-,
Homo-, Hydropathen, — Wandte lieber frank
und froh —' Zum Gesundheits-Bet-Bureau. —
Rothe Nasen, Gallensteine, — Hühneraugen,
schiefe Beine, — Hämorrhoiden, Wasserköpfe, —
Kahle Schädel, Weichselzöpfe, — Liebeskummer
und Migräne, — Diarrhöe und falsche Zähne,
Alles dies wird mit Bedacht — Nur durch Beten
heil gemacht. — Weder Pulver, weder Pillen, —
Brauchst der in den Leib dir füllen, — Nur zu
beten brauchst du, Kind, — Und das Uebel weicht
geschwind. — Fühlt ein Mägdlein sich beklommen,

— Weil's an Umfang zugenommeu, — Wie es
leider manchmal geht, — Such' es Heilung im
Gebet, — Bald beseitigt ist die Spur — Von
den Folgen der Amour. — Will 'ne junge Frau
'neu Knaben — Oder auch ein Mädchen haben:

— Mit Gebet und Lendenkraft — Wird ein
Kindlein ihr verschafft. — Hast du selber dich
indessen — 'mal gewaltig überfressen, — Nimm
nur statt Rhabarberwein — Stündlich zehn Ge-
bete ein, — Walle daun zum stillen Orte —
Durch die enge Gnadenpsorte — Und nach zwei
Minuten schon — Hast du Oeffnung, lieber
Sohn. — Darum eilt, ihr Kranken, alle — Zu
der frommen Beterhalle, — Zwanzig Märkchen
kost't der Spaß, — Ach, und wie gesund ist das!

Edward VII., Herrscher aller Tommies, hat ganz
recht, wenn er in feiner Thronrede die Humanität
der englischen Truppen rühmt, die sie sogar zu
eigenem Schaden ausgeübt haben. Man denke
nur au die schönen, warmen Khaki-Anzüge und
die vortrefflichen Gewehre nebst Munition, die
eigentlich für die Engländer bestimmt waren, von
diesen aber humaner Weise den nothleideuden
Buren überlassen wurden! Tom Atkins ist eben
zu gut für diese Welt. k. d.

Grutz aus Leipzig.

Na, freit eich nur nich gar ze sehr,

Daß der Wirth nich tnehr Schluß macht Nachts

um Zwei:

M'r Hamm zwar geene Bolezeistunde mehr,
Aber jede Stunde mehr Bolezei! k. d.

Zur Duellfrage.

A. : Welchen Eindruck würde die Verschärfung
der Duellgesetze auf die Duellanten machen?

B. : Sie würden sich mehr über die Begna-
digung fteuen. ii. k.

Das Geburtstagsgeschenk.

Graf Waldersee hat bekanntlich an seinem
letzten Geburtstag eine chinesische Kanone zuni
Geschenk erhalten, welche 1750 Kilo wiegt. Der
Dienstmann, der das Geschenk brachte, hatte
dazu sechs Pferde requiriren müssen, und wäh-
rend er der Frau Gräfin Meldung machte, ent-
stand auf der Straße Auflauf und Verkehrs-
störung. „Es ist gut", sagte Gräfin Waldersee,
„bringen Sie das Geschenk nur herauf." Zur
Ausführung dieses Auftrags mußten die Thor-
bogen ausgebrochen und ein nebenan befindlicher
Milchladen demolirt werden. Dann stellte sich
heraus, daß die Treppe zu schmal und ihr Unter-
bau zu schwach war. Das Treppenhaus wurde
abgebrochen und der Verkehr der Hausbewohner
nach der Straße durch Feuerleitern vermittelt.
Nach Aufstellung eines Hebewerks gelang es, die
Kanone nach der Wohnung herauf zu bringen.
Es brauchten dann nur noch die Korridorwände
durchbrochen und das Stockwerk mit eisernen
Trägern gestützt zu werden, dann konnte mau
das Geschenk in der guten Stube aufstellen. Das
Geburtstagskind, Graf Waldersee, freute sich
darüber sehr, aber seine Frau sagte: „Weißte,
Männe, zu jedem Geburtstag möchte ich doch
nicht ein so großartiges Geschenk haben." m. k.
 
Annotationen