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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0046
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3702

Nur in Deutschland, da möcht'ich woHnen.

Lin Lied in der rabenschwarzen pfaffenweis
von Petrus Gbscurus 8. J.

In Deutschland ist es bei Lichte besehn
Und im Tanzen genommen doch recht schön,
Ist's auch ein Ketzernest, ein verruchtes;
(Pio Aono hat öfters verflucht es).

Von diesem Linen abstrahirt.

Lebt man hier vergnügt und ungenirt,
Die heilige Kirche kriegt reichlich ihr Kutter
Im Lande der Lessing, Kant und Luther.

InSpamen, in Krankreich, in Belgien zudem
Lebt sich's nicht halb so angenehm.

And selbst in Vesterreich, dem frommen,
Lind schreckliche Dinge vorgekommen.

Die Keinde mit wühlen, Schnauben und

Drohn,

Sie rütteln an des Papstes Thron,

Sie möchten Umstürzen der Kirche Vesten,
Nit ihrem Tiste die Welt verpesten.

Im Deutschen Reiche — Sott sei Dank!
Da lebt die Kirche frei und frank,

Hat allezeit das schönste Wetter
Und wird mit jedem Tage fetter.

Vhnmächtig krümmt sich der giftige Wurm,
Denn fest steht gegründet der Zentrums-
thurm;

Ihn stützt des frommen Volkes Treue
Und der Köhlerglaube, der ewig neue.

In diesem protestantischen Sumpf
Ist heute „katholisch" der höchste Trumpf.
Im Lande der Hutten, Leibnitz und Toethe
Spielt unser Lieber die erste Klöte.

Tribut bringt uns gar manche Partei,
Die einst uns bekämpfte mit wildem Teschrei.
Troß ist unsere Nacht! Sogar die Regierung
Befleißt sich heute der löblichsten Kührung.

Zwar klagen wir oft, daß der Tlaub e nicht frei
Und daß die Kirche bedräuet sei
Vom bösen Heinde in deutschen Landen —
Doch das ist Schwindel — offen gestanden!

Rein, es ist recht schön im Deutschen Reich
Und kein Land kommt ihm darin gleich
Und so wird es bleiben in jedem Kalle,
So lange die Dunrmen nicht werden alle.

Die Aathfchtäge.

Lin Sroßst-dtbild von G. A. M.

Ein Mann war in einer der belebtesten
Straßen der Großstadt vor Hunger zusammen-
gebrochen. Alsbald sammelte sich um ihn eine
Menschenmenge. Man trug ihn, um den Ver-
kehr nicht zu hemmen, in einen Hausflur und
erging sich nun in den mannigfaltigsten Rath-
schlägen.

Zwei Leutnants, die zufällig vorbeigingen,
warfen einen Blick in den Hausflur. „Aeh —
'mal wieder so ein besoffenes Schwein," sagte
der eine zum anderen. „Den Kerls geht's
heutzutage zu gut; immer saufen und nischt
arbeiten," replizirte der zweite.

Ein behäbiger Spießbürger stieß mit seinem
Spazierstock den am Boden Liegenden an. „Mach,
daß De weiter kummst und verstell Di net so,"
sprach er dabei.

„Aber was wollen Sie denn," versetzte eine
ältere Frau, „der Mann ist ja ohnmächtig,
sehen Sie denn nicht, wie bleich er aus-
sieht!"

„Ach wat, a Schnapsrausch; warum trinkt
er aach kein Bier, da behält mer doch wenig-
stens soanen Verstand," erwiderte der biedere
Bürger und Hausbesitzer.

„Wenn der Mann nicht gehen kann, muß
man ihn einfach fortschaffen," fing ein Herr
von der Regierung an, den der Weg vorbei-
führte; „ist denn kein Schutzmann da?"

„Der kann ihn auch nicht wegtragen," ließ
sich ein kleines Männchen vernehmen, „da muß
die Sanitätskolonne requirirt werden."

„Das ist nicht so einfach, meine Herrschaften,"
wandte ein Zeitungsreporter ein, „Sie wissen
doch, daß heute großes Pferderennen ist, da
haben die Leute vollauf zu thun."

„Das ist ja entsetzlich, wenn der Mann so
lange da liegen bleiben sollte," sagte eine Dame
mit Spitzenschleier, „der Anblick ist ja für jeden
Passanten nervenerregend. So etwas sollte
doch die Polizei nicht zulassen!"

Ein würdiger Pastor trat in den Hausflur
und konnte nicht umhin, beim Anblick des
Aermsten eine halbe Predigt vom Stapel zu
lassen über die Verderblichkeit der Menschheit
und die tieftraurigen Zustände einer Großstadt.
Alle hörten ergriffen zu.

Endlich erschien ein Schutzmann auf dem
Plan. „Was ist hier los?" fragte er, „machens
daß Sie weiter kommen, es kann ja kein Mensch
ins Haus!" Die Zuschauer lichteten sich ein
wenig. Prüfend betrachtete das Auge des Ge-
setzes den Daliegenden.

„Was wollen Sie denn thun, Herr Schutz-
mann?" fragte der ihm bekannte Zeitungs-
reporter.

„Da muß die Sanitätskolonne herbei," er-
widerte er.

„Die werden Sie schwerlich jetzt antreffen,"
bemerkte der allzeit kundige Journalist.

„Ich will einmal hinüber zum Bader gehn,
vielleicht hat der irgend ein Mittel," sagte der
Schutzmann und erschien nach kurzer Zeit mit
dem Gewünschten. Der rieb dem Unglücklichen
die Stirn mit kaltem Wasser, bewegte seine
Arme auf und ab und wandte alle ihm be-
kannten sanitären Hilfsmittel an, aber ohne
Erfolg.

Inzwischen war es Mittagszeit geworden
und zufällig kam ein Arbeiter des Weges, der
sich nach der Ursache des Auflaufs erkundigte.

„Da d'rinn liegt Einer schon über a Stund',
den wollens wieder lebendig machen, schaun's
'nein", bekam er zu hören.

Er trat in den Flur und betrachtete den
Unglücklichen, an dem der Bader noch fort-
während seine Manipulationen ausführte. Der
Schutzmann wollte ihn, wie jeden neu Hinzu-
tretenden zurückweisen, aber er ließ es sich nicht
nehmen, dennoch den Daliegenden genauer an-
zusehen.

„Dös is ja der Schlosserseppi," sagte er
dann zu den Umstehenden, „den kenn' i ganz
guat, der hat scho seit sechs Wochen kein Schlag
Arbeit. Gebens lieber dem armen Teufel was
z' fressen, dös is g'scheiter!"

G e sch i ckst sunterri ch t
in der Instruktionsflunde.

Unteroffizier: König Friedrich Wilhelm IV.
war ein trefflicher König, der sein Volk gut regierte.
Eine bodenlose Gemeinheit ist es, von diesem
Könige zu behaupten, er habe Schnaps getrunken.
Ich wenigstens kann es beschwören, daß ich nichts
davon gesehen habe. . . . Müller, Sie lachen!
Sie sind wohl ein Sozialdemokrat, daß Sie
darüber lachen? Ja, die Sozialdemokraten sind
Menschen, welche an keinen Gott glauben, den
König und das Militär, sowie noch vieles andere
abschaffen wollen. Müller, was wollen die
Sozialdemokraten zum Beispiel noch abschaffen?

Müller: Die Jnstruktionsstunde, Herr Unter-
offizier!

Kindermund.

Tante: Ach, ist es hier kalt! Mir klappern
die Zähne im Munde vor Frost.

Der fünfjährige Fritz: Dann nimm Deine
Zähne doch wieder heraus, Tantchen, wie neu-
lich Abends.

Groß-Industrie.

A.: Der Fabrikbesitzer Huber wird von Tag
zu Tag dicker.

B>: Kein Wunder, der frißt ja alle kleinen
Handwerker.
 
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