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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0061
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KL Zweite Beilage rum wahren Zacob Itr.ios. es

Ueberxroöuktion.

weil man zu viel Stühle in Gang gesetzt,

Gehn die Weber nun zerlumpt und zerfetzt,

Und weil man zu viel Häuser gebaut,

Mancher Maurer vergebens nach Obdach schaut.

Getreide giebt's leider im Ueberfluß,
weshalb auch der Bauer darben muß.

Man weiß nicht vor Kohlen wohin auf der Grube,
Und doch fehlt den Armen die warme Stube!

Die Welt sitzt im Rohr, möchte pfeifen schneiden,
Blos das Meffer fehlt, das ist ihr Leiden.

Doch biete ihr ja nicht das deinige an,

Sonst sperrt sie dich ein als Umsturzmann. K

--

Kunstpflegr.

Zu den Organen der Berliner Polizei ge-
hört, ivie der neue Verwaltungsbericht mit-
theilt, eine aus zwölf Kriminalschutzinännern
bestehende Patronille, deren Aufgabe es ist,
die in den Schaufenstern der Kunsthandlungen
ausliegenden Bilder und Gegenstände auf
ihren sittlichen Werth hin zu prüfen und alles
Anstoßerregende zur Anzeige zu bringen.

Es ist erfreulich, daß die Berliner Sicher-
heitsbehörde, die auf dem Felde der ordinären
Kriminalistik, in der Entdeckung von gemeinen
Verbrechern rc., nicht immer eine glückliche
Hand hat, ihre Thätigkeit mehr und mehr in
das Gebiet der Kunst verlegt. Aber sie müßte
unseres Erachtens von vornherein energischer
vorgehen. Statt der Kunstwerke sollte man
die Künstler unter Sittenkontrolle stellen. Na-
mentlich diejenige», die verdächtig oder über-
wiesen sind, der modernen Richtung anzu-
gehören, müßten genöthigt werden, sich regel-
mäßig an einem bestimmten Wochentage im
Polizeipräsidinm zur Untersuchung einzufindeu.
Sie hätten dabei alle ihre inzwischen ange-
fertigte» Werke mitzubringen und dieselben
einem sachverständigem Schutzmann zur Prü-
fung vorzulegen. Diejenigen, bei denen etwas
Verdächtiges gefunden wird, könnten das erste
Mal mit einer ernsten Verwarnung davon-
kommen, im Wiederholungsfälle aber wären
sie kurzerhand in ein Arbeitshaus zu stecken,
das in den Räumen der Berliner Kunst-
akademie eingerichtet werden könnte und unter
der Leitung des Herrn Anton v. Werner stehen
müßte. Hier wären die leichteren Verbrecher
mit selbständigen Arbeiten nach patriotischen
Motiven, die schwereren mit Wollekrempeln
und Dütenkleben, die unverbesserlichen mit
Zwangskopiren vonWernerschen undKnackfuß-
schen Gemälden bezw. Begasschen Denkmälern
zu beschäftigen.

Neben dieser vorbeugenden und erzieherischen
Thätigkeit der Polizei würde» wir empfehlen,
von Zeit zu Zeit eine umfassende ästhetische
Razzia abzuhalten.

Diese hätte sich nicht nur auf die Ateliers
zu beschränken, sondern müßte sich auch über
gewisse Gegenden des Grunewnlds rc. er-
strecken, wo die berüchtigsten Modernen nach-
weislich zum Zwecke des Naturstudiums ihre
Schlupfwinkel haben. Eine reiche Ausbeute
ist der Polizei auf diesem Gebiete sicher und
manche ihrer Organe könnten sich hier ohne
Mühe unsterblich machen. j. s.

Zur sächsischen Miniflerkrisis.

Bliemchen: Worum der Landtag den armeil
Watzdorf eegendlich so mir nischt dir nischt nüus-
geekelt hat, verschdeh' ich nich. Frieher hat's doch
ooch Etat-Jeiverschreidungen gegähm, awwer gce
Mensch hat sich driewer ufgeregt.

Bemmchen: Nu Heere, mei Fritze, das is doch
weeßderhole ecfach genungk. Damals halt' m'r
ähm noch Geld. So lange wie'ste Geld hast,
gannste meinswegen de Bcene auf'» Disch legen,
da sag' m'r nischt. Mir sein ähin gemiedlich.
Wenn awwer der Drahd alle is, denn schmeiß'
m'r dich »aus. Flegeleien duld' m'r nich in
Sachsen, da sin m'r ze Helle! k. d

Lob der Reichshauxtstadt.

Ach Berlin, ach Berlin ist doch eine schöne Stadt,
wo man ein geklärtes Aunftverständniß hat —
Csching bum!

wo die ausgehau'nen Fürsten schau'n vom Marmorpodium
Zur Lrbauung und Lrgätzung auf das p. t. Publikum,
wo den Fremden, wenn sie diese allerneuste „Richtung"

sehn,

Sich die Lingeweide vor Entsetzen dreh'n —

Bum bum!

Militär, Militär sieht man auch wie Land am Meer,
Dieses Faktum freut die dralle Röchin sehr —

Csching bum!

Außerdem hat der Loldate noch die angenehme Pflicht,
Drob zuwachen,daß derBürger frech und unbotmäßig nicht.
Grimmig wird in diesem Falle gleich der Labul aufgepflanzt
And die Augel fährt dem Frevler in den Wanst —

Bum bum!

Auch mitGeist,auch mitGeist,wird versorgt daspublikum,
August Scherl, der „macht" die Lache gar nicht dumm —
Csching bum!

Der Honelle, satte Bürger den „Lokalanzeiger" liest.

Die Gemahlin hat die „Woche" als ihr Lieblingsblatt

erkiest.

And das Cöchterlein, das keusche, suchet emsig, Zeil um Zeil,
Rach pikanten Sachen im Annoncentheil —

Bum bum!

holde Frau'n, holde Frau'n findet man im Uebermaß,
Ganz besonders Abends in der Friedrichsstraß' —
Csching bum!

Und sie lächeln dir Lrhörung, ob du Jude oder Christ,
Rotabene-selbstverständlich-wenn du zahlungsfähig bist.
Doch am stärksten wird nach Damen, nach galanten, dann

gefragt,

wenn im Zirkus Busch der Bund der Bauern tagt —
Bum bum!

Riesig frumm, riesig frumm, ist natürlich Alt und Jung,
And das Beten steht ganz kolossal im Schwung —
Csching bum!

Fühlt ein Frommer sich malade, sucht er Heilung im Gebet,
wandelt glaubensstark und freudig zur Gebetssozietät.
Und in brünstig-frommer Andacht wird der kranke Leib

kurirt

Und mit „Salbung" statt mit Salben eingeschmiert —
Bum bum! Uno.

Zweite Beilage zum „wahren Iacob", Rr. 408°, \902.
 
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