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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0071
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<ss Zweite vertage zum wahren Jacob nr.m LT

Die Feldhüter: Raus aus den Rartoffeln!

Der Russe: Wen meinen Sie denn eigentlich?

Die vier

iKismarck Ttto,

Gewinn im Lotto,

Am Aelirigen schwach,
Krach!

Gaprivi,

Eigenes nie,
Dunkerputfch,

Autsch!

Kanzler.

Lobenlohe,

Des Schweigens frohe,
Figur aus Gips,
Schnips!

iKülow Äitatrich,
Erfolge klabrich.

Streit uin den Doll,
Rascholl! ir, L.

Nus der Wall-Ähronik.

In letzter Zeit haben zwei Tanzveranstal-
tungen stattgefunden, die der gewissenhafte
Chronist nicht außer Acht lassen darf. Es
waren dies der Spitzelball in Berlin und das
Dalldorfer Kränzchen.

Beide Feste verliefen ungemein animirt. Zu
dem ersteren hatte sich Herr Polizeipräsident
D- Windheim als Ehrengast eiugefunden. Der
»unbekannte" Gast des Schankwirths Wasewitz
empfing ihn beim Eingang und geleitete ihn
zur Estrade, wo ein freudiger Tusch ihn be-
grüßte, Normann-Schumann entschuldigte tele-
graphisch in lebhaften Ausdrücken des Be-
dauerns sein Fernbleiben damit, daß er sich
auf den Prozeß gegen den „Vorwärts" vor-
bereiten müsse.

Nach Mitternacht begann der Einzug der
Kostümgruppen. Stürmische Heiterkeit erweckte
ein „irrthümlich Arretirter", der von den Schutz-
leuten halbtodt geprügelt worden war, und seine

blaugrünen Flecken zeigte. Als gegen Morgen
die erste» Zeitungen erschienen, wurden fie von
den Mitgliedern des Festkomites einer hastigen
Durchsicht unterzogen und zum Theil konfiszirt.
In dem mit Schlüssellöchern und Riesen-Ohr-
muscheln originell dekorirten Saale waren zahl-
reiche spanische Wände aufgestellt, hinter denen
Sicherheitsorgane Platz nahmen und das Ge-
flüster der vom Tanze Ausruhenden belauschten.
Mehr als einem vorlauten Pärchen wurden
während eines Walzers Handschellen angelegt,
was nicht wenig zum Gelingen des schönen
Festes beitrug.

Womöglich noch amüsanter ging es auf dem
Dalldorfer Kränzchen zu. Das meschuggene
Junge-Herrenkomite scheute keine Mühe und
Kosten und ließ vieie hundert Einladungen
ergehen. Ein bekannter sezessiouistischer Künstler
besorgte die Ausschmückung des Saales, eigent-
lich einer geräumigen Gnmmizelle, in ent-
sprechender Weise. In einer Ecke standen zum
Beispiel chinesische Instrumente, sorgfältig luft-
und wasserdicht verpackt, von der fixen Idee
befallen, daß sie nun nach Peking zurückkehren
würden. Eine überaus komische Figur spielte
ein Kranker, der sich einbildete, Reichskanzler
zu sein, und beständig eine Extratour tanzen
wollte. Eine besonders schwer gestörte Dame
kehrte die leeren Taschen ihres Kleides nach
außen und erzählte Jedem, sie sei das Finanz-
ministerium. Als sich jedoch ein anderer Irr-
sinniger ihr als der Kriegsminister vorstellte,
entnahm sie ihrem Schuh die von ihm ge-
wünschte Summe in Tausendmarkscheinen.

Beim Menuett ereignete sich ein Unfall, der

beinahe das schöne Fest gestört hätte. Ein
circa fünfundzwanzigjähriger junger Mann,
ehemaliger Offizier, der an der Angstvorstellung
litt, er sähe einem Affen zum Verwechseln
ähnlich, hatte seine Taille derart geschnürt,
daß er bewußtlos umfiel und ihm das Mieder
geöffnet werden mußte. Ein anderer, ebenfalls
sehr flotter Tänzer, erhielt während der Qua-
drille die Zwangsjacke angelegt, weil er sich
plötzlich für einen Kulturapostel in Afrika an-
sah, und sein vis-ä-vis, eine zarte Komtesse,
mit einer Nilpferdpeitsche bearbeiten wollte.
Als eine Besucherin heftige Kolikanfälle bekam,
bildeten sofort mehrere an religiösem Wahn-
sinn Leidende einen Kreis um sie und begannen
sie gesund zu beten.

Unter den prämiirten Figuren befand sich
ein Kranker, der sich für den türkischen Sultan
hielt und Malerei, Dicht- und Redekunst und
Musik als Universalgenie zu beherrschen be-
hauptete. Er hielt jedem Ankommenden ein
paar unverständliche Kritzeleien vor und be-
zeichnete sie als die grandiosesten Werke mensch-
iicher Kunst.

Berechtigtes Aufsehen erregte auch ein Agra-
rier, der mit seinem geldgefüllten Porte-
monnaie herumklimperte. Der Unglückliche er-
klärte Jedem, er lebe in den besten Verhält-
nissen und brauche keine Zollerhöhung. Er
wurde von allen Seiten, namentlich von seinen
Standesgenossen, als der Gipfel der Verrückt-
heit auf das Wärmste bemitleidet. . . .

Mit der Rücktransportirung der Kranken
in ihre Zellen nahm das vortrefflich gelungene
Tanzvergnügen sein Ende. Ei

3roeite Beilage zum „wahren Iacob", Ar. 409 7, \902.
 
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