3730 —
-&■ Raubritter.
Auf hoher Burg, von festen: wall umgeben,
Saß einst der Ahnen ritterlich Geschlecht;
Hier führten sie ein urfideles Leben,
hier haben sie getäfelt und gezecht,
Und aus dem Saal voll Sahnen und Geweihe
Stieß nieder inan und überfiel voll Muth
Der schwerbepackten Uaufmannswagen Reihe.
Beliebig nahm man von des Städters Gut.
Des Enkels Loos gestaltete sich trüber
Gr kann nicht mehr so keck zu Werke gehn;
Die Seit des wegelagerns ist vorüber —
Auf andre Uünste muß er sich verstehn.
Der Uausmann ist entrückt dem grimmen hasse,
Als „Schwiegervater" zähmt er seinen Groll,
Geplündert wird nur noch die breite Nasse,
Sa, die sogar nur indirekt - durch Zoll.
Nur hat man leider viel zu ungebunden
Sn später:: Tagen dieses freie Glück
Der hochgebornen Ritterschaft gesunden
Und ihre Burgen brach man Stück um Stück,
wenn man dabei den Edlen hat gefangen
Nachdem den Drängern weidlich er getrutzt,
So hat man ihn an: halse ausgehangen
Und dazu schnöde einen Strick benutzt.
Und dieser Plebs empfindet's nicht als Ehre,
wenn man ihm abnimmt, was der Ritter braucht.
Als echtes Rauhbein fetzt er sich zur wehre
Und hat die Edlen derb schon angesaucht.
Den man vordem als Unterthan geschunden,
Rückt vor den: Ritter heute nicht den Hut!
Ja, der Respekt ist aus der Welt verschwunden
Und tief im Werthe sank das blaue Blut. R. L
Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.
Deutsche Heimathspolitik. Illustration. — Die beiden
Gracchen. — Michel und die Agrarratte. Illustration. —
Ein Kostümfest in der Wilhelmstraße. Von D. R. — Dar-
winismus I: Der lange Möller; Darwinismus II: Der dicke
Schweinezüchter. Illustrationen. — Aus der Zeit. Illustration.
Inhalt der zweiten Beilage: Dem Reichskanzler.
Von R. L. — Neueste Attraktionen von Barnum & Bailley.
Illustration. — Im Kasino. Illustration.
Zuckerschmerzen.
wer noch in Deutschland baut Getreide,
Der wird in Bälde gründlich pleite.
Und züchtet Hammel er und Rinder,
Dann wintt ihm der Bankrott nicht minder.
So lieh man denn voll Gottvertrauen
Auf allen Feldern Rüben bauen.
'ne gute weile ging die Sache,
Nun aber steht man vor dem Arache.
Nach einer fetten Periode
Ist nah man dem Erstickungstods,
Und eine Stimme fragt vermessen:
„wer soll denn all den Zucker fressen?"
Das Inland würd'ihn gern verschlingen.
Doch kann den Preis es nicht erschwingen,
Das Ausland aber sagt: „wir danken
Für eure Ueberzollgedanken!"
Und uns versetzt Lins auf den Rüssel
Die Zuckerkonferenz in Brüssel.
Nun sucht in wirren Fieberträumen
Mit dem Zuviel man aufzuräumen.
Man setzt als resoluter Hasser
Wohl gar den Zucker unter Wasser,
Läßt ihn dann in die Flüsse laufen.
Damit ihn dort die Fische saufen.
Den Uebersluß zu reduziren.
Rann man ihn auch denaturiren
Und ihn sodann aus großen Bütten
Dem Vieh in Trog und Arixxe schütten.
Das ist ein Einfall, Donnerwetter!
Da werden rasch die Schweine fetter.
In solchen Hellen Wahnsinn münden
Die alten Zoll- und Steuersünden,
Die uns bereits seit vielen Jahren
Lin scharfer Dorn im Fleische waren.
Und wieder geht ein Stück zum Henker
Der Weisheit unserer Staatenlenker!
v. d. Pleiße.
Aus Rastenburg-Gerdauen.
(Najoratsherr v. Arnim-Schnodderheim an seinen Freund
v. Belorv-Pleitenburg.)
Mein Allerwerthster!
Schade, daß nicht kommen konnten wegen
verdammte Eisenbahnverwaltung, die Billets
erster Klasse nicht auf Pump abgeben will!
Haben herrliche Wahl gehabt. Nämlich Kame-
raden vierzehn Tage lang täglich zu Sektfrüh-
stück versammelt und Nothlage besprochen. An
Kerls zwei Tonnen Schnaps verschänkt. Alles von
Geld, das Zentralkomite in Berlin für Agitation
geschickt hat.
Kürzlich mir scheußliche Affäre passirt. Höre,
daß rothe Hunde auf Vorwerk Flugblätter ver?
theilen. Sofort mit Inspektor und zwei Kame-
raden hin, Kanaillen windelweich gehauen, einer
besinnungslos liegen geblieben. Guter Scherz,
aber ekliges Nachspiel. Muß hundert Meter
Schmerzensgeld zahlen, sonst wollen Kanaillen
Strafantrag stellen und mich in Loch bringen.
Später Schreiben von Agitationskomite: Rothe
Hunde nicht mehr hauen, da Gerichtskosten zu
hoch, sondern Flugblätter mit List abzuschwindeln
suchen. Tag drauf rothen Hund auf Gntshof
gestellt, in Zimmer gelockt und Flugblätter, da
mir andere List nicht einsiel, für zwanzig Meter
abgekauft. Kaum geschehen, kommt Inspektor und
meldet, zweiter rother Hund habe inzwischen an
alle Kerls auf Hof Blätter vertheilt! Furchtbare
Wuth gekriegt. Rother Hund mit zwanzig Mark
über alle Berge. Nächsten Tag in Königsberger
Schandblatt zu lesen: „Quittung, v. Arnim-
Schnoddcrheim zwanzig Mark für den sozial-
demokratischen Wahlfonds". Beinahe aus Haut
gefahren vor Aerger.
Habe übrigens hundert Mark für Schmerzens-
geld und zwanzig Mark für sozialdemokratische
Flugblätter bei Berliner Zentralkomite liquidirt.
Esel im Reich sollen sehen, wie Ostelbier für
Thron, Altar und Zolltarif zu künipfen wissen.
Bin neugierig, ob berappen werden.
Ihr Arnim.
NB. Neuer Abgeordneter übrigens voll-
kommenes parlamentarisches Genie, zweiter
Massow! j. s.
Der Frosch.
Es sttzl rin Frosch auf rinem Stein,
Glotzt trüb in einen Sumpf hinein,
Dabei ist'« heller Sonnenschein.
Ein Frosch ist meistens kalk von Blut,
Wird auch nicht warm, wenn'« noch so gut
Die Sonne meint, wie hier sie'« thut.
Er sitzt mit krummem Hinterrumps
Nus seinem Steine, dumpf und stumpf,
And glotzt wie immer in den Sumpf.
Die Sonne „Freiheit" lacht und spricht:
„Komm', laß dich küssen, dummer Wicht!"
Er aber hört und steht es nicht.
Wer ist der Frosch, so trüg' und dumm,
Der dort sich treibt am Sumpf herum?
Man nennt ihn das Philisterthum! m.
Der Jubelgreis.
Die theologische Fakultät der Universität Greifs-
walds hat den Hofprediger a. D. Stöcker gelegent-
lich eines jüngst gefeierten Jubiläums zum Ehren-
doktor ernannt.
Stöcker, dem im Hinblick ans seine fehlenden
wissenschaftlichen Verdienste eine derartige Aus-
zeichnung peinlich ist, soll beschlossen haben, sich
der neuen Würde durch eine nachträglich einzu-
reichende theologische Doktor-Dissertation würdig
zu erweisen. Die Arbeit wird, wie wir hören,
ein kirchengeschichtliches Thema: „Die Anwendung
des Scheiterhaufens im neunzehnten Jahrhundert",
und ein dogmatisches: „lieber die Heiligkeit des
christlichen Eides", behandeln. j. s.
Zu vier Monaten Gefängniß hat das Dres-
dener Militärgericht den Unteroffizier Ranft
verurtbeilt, weil er einem Soldaten durch Kreide-
striche am Kommisbrot angedeutet hatte, wie
viel er davon essen dürfe. Wie sagt doch Goethe?
Wer nie sein Brot mit Kreide aß,
Wer nie die schönen Sommernächte
Geprügelt auf dem Feldbett saß —:
Der kennt euch nicht, ihr Feldwebelmächte!
LW- Unsere nächste Nummer ist üic Mm Nummer. Mehrvesteiinngen bitten wir vniü nutzugeben. “tso:
-&■ Raubritter.
Auf hoher Burg, von festen: wall umgeben,
Saß einst der Ahnen ritterlich Geschlecht;
Hier führten sie ein urfideles Leben,
hier haben sie getäfelt und gezecht,
Und aus dem Saal voll Sahnen und Geweihe
Stieß nieder inan und überfiel voll Muth
Der schwerbepackten Uaufmannswagen Reihe.
Beliebig nahm man von des Städters Gut.
Des Enkels Loos gestaltete sich trüber
Gr kann nicht mehr so keck zu Werke gehn;
Die Seit des wegelagerns ist vorüber —
Auf andre Uünste muß er sich verstehn.
Der Uausmann ist entrückt dem grimmen hasse,
Als „Schwiegervater" zähmt er seinen Groll,
Geplündert wird nur noch die breite Nasse,
Sa, die sogar nur indirekt - durch Zoll.
Nur hat man leider viel zu ungebunden
Sn später:: Tagen dieses freie Glück
Der hochgebornen Ritterschaft gesunden
Und ihre Burgen brach man Stück um Stück,
wenn man dabei den Edlen hat gefangen
Nachdem den Drängern weidlich er getrutzt,
So hat man ihn an: halse ausgehangen
Und dazu schnöde einen Strick benutzt.
Und dieser Plebs empfindet's nicht als Ehre,
wenn man ihm abnimmt, was der Ritter braucht.
Als echtes Rauhbein fetzt er sich zur wehre
Und hat die Edlen derb schon angesaucht.
Den man vordem als Unterthan geschunden,
Rückt vor den: Ritter heute nicht den Hut!
Ja, der Respekt ist aus der Welt verschwunden
Und tief im Werthe sank das blaue Blut. R. L
Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.
Deutsche Heimathspolitik. Illustration. — Die beiden
Gracchen. — Michel und die Agrarratte. Illustration. —
Ein Kostümfest in der Wilhelmstraße. Von D. R. — Dar-
winismus I: Der lange Möller; Darwinismus II: Der dicke
Schweinezüchter. Illustrationen. — Aus der Zeit. Illustration.
Inhalt der zweiten Beilage: Dem Reichskanzler.
Von R. L. — Neueste Attraktionen von Barnum & Bailley.
Illustration. — Im Kasino. Illustration.
Zuckerschmerzen.
wer noch in Deutschland baut Getreide,
Der wird in Bälde gründlich pleite.
Und züchtet Hammel er und Rinder,
Dann wintt ihm der Bankrott nicht minder.
So lieh man denn voll Gottvertrauen
Auf allen Feldern Rüben bauen.
'ne gute weile ging die Sache,
Nun aber steht man vor dem Arache.
Nach einer fetten Periode
Ist nah man dem Erstickungstods,
Und eine Stimme fragt vermessen:
„wer soll denn all den Zucker fressen?"
Das Inland würd'ihn gern verschlingen.
Doch kann den Preis es nicht erschwingen,
Das Ausland aber sagt: „wir danken
Für eure Ueberzollgedanken!"
Und uns versetzt Lins auf den Rüssel
Die Zuckerkonferenz in Brüssel.
Nun sucht in wirren Fieberträumen
Mit dem Zuviel man aufzuräumen.
Man setzt als resoluter Hasser
Wohl gar den Zucker unter Wasser,
Läßt ihn dann in die Flüsse laufen.
Damit ihn dort die Fische saufen.
Den Uebersluß zu reduziren.
Rann man ihn auch denaturiren
Und ihn sodann aus großen Bütten
Dem Vieh in Trog und Arixxe schütten.
Das ist ein Einfall, Donnerwetter!
Da werden rasch die Schweine fetter.
In solchen Hellen Wahnsinn münden
Die alten Zoll- und Steuersünden,
Die uns bereits seit vielen Jahren
Lin scharfer Dorn im Fleische waren.
Und wieder geht ein Stück zum Henker
Der Weisheit unserer Staatenlenker!
v. d. Pleiße.
Aus Rastenburg-Gerdauen.
(Najoratsherr v. Arnim-Schnodderheim an seinen Freund
v. Belorv-Pleitenburg.)
Mein Allerwerthster!
Schade, daß nicht kommen konnten wegen
verdammte Eisenbahnverwaltung, die Billets
erster Klasse nicht auf Pump abgeben will!
Haben herrliche Wahl gehabt. Nämlich Kame-
raden vierzehn Tage lang täglich zu Sektfrüh-
stück versammelt und Nothlage besprochen. An
Kerls zwei Tonnen Schnaps verschänkt. Alles von
Geld, das Zentralkomite in Berlin für Agitation
geschickt hat.
Kürzlich mir scheußliche Affäre passirt. Höre,
daß rothe Hunde auf Vorwerk Flugblätter ver?
theilen. Sofort mit Inspektor und zwei Kame-
raden hin, Kanaillen windelweich gehauen, einer
besinnungslos liegen geblieben. Guter Scherz,
aber ekliges Nachspiel. Muß hundert Meter
Schmerzensgeld zahlen, sonst wollen Kanaillen
Strafantrag stellen und mich in Loch bringen.
Später Schreiben von Agitationskomite: Rothe
Hunde nicht mehr hauen, da Gerichtskosten zu
hoch, sondern Flugblätter mit List abzuschwindeln
suchen. Tag drauf rothen Hund auf Gntshof
gestellt, in Zimmer gelockt und Flugblätter, da
mir andere List nicht einsiel, für zwanzig Meter
abgekauft. Kaum geschehen, kommt Inspektor und
meldet, zweiter rother Hund habe inzwischen an
alle Kerls auf Hof Blätter vertheilt! Furchtbare
Wuth gekriegt. Rother Hund mit zwanzig Mark
über alle Berge. Nächsten Tag in Königsberger
Schandblatt zu lesen: „Quittung, v. Arnim-
Schnoddcrheim zwanzig Mark für den sozial-
demokratischen Wahlfonds". Beinahe aus Haut
gefahren vor Aerger.
Habe übrigens hundert Mark für Schmerzens-
geld und zwanzig Mark für sozialdemokratische
Flugblätter bei Berliner Zentralkomite liquidirt.
Esel im Reich sollen sehen, wie Ostelbier für
Thron, Altar und Zolltarif zu künipfen wissen.
Bin neugierig, ob berappen werden.
Ihr Arnim.
NB. Neuer Abgeordneter übrigens voll-
kommenes parlamentarisches Genie, zweiter
Massow! j. s.
Der Frosch.
Es sttzl rin Frosch auf rinem Stein,
Glotzt trüb in einen Sumpf hinein,
Dabei ist'« heller Sonnenschein.
Ein Frosch ist meistens kalk von Blut,
Wird auch nicht warm, wenn'« noch so gut
Die Sonne meint, wie hier sie'« thut.
Er sitzt mit krummem Hinterrumps
Nus seinem Steine, dumpf und stumpf,
And glotzt wie immer in den Sumpf.
Die Sonne „Freiheit" lacht und spricht:
„Komm', laß dich küssen, dummer Wicht!"
Er aber hört und steht es nicht.
Wer ist der Frosch, so trüg' und dumm,
Der dort sich treibt am Sumpf herum?
Man nennt ihn das Philisterthum! m.
Der Jubelgreis.
Die theologische Fakultät der Universität Greifs-
walds hat den Hofprediger a. D. Stöcker gelegent-
lich eines jüngst gefeierten Jubiläums zum Ehren-
doktor ernannt.
Stöcker, dem im Hinblick ans seine fehlenden
wissenschaftlichen Verdienste eine derartige Aus-
zeichnung peinlich ist, soll beschlossen haben, sich
der neuen Würde durch eine nachträglich einzu-
reichende theologische Doktor-Dissertation würdig
zu erweisen. Die Arbeit wird, wie wir hören,
ein kirchengeschichtliches Thema: „Die Anwendung
des Scheiterhaufens im neunzehnten Jahrhundert",
und ein dogmatisches: „lieber die Heiligkeit des
christlichen Eides", behandeln. j. s.
Zu vier Monaten Gefängniß hat das Dres-
dener Militärgericht den Unteroffizier Ranft
verurtbeilt, weil er einem Soldaten durch Kreide-
striche am Kommisbrot angedeutet hatte, wie
viel er davon essen dürfe. Wie sagt doch Goethe?
Wer nie sein Brot mit Kreide aß,
Wer nie die schönen Sommernächte
Geprügelt auf dem Feldbett saß —:
Der kennt euch nicht, ihr Feldwebelmächte!
LW- Unsere nächste Nummer ist üic Mm Nummer. Mehrvesteiinngen bitten wir vniü nutzugeben. “tso: