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In die weite Welt,
Der Zukunft entgegen I
Der Sturm jauchzt durch den Frühlingsivalb,
Wo junge Knospen schwellen
And rüffelt au« dem Winterschlaf
Mil seinen Kampsgesellrn,
Was weil und breit noch nickt und gähnt,
Den Ten; noch fern und krrafllos wähnt.
Goldxfeile schwirren durchs Gezweig;
Es gischt und braust und wettert...
Der Len; rückt zum Bastillensturm,
Der Alles niederschmeltert,
Was bannen will die freie Kraft,
Die jubelnd neues Leben fchaffl.
So nahl der Menschheit Frühling einst,
Weckt stolzes Siegeshoffen,
Und unsre Herzen flehen dann
Der Wahrheit Sonne offen.
Schon glänzt der Zukunft Frührothschein,
Die maienfrisch bald bricht herein!
_ _ Heinrich Verg.
^Briefe moderner Dunkelmänner.
Stof Rnixpenbur an Pastor Duck.
Lieber Pastor! Habe jestern versäumt, Ihnen
mein Herz auszuschütten, war in veritabler
Sekt- und Jeulaune, erjo keine Zeit und Lust
zu ernster Konservation. Heute leider etwas
Katzenjammer, infolgedessen stark ethisch-mora-
lisch jestimmt. Auf Minimalzoll!
Situation scheint mir äußerst bedenklich.
Zentrum unsicherer Kantonist, wird Kompromiß
im Stiche lassen, wenn für gut findet. Bin
unmaßjeblicher Meinung, sollte» Zentrums-
wünschen auf andern Jebieten mehr entjejen-
kommen. Halte zum Beispiel für riesigen
Fehler, daß viele Standesjenossen jejen so-
jenannten Toleranzantrag jestimmt haben. Be-
jreife zwar Widerwillen jejen alles, was To-
leranz heißt, bin aber anderseits dafür, Zentrum
jeden Jefallen thun, der mit bewährter, feu-
daler Jesinnung vereinbar. Erblicke in katho-
lischer Kirche höchst werthvolle Bundesjenossin
jejen nichtswürdije Mächte Umsturzes.
Daß meinerseits heftijer Jegner jeder Tole-
ranz bin, brauche nicht besonders zu expliziren.
Verflucht moderne Erfindung, wahrscheinlich
von Juden herrührend. A propos, lieber Pa-
stor, haben reizende Rede von Jraf Pückler
jelesen? Janz enthusiasmirt von fabelhaftem
Freimuth edlen Jrafen, auf Ehre! Jndeß, um
auf besagte» Hammel zurückzukommen: Tole-
ranz ist bestes Mittel, Unsittlichkeit, Unzufrieden-
heit, Unjehorsam, kurz alle Schlechtigkeiten zu
fördern und jroßzuziehen — mit einem Worte,
Das Auge des Gesetzes.
ekelhafte Erscheinung. Kanaille darf nicht to-
lerirt werden. Etwas janz Anderes, Toleranz
jejen liebenswürdije Schwächen und standes-
jemäße Ausschreitungen höherer Klassen. Nur •
nicht in Oeffentlichkeit zu weit jehen, damit
Plebs nicht irritirt wird und verfluchte Demo-
kratenpresse Lärm schlägt. Hundsvötterjesell-
schaft! Sollte unnachsichtlich niederjeduckt
werden!
Trotz aller Abneijung jejen Toleranz halte
aber Toleranzantrag für harmlos. Bei fester
Ueberzenjnng, mon ober, Toleranz von Zentrum
ausjehend, wird nicht jefährlich.
Verbleibe Ihr wohlwollender Freund
Jraf Bodo von Knippenbur.
Pastor Duck an Traf Rnippenbur.
Hochgeborener Herr Graf!
Der Friede des Herrn sei mit Ihnen und
Ihrem Hause!
Die Besorgnisse, die Sie mir in Ihrem
Schreiben enthüllen, gehen auch mir sehr nahe.
Ich flehe täglich zu dem Herrn, dem Allmäch-
tige» und Allgütigen, um Minimalzölle und
hohe Kornpreise! Möge der Herr Zebaoth
sich der nothleidenden Großgrundbesitzer an-
nehmen in Gnaden!
Die Toleranz, hochgeborener Herr Graf, ist
ein Grundübel unserer Zeit. Sie entspricht
ganz der gottverlassenen Gesinnung, die heute
vielfach herrscht. Und das ist mir, unbeschadet
meiner Liebe zu unserer theuren evangelischen
Kirche, immer so groß und verehrnngswürdig
am Katholizismus erschienen, daß er die Tole-
ranz stets energisch bekämpft hat. Ich empfinde
überhaupt lebhafte Sympathie für die starke
Macht der katholischen Kirche. Sie hat vor
Allem eine Spitze im Papst. O hätten wir
in unserer lieben evangelischen Kirche dem
Aehnliches! Und diese Macht, die sie ausübt
über die Gemüther! Ich war, Herr Graf,
im vorigen Jahre im Gebirge, nicht zu einer
sündhaften Lustreise, sondern um die herrlichen
Werke Gottes anzuschauen. Da begegneten mir
oft in der durchweg katholischen Gegend Pro-
zessionen. Ewig bleibt mir der Gesichtsaus-
druck der frommen Waller im Gedächtniß:
hingebend fromm, kindlich demüthig, abseits
aller weltlichen Vernunft — so rechte Schäf-
lein des Herrn! Selig sind, die da geistig arm
sind!
Ich habe meine katholischen Mithirten um
diese Herde beneidet.
Ehrfurchtsvoll Ew. hochgeboren ganz ge-
horsamster Immanuel Duck.
In die weite Welt,
Der Zukunft entgegen I
Der Sturm jauchzt durch den Frühlingsivalb,
Wo junge Knospen schwellen
And rüffelt au« dem Winterschlaf
Mil seinen Kampsgesellrn,
Was weil und breit noch nickt und gähnt,
Den Ten; noch fern und krrafllos wähnt.
Goldxfeile schwirren durchs Gezweig;
Es gischt und braust und wettert...
Der Len; rückt zum Bastillensturm,
Der Alles niederschmeltert,
Was bannen will die freie Kraft,
Die jubelnd neues Leben fchaffl.
So nahl der Menschheit Frühling einst,
Weckt stolzes Siegeshoffen,
Und unsre Herzen flehen dann
Der Wahrheit Sonne offen.
Schon glänzt der Zukunft Frührothschein,
Die maienfrisch bald bricht herein!
_ _ Heinrich Verg.
^Briefe moderner Dunkelmänner.
Stof Rnixpenbur an Pastor Duck.
Lieber Pastor! Habe jestern versäumt, Ihnen
mein Herz auszuschütten, war in veritabler
Sekt- und Jeulaune, erjo keine Zeit und Lust
zu ernster Konservation. Heute leider etwas
Katzenjammer, infolgedessen stark ethisch-mora-
lisch jestimmt. Auf Minimalzoll!
Situation scheint mir äußerst bedenklich.
Zentrum unsicherer Kantonist, wird Kompromiß
im Stiche lassen, wenn für gut findet. Bin
unmaßjeblicher Meinung, sollte» Zentrums-
wünschen auf andern Jebieten mehr entjejen-
kommen. Halte zum Beispiel für riesigen
Fehler, daß viele Standesjenossen jejen so-
jenannten Toleranzantrag jestimmt haben. Be-
jreife zwar Widerwillen jejen alles, was To-
leranz heißt, bin aber anderseits dafür, Zentrum
jeden Jefallen thun, der mit bewährter, feu-
daler Jesinnung vereinbar. Erblicke in katho-
lischer Kirche höchst werthvolle Bundesjenossin
jejen nichtswürdije Mächte Umsturzes.
Daß meinerseits heftijer Jegner jeder Tole-
ranz bin, brauche nicht besonders zu expliziren.
Verflucht moderne Erfindung, wahrscheinlich
von Juden herrührend. A propos, lieber Pa-
stor, haben reizende Rede von Jraf Pückler
jelesen? Janz enthusiasmirt von fabelhaftem
Freimuth edlen Jrafen, auf Ehre! Jndeß, um
auf besagte» Hammel zurückzukommen: Tole-
ranz ist bestes Mittel, Unsittlichkeit, Unzufrieden-
heit, Unjehorsam, kurz alle Schlechtigkeiten zu
fördern und jroßzuziehen — mit einem Worte,
Das Auge des Gesetzes.
ekelhafte Erscheinung. Kanaille darf nicht to-
lerirt werden. Etwas janz Anderes, Toleranz
jejen liebenswürdije Schwächen und standes-
jemäße Ausschreitungen höherer Klassen. Nur •
nicht in Oeffentlichkeit zu weit jehen, damit
Plebs nicht irritirt wird und verfluchte Demo-
kratenpresse Lärm schlägt. Hundsvötterjesell-
schaft! Sollte unnachsichtlich niederjeduckt
werden!
Trotz aller Abneijung jejen Toleranz halte
aber Toleranzantrag für harmlos. Bei fester
Ueberzenjnng, mon ober, Toleranz von Zentrum
ausjehend, wird nicht jefährlich.
Verbleibe Ihr wohlwollender Freund
Jraf Bodo von Knippenbur.
Pastor Duck an Traf Rnippenbur.
Hochgeborener Herr Graf!
Der Friede des Herrn sei mit Ihnen und
Ihrem Hause!
Die Besorgnisse, die Sie mir in Ihrem
Schreiben enthüllen, gehen auch mir sehr nahe.
Ich flehe täglich zu dem Herrn, dem Allmäch-
tige» und Allgütigen, um Minimalzölle und
hohe Kornpreise! Möge der Herr Zebaoth
sich der nothleidenden Großgrundbesitzer an-
nehmen in Gnaden!
Die Toleranz, hochgeborener Herr Graf, ist
ein Grundübel unserer Zeit. Sie entspricht
ganz der gottverlassenen Gesinnung, die heute
vielfach herrscht. Und das ist mir, unbeschadet
meiner Liebe zu unserer theuren evangelischen
Kirche, immer so groß und verehrnngswürdig
am Katholizismus erschienen, daß er die Tole-
ranz stets energisch bekämpft hat. Ich empfinde
überhaupt lebhafte Sympathie für die starke
Macht der katholischen Kirche. Sie hat vor
Allem eine Spitze im Papst. O hätten wir
in unserer lieben evangelischen Kirche dem
Aehnliches! Und diese Macht, die sie ausübt
über die Gemüther! Ich war, Herr Graf,
im vorigen Jahre im Gebirge, nicht zu einer
sündhaften Lustreise, sondern um die herrlichen
Werke Gottes anzuschauen. Da begegneten mir
oft in der durchweg katholischen Gegend Pro-
zessionen. Ewig bleibt mir der Gesichtsaus-
druck der frommen Waller im Gedächtniß:
hingebend fromm, kindlich demüthig, abseits
aller weltlichen Vernunft — so rechte Schäf-
lein des Herrn! Selig sind, die da geistig arm
sind!
Ich habe meine katholischen Mithirten um
diese Herde beneidet.
Ehrfurchtsvoll Ew. hochgeboren ganz ge-
horsamster Immanuel Duck.