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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0112
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. 3769

von Serenissimus.

„Sagen Sie, lieber Kinder-
mann, warum hieß eigentlich
damals Gesetzentwurf gegen
Sitteulosigkeit lex Heinze?"

„Ja, Hoheit, die indirekte
Urheberin des Gesetzes war
eine Frau Heiuze. — Freilich
schade, daß die Sache so ab-
gefallen ift", erwiderte Kinder-
mann.

„So — so — freut mich,
daß Frauen sich so hervor-
ragend bethätigen. Lassen Sie
Dame herkonimen, lieber Kin-
dermann. kann vielleicht auch
in meinem Lande so was
machen, damit — äh — äh

— Sache wieder in Schwung
kommt."

-i-

Serenissimus besuchte eine
größere Zeitungsdruckerei und
ließ sich den Betrieb erklären.
Als er schließlich die fertige
Zeitung vor sich liegen sah,
meinte er nachdenklich: „Aeh

— äh — lieber Herr Redak-
teur, finde es unbegreiflich,
daß — äh immer grade so
viel passirt, daß — äh —
Zeitung voll wird." o. k.

Srübling im 0efängni$$.

Vergoldend liegt der Mitlagssonnenschein
Auf grauer Zimmerwand und draussen wiegen
Sid) junge JTbornblätter und es biegen
Kastanienzweige grüssend sid) herein.

ÖJcitbin ergossen wallt ein grünes Meer,

Besät mit gelben Kätzchen, weissen Bliithen.

Bald brauch’ ich nicht den Schreibtisch mehr zu hüten
ln diesem Zimmer nüchtern kahl und leer.

Gin Vogel zwitschert seine Melodien,

Das Jenster stoss’ ich auf, statt flktenstaubes,

Der mir die Brust beklemmt, den Duft des taubes,
Den Cenzesodem durstig einzuziebn.

Gin Springquell plätschert... und im Leinwandkleid
Bewegt sich barhaupt und in stummer Crauer
Die Räftlingsschaar entlang die grosse Mauer,

3e Zwei und Zwei zu langem Zug gereiht.

Und sieh’... ein einzelner! flm Boden schleift
Gr eine Kette nach. Jln beiden Knöcheln
Der Süsse klirrt’s. Und wie ein letztes Röcheln
Klingt es herauf, wenn sie die Kiesel streift.

Schleppend und träge ist des Mannes Bang,

Die Sessel scharrt im Cakt noch, leis und leiser,
Dann vor der Creppe, wo die Reiser
Sich lichten, blickt er auf sekundenlang.

Sein Bart ist grau, sein JTuge hoffnungsleer,

Bud) seine Rand trägt eine Gisenklammcr,

Dnd auf den Sersen dicht folgt ihm ein strammer,
finstrer Soldat, geladen das Bewehr.

Der Vogel bricht sein Liedchen plötzlich ab,

Dis schreckte ihn das missgestimmte Klirren,

Dnd wo sonst Sonnenlichter munter flirren
Sinkt dunkler Schatten in den Hof hinab.

Die Chore fallen dröhnend in das Schloss
Dud sinnend wiegen sich die flhornkronen;

Den holden Jrühling es schon längst verdross
“lijährlid) ein paar Wochen hierzu wohnen...! m. e.

Volkshygiene.

Im Erfurter „Allgemeinen Anzeiger" las man
vor Kurzem folgendes Inserat: „Kranke, schwache
und erholmrgsbedurftige Personen finden Hier Ge-
legenheit zu kräftiger, leichter Gartenarbeit ohne
gegenseitige Vergütung."

Das hochherzige Vorgehen des praktischen Er-
furters hat unsere Agrarier zur Nacheiferung in
größerem Stile angespornt. Vom Vorstand des
Bundes der Landwirthe ist dieser Tage ein Ge-
setzentwurf ausgearbeitet, nach welchem sämmt-
liche Rittergüter und Domänen Ostpreußens,
Hinterpommerns und Posens von Reichswegen
für „Klimatische Kurorte" erklärt und die ge-
summte städtische Bevölkerung beiderlei Geschlechts
zu „Zwangskurverbänden" vereinigt werden. Bei
Beginn der Saatbestcllung, beziehungsweise der
Erntekampagne marschiren die Kurgäste, zu denen
alle arbeitsfähigen Einwohner im Alker von 10
bis 85 Jahren gehören, in einzelnen Trupps unter
Führung eines Gendarmen nach dm Gutsbezirken
ab, denen sie zugetheilt sind. Die Kur besteht in
kräftiger landwirthschaftlicher Arbeit ohne gegen-
seitige Vergütung. Die nöthigen Geräthschaften
haben die Kurgäste selbst mitzubringen; ebenso
haben sie für ihren Unterhalt während der Kür-
zest Sorge zu tragen. Sd)lafräume in Baracken
und Biwaks, sowie Schnaps und Kartoffeln
werden gegen ein entsprechendes Entgelt von dem
Gutsherrn angewiesen. Um neben der körperlichen
Erholung auch eine geistige und moralische Kräfti-
gung zu erzielen, ist die Bestimmung getroffen,
daß die Kurgäste während der Dauer des Kur-
gebrauchs den Satzungen der preußischen Gesinde-
ordnung unterworfen sind.

Die Agrarier wollen den Gesetzentwurf noch
im Laufe dieser Session dem Reichstag vorlegeu
und hoffen auf einstimmige Annahme seitens der
staatserhaltendeu Parteien. Das Zentrum wird
sich zweifellos aus Gründen der christlichen
Nächstenliebe dafür erklären, und den National-
liberalen dürfte es bei einigem guten Willen nicht
schwer fallen, in dem Entwurf einen berechtigten
Kern zu entdecken. j. s.

Sonderbarl

Der Arbeiter Schmidt, der während des gunjeit
Winters arbeitslos gewesen und den es hungerte,
trat in seiner Verzweiflung auf der Straße an
einen Schutzmann heran mrd rühmte laut Sere-
nissimus' Edel- und Kunstsinn, Vatergüte, All-
weisheit, Gerechtigkeit und sonstige ihm von Gottes
Gnaden angestammten Tugenden. Aber die
schönsten Worte des Lobes verhalfen ihm zn
feinem Bissen Brot. Darauf behauptete er voir
allem das Gegeutheil und — bekam richtig
die ersehnte Pension auf Staatskosten! 8.

Briefkasten.

(Unverlangte Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

F. A. Sie haben vollständig Recht mit Ihrer Ansicht,
daß es vor allen Dingen die Parteipresse für unerlaubt
halten sollte, Maigedichte und sonstige Beiträge aus dem
„Wahren Jacob" abzudrucken, ohne die Quelle zu nennen.
Wir wagen indessen nicht zu hoffen, daß sich in diesen Ge-
pflogenheiten der Presse so bald etwas ändern wird.

N. Ü. Andere Reproduktionen der betreffenden Gemälde
als diejenigen im „Wahren Jacob" sind nicht käuflich zu haben.

,,Moabit". Die Anregung zur Illustration wird ver-
wendet werden. Besten Dank!

<2). K. Ihr Vorschlag ist nicht ausführbar.

Aus Hessen. Da die Nachricht von dem Strafmandat
nicht authentisch ist, kann der sonst interessante Vorfall nicht
behandelt werden.

,,Gin Demokrat" in Hamburg. Die von Ihnen ent-
wickelten Vorschläge haben nichts mit Demokratie, desto mehr
aber mit der wirthschaftspolitischen Chineserei des Bundes
der Landwirthe und der sogenannten Mittelstandsretter zu
thun. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, an dieser Stelle
die Unrichtigkeit solcher Ideen nachzuweisen.

A. w. in XV. Freuen Sie sich, daß man heute noch
nicht im Stande ist, mittels Röntgenstrahlen die Gedanken
zu erkennen und gar zu zählen. Das würde bei manchem
sonst angesehenen Manne zu arg kompromittirenden Resul-
taten führen.

G. p. Angesichts des Charakters unseres Blattes ist es
ganz unmöglich, einen „juristischen Sprechsaal" einzurichten.
— Die eingesandten Beiträge sind abgelehnt.

Ab ge lehnt: A. L. in B., Fr. <£. in Glasgow, F. N.
in San Francisco, A. L. in Dr., w. D. in A., i?. 5. in
Br.. H. I. in «Lr., w. A. Z., R. Sch. in D., A. w.
in B., A. A. in w., <£. 5. in <£., L. Z. in F., G. M.
in A., Schn. Schm.. M. Dresden, H. S. in H.. A. w..
..Auferstehung", G. L. in M., L. R. in H., F. T. in
B., G. H. in St., tv. A. in L., O. H. in D.
 
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