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Auguste Eichhorn f
Mit dem Tode von Auguste Eichhorn in
Dresden hat ein Leben seinen Abschluß ge-
funden, das köstlich gewesen, denn es war
Mühe und Arbeit. Mühe und Arbeit aller-
dings nicht blos im Dienste des Besitzes, der
die Arbeit knechtet und ausbeutet, und wie sie
jedes Proletariers Erbtheil sind. Mühe und
Arbeit vielmehr im Dienste der Idee, der Be-
wegung, welche die Arbeit befreit, und wie sie
jeden Proletariers höchste Pflicht und Ehre
sein sollten.
Auguste Eichhorn wurde 1851 in Chemnitz
als Tochter eines Webers geboren. Eines
Webers! Was bedeutet das anders,
als daß in Augustes Wiege die be-
siegelte Anwartschaft auf Hunger und
Kummer lag? Der Vater starb bald,
und die bitterste Noth zwang die kleine
Gustel an manchem Tag mit leerem
Magen brotheischend von Thür zu Thür
zu wandern. Zwar scheuchte die zweite
Ehe der Mutter die grimmigsten Ent-
behrungen aus der Familie, allein diese
war nach wie vor außer Stande, für
die Sättigung des nagenden Bildungs-
hungers der Kleinen zu sorgen, die
sich oft daheim mit steifen Fingern
und mühsam buchstabirend bemühte,
den Schulunterricht zu ergänzen. An
das Kindereleud reihte sich für Auguste
sehr bald das Arbeiterinnenelend. Sie
mußte in der Fabrik ihren Lebensunter-
halt erwerben und lernte hier aus
eigener Erfahrung den Fluch kennen,
mit dem die kapitalistische Ausbeutung
die Arbeit belastet.
Eine Ehe, die sie auf Wunsch der
übel berathenen Mutter einging, setzte
an Stelle der Knechtschaft der Lohn-
sklavin das Martyrium der unter-
drückten, unverstandenen Frau. Die Ehe
mußte bald durch die Scheidung ge-
löst werden. In dem Steinmetz Eich-
horn, der ein glühender, that- und
opferbereiter Anhänger der Sozial-
demokratie war, fand sie etliche Zeit
darauf den verständnißvollen, treuen
Gefährten ihres Lebens und Strebens.
Aber das gewonnene innere Glück fiel
mit dem größten äußeren Ungemach zusammen.
Das Einkommen des jungen Paares war ein
dürftiges, und bald machte der Kapitalismus
Eichhorn zu einem Nomaden, der unstet und
flüchtig dem Broterwerb nach von Ort zu Ort,
von Land zu Land gehetzt wurde. Arbeitslosig-
keit trieb 1877 die Familie in die Schweiz. Die
Hoffnung auf besseren Verdienst und vor Allem
der Wille, dem proletarischen Befreiungskampf
die besten Kräfte zu widmen, bestimmte die
Rückkehr in die Heimath. In Leipzig, wo die
Fannlie sich niederließ, zählte Eichhorn bald
zu den thätigsten Trägern der politischen und
gewerkschaftlichen Bewegung. Das Kapital und
seine politischen Schergen rächten sich dafür.
Der „Aufhetzer" flog aus mehr als einem Be-
trieb heraus; 1888 wurde er gelegentlich einer
Aussperrung der Leipziger Steinmetzen in einen
Massenprozeß verwickelt; die Ausweisung aus
Leipzig ließ nicht auf sich warten. In Dresden
galt es nun, eine neue Existenz zu gründe»
unb sich einem neuen Wirkungskreis einzu-
gliedern. Als endlich nach einem jahrelangen
harten Existenzkampf die materiellen Verhält-
nisse sich günstiger zu gestalten verhießen, da
forderte die furchtbare Steinmetzkrankheit ihr
Opfer ein. Bis das tückische Leiden das letzte
Fünkchen Kraft aufgezehrt hatte, stand Genosse
Eichhorn kämpfend in den vordersten Reihen
der Dresdener Arbeiterschaft. Ueber sein selbst-
loses, ersprießliches Wirken qnittirte der Kapita-
listenstaat brutal damit, daß er anläßlich des
Boykotts der Waldschlößchenbrauerei den todt-
kranken Mann als „Erpresser" wochenlang ins
Gefängniß warf. Nicht lange darauf, und
Auguste Eichhorn mußte allein den Kampf
gegen das grausame Leben weiterführen, und
nicht blos der eigenen Existenz wegen, vielmehr
auch als Mutter mehrerer noch erziehungs-
und hilfsbedürftiger Kinder.
Nur wenn man diese Umstände kennt, nur
wenn man weiß, was sie unter dem bleiernen
Drucke der proletarischen Klasseulage bedeuten,
kann man voll würdigen, was Genossin Eich-
horn gewesen, und was sie geleistet.
Auguste Eichhorns erste Bethätigung in der
Arbeiterbewegung fiel in die Zeit des Sozialisten-
gesetzes, des über Leipzig verhängten Belage-
rungszustandes. Die agitatorische und organi-
satorische Arbeit mußte unter den grüßtenHemm-
nissen und Gefahren geleistet werden und stellte
die höchsten Anforderungen au die kühle Be-
urtheilung der Verhältnisse, an Charakterfestig-
keit und Hingabe. Unsere verstorbene Genossin
hat durch manchen klugen Rath und manche
selbstlose That den Genossen Schwierigkeiten
aus dem Wege geräumt. Entschlossen und findig
half sie bei Verbreitung des „Käse" („Sozial-
demokrat") und der sozialistischen Broschüren-
literatur, bei Veranstaltung von Zusammen-
künften und geheimen Versammlungen rc. der
„Polenta" (Polizei) manches Schnippchen schla-
ge». Vor Allem aber hat das Beispiel ihres
nicht zu lähmenden Muthes, sowie ihr be-
lehrendes und bekehrendes Wort einen sehr
segensreichen Einfluß auf die Haltung der
Frauen in Leipzig ausgeübt.
Was Auguste Eichhorn in Leipzig in der
Stille und im kleinen Kreise geübt, das setzte
sie in Dresden später in der Oeffentlichkeit und
in großem Maßstabe fort. Hier zählte sie bald
zu den Begründerinnen und Führerinnen in der
proletarischen Frauenbewegung. Sie gehörte
der Frauen-Agitationskommission an, welche
Anfang der neunziger Jahre ins Leben gerufen
ward, und aus der 1894 der Frauen-Bildungs-
verein hervorging. In klarer Erkenntniß der
vorliegenden Umstände empfahl sie 1900 den Ge-
nossinnen, diese Organisation anszulösen und
als Mitglieder den Vereinen der drei Dresdener
Wahlkreise beizutreten. Auf politischem und
gewerkschaftlichem Gebiet war sie als Agita-
torin und Organisatorin thätig, und ihr Wir-
kungskreis dehnte sich allmälig immer weiter
aus. Sie genoß das Vertrauen der Genossinnen
und Genossen und verstand es vortrefflich, beide
zu gedeihlichem Miteinanderarbeiten zusammen-
zuführen. Den Parteitagen zu Köln, Gotha
und Hamburg wohnte sie als Vertreterin der
Genossinnen bei.
Für die Erfüllung ihrer vielseitigen
Aufgaben brachte sie nicht blos eiserne
Energie und grenzenlose Hingabe mit,
vielmehr auch das ernsteste Streben nach
Wissen und Vervollkommnung und
ein hohes Verantwortlichkeitsgefühl.
Mit welch zähem Fleiß hat sie nicht
daran gearbeitet, ihre sehr mangel-
hafte Schulbildung zu vervollständige»,
sich ökonomische und geschichtliche
Kenntnisse anzueignen, sich zu einer
klaren, einheitlichen Auffassung der
soziale» Frage durchzuringen. Zahl-
lose Nächte hat sie geopfert, um sich ein
Referat auszuarbeiten, um sich an-
regendes und belehrendes Material
zu verschaffen. Vertrauen und Aner-
kennung machten sie nicht eitel, steiger-
ten vielmehr das Bewußtsein der Ver-
pflichtung, immer mehr, immer Besseres
leisten zu wollen.
Lehrend und lernend stand sie in
Reih und Glied, bis das schleichende
Leiden, das ihren Mann dahingerafft,
auch ihrem Wirken ein Ziel setzte. Als
der Tod sie bereits auf Schritt und
Tritt belauerte, wollte sie wenigstens
die Genossinnen mit berathenden Wor-
ten fördern, wollte sie hören, wie andere
für die theure Ueberzeugung wirkten.
Solange die matten Glieder sie trugen,
kam sie zu den Besprechungen der
Genossinnen, wohnte sie Versamm-
lungen bei, und erst mit dem letzten
Athemzuge ist die Aufmerksamkeit er-
loschen, mit der sie die Entwick-
lung der proletarischen Frauenbewegung ver-
folgte. Mit der äußersten Energie wehrte
sie sich gegen das Ende. Wahrhaftig nicht,
weil sie den Tod fürchtete, oder weil sie sich
nach Lebensfreude sehnte. Lediglich weil sie
ihre Lebenspflicht noch nicht als erfüllt be-
trachtete. „Ich möchte noch leben, um noch für
die Befreiung der Arbeiterklasse kämpfen zu
können. Es giebt noch so viel zu thun, und
Derer, die sich ganz für die Sache des Prole-
tariats einsetzen, sind noch so Wenige."
Am 1. Juni endete ein Leben, das in lauterer
Ueberzeugungstreue, in rückhaltsloser, opfer-
freudiger Begeisterung ohne Schielen nach Lohn
und Ruhm dem gewaltigen Emanzipations-
ringen des Proletariats gehörte. Die prole-
tarische Frauenbewegung Dresdens und ganz
Deutschlands ist Genossin Eichhorn über das
Grab hinaus zu Dank verpflichtet. Die Ver-
storbene hat ihr Früchte treuen Schaffens und
ein Beispiel geschenkt, das in seiner schlichten
Größe jede Proletarierin mahnt: Gehe hin und
thue desgleichen. Wenn das kämpfende Prole-
tariat ehrenvoll Derer gedenkt, die ihr Alles,
ihr Bestes für das Ideal der Gleichheit, Frei-
heit, Brüderlichkeit eingesetzt haben, dann fällt
auch stets aufs Neue ein frischer Lorbeerzweig
auf Auguste Eichhorns Grab. Unsere Genossin
hat genug gelebt für alle Zeiten, denn sie hat
dem Besten ihrer Zeit gelebt. c. z.
Verantwortlich für die Redaktion B. Heymann in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Nachf. (K.m. b. H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.
Auguste Eichhorn f
Mit dem Tode von Auguste Eichhorn in
Dresden hat ein Leben seinen Abschluß ge-
funden, das köstlich gewesen, denn es war
Mühe und Arbeit. Mühe und Arbeit aller-
dings nicht blos im Dienste des Besitzes, der
die Arbeit knechtet und ausbeutet, und wie sie
jedes Proletariers Erbtheil sind. Mühe und
Arbeit vielmehr im Dienste der Idee, der Be-
wegung, welche die Arbeit befreit, und wie sie
jeden Proletariers höchste Pflicht und Ehre
sein sollten.
Auguste Eichhorn wurde 1851 in Chemnitz
als Tochter eines Webers geboren. Eines
Webers! Was bedeutet das anders,
als daß in Augustes Wiege die be-
siegelte Anwartschaft auf Hunger und
Kummer lag? Der Vater starb bald,
und die bitterste Noth zwang die kleine
Gustel an manchem Tag mit leerem
Magen brotheischend von Thür zu Thür
zu wandern. Zwar scheuchte die zweite
Ehe der Mutter die grimmigsten Ent-
behrungen aus der Familie, allein diese
war nach wie vor außer Stande, für
die Sättigung des nagenden Bildungs-
hungers der Kleinen zu sorgen, die
sich oft daheim mit steifen Fingern
und mühsam buchstabirend bemühte,
den Schulunterricht zu ergänzen. An
das Kindereleud reihte sich für Auguste
sehr bald das Arbeiterinnenelend. Sie
mußte in der Fabrik ihren Lebensunter-
halt erwerben und lernte hier aus
eigener Erfahrung den Fluch kennen,
mit dem die kapitalistische Ausbeutung
die Arbeit belastet.
Eine Ehe, die sie auf Wunsch der
übel berathenen Mutter einging, setzte
an Stelle der Knechtschaft der Lohn-
sklavin das Martyrium der unter-
drückten, unverstandenen Frau. Die Ehe
mußte bald durch die Scheidung ge-
löst werden. In dem Steinmetz Eich-
horn, der ein glühender, that- und
opferbereiter Anhänger der Sozial-
demokratie war, fand sie etliche Zeit
darauf den verständnißvollen, treuen
Gefährten ihres Lebens und Strebens.
Aber das gewonnene innere Glück fiel
mit dem größten äußeren Ungemach zusammen.
Das Einkommen des jungen Paares war ein
dürftiges, und bald machte der Kapitalismus
Eichhorn zu einem Nomaden, der unstet und
flüchtig dem Broterwerb nach von Ort zu Ort,
von Land zu Land gehetzt wurde. Arbeitslosig-
keit trieb 1877 die Familie in die Schweiz. Die
Hoffnung auf besseren Verdienst und vor Allem
der Wille, dem proletarischen Befreiungskampf
die besten Kräfte zu widmen, bestimmte die
Rückkehr in die Heimath. In Leipzig, wo die
Fannlie sich niederließ, zählte Eichhorn bald
zu den thätigsten Trägern der politischen und
gewerkschaftlichen Bewegung. Das Kapital und
seine politischen Schergen rächten sich dafür.
Der „Aufhetzer" flog aus mehr als einem Be-
trieb heraus; 1888 wurde er gelegentlich einer
Aussperrung der Leipziger Steinmetzen in einen
Massenprozeß verwickelt; die Ausweisung aus
Leipzig ließ nicht auf sich warten. In Dresden
galt es nun, eine neue Existenz zu gründe»
unb sich einem neuen Wirkungskreis einzu-
gliedern. Als endlich nach einem jahrelangen
harten Existenzkampf die materiellen Verhält-
nisse sich günstiger zu gestalten verhießen, da
forderte die furchtbare Steinmetzkrankheit ihr
Opfer ein. Bis das tückische Leiden das letzte
Fünkchen Kraft aufgezehrt hatte, stand Genosse
Eichhorn kämpfend in den vordersten Reihen
der Dresdener Arbeiterschaft. Ueber sein selbst-
loses, ersprießliches Wirken qnittirte der Kapita-
listenstaat brutal damit, daß er anläßlich des
Boykotts der Waldschlößchenbrauerei den todt-
kranken Mann als „Erpresser" wochenlang ins
Gefängniß warf. Nicht lange darauf, und
Auguste Eichhorn mußte allein den Kampf
gegen das grausame Leben weiterführen, und
nicht blos der eigenen Existenz wegen, vielmehr
auch als Mutter mehrerer noch erziehungs-
und hilfsbedürftiger Kinder.
Nur wenn man diese Umstände kennt, nur
wenn man weiß, was sie unter dem bleiernen
Drucke der proletarischen Klasseulage bedeuten,
kann man voll würdigen, was Genossin Eich-
horn gewesen, und was sie geleistet.
Auguste Eichhorns erste Bethätigung in der
Arbeiterbewegung fiel in die Zeit des Sozialisten-
gesetzes, des über Leipzig verhängten Belage-
rungszustandes. Die agitatorische und organi-
satorische Arbeit mußte unter den grüßtenHemm-
nissen und Gefahren geleistet werden und stellte
die höchsten Anforderungen au die kühle Be-
urtheilung der Verhältnisse, an Charakterfestig-
keit und Hingabe. Unsere verstorbene Genossin
hat durch manchen klugen Rath und manche
selbstlose That den Genossen Schwierigkeiten
aus dem Wege geräumt. Entschlossen und findig
half sie bei Verbreitung des „Käse" („Sozial-
demokrat") und der sozialistischen Broschüren-
literatur, bei Veranstaltung von Zusammen-
künften und geheimen Versammlungen rc. der
„Polenta" (Polizei) manches Schnippchen schla-
ge». Vor Allem aber hat das Beispiel ihres
nicht zu lähmenden Muthes, sowie ihr be-
lehrendes und bekehrendes Wort einen sehr
segensreichen Einfluß auf die Haltung der
Frauen in Leipzig ausgeübt.
Was Auguste Eichhorn in Leipzig in der
Stille und im kleinen Kreise geübt, das setzte
sie in Dresden später in der Oeffentlichkeit und
in großem Maßstabe fort. Hier zählte sie bald
zu den Begründerinnen und Führerinnen in der
proletarischen Frauenbewegung. Sie gehörte
der Frauen-Agitationskommission an, welche
Anfang der neunziger Jahre ins Leben gerufen
ward, und aus der 1894 der Frauen-Bildungs-
verein hervorging. In klarer Erkenntniß der
vorliegenden Umstände empfahl sie 1900 den Ge-
nossinnen, diese Organisation anszulösen und
als Mitglieder den Vereinen der drei Dresdener
Wahlkreise beizutreten. Auf politischem und
gewerkschaftlichem Gebiet war sie als Agita-
torin und Organisatorin thätig, und ihr Wir-
kungskreis dehnte sich allmälig immer weiter
aus. Sie genoß das Vertrauen der Genossinnen
und Genossen und verstand es vortrefflich, beide
zu gedeihlichem Miteinanderarbeiten zusammen-
zuführen. Den Parteitagen zu Köln, Gotha
und Hamburg wohnte sie als Vertreterin der
Genossinnen bei.
Für die Erfüllung ihrer vielseitigen
Aufgaben brachte sie nicht blos eiserne
Energie und grenzenlose Hingabe mit,
vielmehr auch das ernsteste Streben nach
Wissen und Vervollkommnung und
ein hohes Verantwortlichkeitsgefühl.
Mit welch zähem Fleiß hat sie nicht
daran gearbeitet, ihre sehr mangel-
hafte Schulbildung zu vervollständige»,
sich ökonomische und geschichtliche
Kenntnisse anzueignen, sich zu einer
klaren, einheitlichen Auffassung der
soziale» Frage durchzuringen. Zahl-
lose Nächte hat sie geopfert, um sich ein
Referat auszuarbeiten, um sich an-
regendes und belehrendes Material
zu verschaffen. Vertrauen und Aner-
kennung machten sie nicht eitel, steiger-
ten vielmehr das Bewußtsein der Ver-
pflichtung, immer mehr, immer Besseres
leisten zu wollen.
Lehrend und lernend stand sie in
Reih und Glied, bis das schleichende
Leiden, das ihren Mann dahingerafft,
auch ihrem Wirken ein Ziel setzte. Als
der Tod sie bereits auf Schritt und
Tritt belauerte, wollte sie wenigstens
die Genossinnen mit berathenden Wor-
ten fördern, wollte sie hören, wie andere
für die theure Ueberzeugung wirkten.
Solange die matten Glieder sie trugen,
kam sie zu den Besprechungen der
Genossinnen, wohnte sie Versamm-
lungen bei, und erst mit dem letzten
Athemzuge ist die Aufmerksamkeit er-
loschen, mit der sie die Entwick-
lung der proletarischen Frauenbewegung ver-
folgte. Mit der äußersten Energie wehrte
sie sich gegen das Ende. Wahrhaftig nicht,
weil sie den Tod fürchtete, oder weil sie sich
nach Lebensfreude sehnte. Lediglich weil sie
ihre Lebenspflicht noch nicht als erfüllt be-
trachtete. „Ich möchte noch leben, um noch für
die Befreiung der Arbeiterklasse kämpfen zu
können. Es giebt noch so viel zu thun, und
Derer, die sich ganz für die Sache des Prole-
tariats einsetzen, sind noch so Wenige."
Am 1. Juni endete ein Leben, das in lauterer
Ueberzeugungstreue, in rückhaltsloser, opfer-
freudiger Begeisterung ohne Schielen nach Lohn
und Ruhm dem gewaltigen Emanzipations-
ringen des Proletariats gehörte. Die prole-
tarische Frauenbewegung Dresdens und ganz
Deutschlands ist Genossin Eichhorn über das
Grab hinaus zu Dank verpflichtet. Die Ver-
storbene hat ihr Früchte treuen Schaffens und
ein Beispiel geschenkt, das in seiner schlichten
Größe jede Proletarierin mahnt: Gehe hin und
thue desgleichen. Wenn das kämpfende Prole-
tariat ehrenvoll Derer gedenkt, die ihr Alles,
ihr Bestes für das Ideal der Gleichheit, Frei-
heit, Brüderlichkeit eingesetzt haben, dann fällt
auch stets aufs Neue ein frischer Lorbeerzweig
auf Auguste Eichhorns Grab. Unsere Genossin
hat genug gelebt für alle Zeiten, denn sie hat
dem Besten ihrer Zeit gelebt. c. z.
Verantwortlich für die Redaktion B. Heymann in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Nachf. (K.m. b. H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.