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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0239
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Wilhelm häuft.

Im Sommer 1827 weilte der Dichter der
„Griechenlieder", Wilhelm Müller, auf
Besuch im Schwabenland. Schon trug der erst
Fünfunddreißigjährige den Todeskeim in der
Brust; nach seiner Vaterstadt Dessau zurückge-
kehrt, starb er am 10.

Oktober. Zwei Monate
später schied, gleichfalls
allzufrühe — „während
noch die Jugendlocken
seine Schultern blond
umgaben" —, einer der
schwäbischen Freunde,

Wilhelm Hauff. Am
29. November 1802 ge-
boren, hatte er, den üb-
lichen Pfad der meisten
„Literatur - Schwaben"
wählend, in Tübingen
Theologie studirt und
war Erzieher im Hause
des Präsidenten von
Hügel geworden. Dann
machte er eine Reise
nach Paris und Nord-
deutschland, welche be-
deutende Anregungen
gewährte,undübernahm
darauf die Redaktion
des Stuttgarter Mor-
genblattes. Die Exi-
stenz zu frohem Schaffen
wargestchert. Jnrascher
Folge erschienen von
ihm poetische Gaben, die
hohe Schönheiten boten;
doch da fielen ihm schon
dieAugen zu.„Neidisch",
hieß es in dem schlich-
ten Nachruf, den das
Morgenblatt ihm wid-
mete, „ließ das Schicksal
ein Herz stille stehen,
das warm für Liebe und
Freundschaft schlug, und
einen Genius verstum-
men, der noch manches
herrliche Bild in Ernst
und Laune verhieß. Er
war geachtet von Allen,
geliebt von Vielen, die

seinen Charakter kannten, in der Blüthe seines
Alters, seines Ruhmes und seines Glückes; sein
Ruhm mochte sich noch mehren, sein inneres Glück
gewiß nicht. Wenige Stunden, bevor das Fieber
seine Sinne in wilden Taumel riß, belebte die
Freude zum letzten Male seine Züge bei der
Kunde von der Seeschlacht bei Navarino. Das

wUMM Hauff.

Ereigniß konnte er nicht mehr besingen, er
konnte sich nur darüber freuen. Er nahm dieses
Gefühl hinüber in des Fiebers Gluth und es
war rührend zu hören, wie er, sich für den
Siegesboten nach Jenseits haltend, wehr als
einmal rief: Laßt mich, ich muß hin, ich muß
es meinem Müller sagen!"

Und Meister U h l a n d
klagte um den Heim-
gegangenen:

Dem jungen, frischen, farben-
hellen Leben,

Dem reichen Frühling, dem kein
Herbst gegeben.

Ihm lasset uns zum Todten-
opfer zollen.

Den abgeknickten Zweig, den
blüthenvollen!

* *

*

Mit einem Strauß
lieblicher Märchen
stellte Hauff sich vor.
Wie fleißig er „Tausend
und eine Nacht" studirt,
als Muster benutzt hatte,
ist leicht erkennbar; aber
sie waren sein eigenes
frei gestaltetes Werk —
sein bestes nannten es
Viele'— und der Mo-
ment des Melkens ist für
diese Schöpfung noch
lange nicht gekommen.
Als echter Schwabe ver-
suchte Hauff natürlich
sich bald auch mit der
Polemik; die Zustände
forderten dazu auf. Daß
er mit der Lust auch das
Talent dazu besaß, be-
kunden seine „Mi tt Hei-
lungen aus den Me-
moiren des Satans";
es sprudelte darin —
wenngleich nicht immer
zum Vortheil der Form
— einschelmischerUeber-
muth. Den Teufel, den
er auf die Wanderschaft
schickt, läßt er rücksichts-
los berichten, was er be-
obachtete. Er verhöhnt
die Universitäts-Man-
darine, verspottet die
 
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