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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0010
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3932

Neue Kameradschaft.

Arbeiter (der sich vom „Terrorismus" der Sozialdemokratie befreit hat): Nicht so stürmisch, meine Herren, ich kann noch nicht

so viel Lhampagner vertragen!

Blick in die Zukunft.

So haben sie nun zu stände gebracht
Ein neues Stück der Rncchtung!

O herrliche Zeit, in der wir stehn —

0 Acra der Entrechtung!

verteuert hat man der Dürftigen Brot

Und neue Millionen

polt aus des Volkes Beutel man,

Zu füllen die Taschen der Drohnen.

Mit Junkertrutz und Pfaffenlist
Und Advokatenkniffcn,

So haben sie Schwarz in weiß verkehrt
Und sich am Recht vergriffen.

Zur Farce ward das Parlament,

Zur elenden Fafchingsposse;

Da herrschte Röntg Rarneval
Mit seinem närrischen Trosse.

wo sonst gewaltet das Gesetz,

Galt Willkür nur, die freche,

Und feiert' Orgien ungeniert —

Das Volk bezahlt die Zeche!

Bald werfen sie ab die letzte Scheu
Und des Anstands schwache Bande
Und zeigen allem Volke sich
In ihrer nackten Schande.

Roch ist das Recht der freien Wahl
Dem deutschen Volk gelassen;

Gebt Acht! Sie werden es bald bedräun,
Das sie so lang schon hassen.

Dann heißt es: Sammle dich, deutsches Volk
Zu scharfem Waffentanze
Und schirme gegen der Dränger Brut
Der Freiheit letzte Schanze! «uidam.

v. Arnim-Schnoddrrheim

an v. Belotv-Pleikenburg.

Mein Allermerthstcr! Skandalöse Reichstags-
affäre hat selbstredend auch bei hiesigem Adel
allgemeine Entrüstung hcrvorgerufen. Wenn
vaterlandsloses Gesindel nicht pariren will, muß
Disziplin eben eingebläut werden! Konservative
Abgeordnete gehen viel zu schlapp vor. Aende-
rung der Geschäftsordnung, Geschäftsordnungs-
debatten re. einfach lächerlich! Haben neulich in
Klub beschlossen, daß Geschäftsordnung überhaupt
abzuschaffeu und dafür Kriegsartikel einzuführen
sind. Und zwar schleunigst, denn wer kann wissen,
ob staatserhalteude Parteien im nächsten Reichs-
tag noch viel mitzureden haben werden. Mein
Jüngster — ä propos in dieser Woche zum
Leutnant bei Gardekaoallerie befördert — schreibt
mir aus Potsdam, daß Kameraden in diesen
Tagen schon hofften, endlich mobil gemacht zu
werden. Es sollte nämlich erprobte Kavallerie-
attacke gegen Reichstag geritten werden. Leider
nichts draus geworden, da Gäule von letzten
Manövern noch zu sehr herunter. Zeppelin hat
ganz recht, wenn in Kreuzzeitung schreibt, Kaval-
lerie sei Stiefkind der Armee. Habe jetzt fünften
Jungen bei Gardekavallerie und weiß nicht mehr,
wo Gelder hernehmen soll. Wenn erst verdammte
Geschäftsordnung in Reichstag aufgehoben ist, wer-
den durchsetzen, daß Armeeverwaltung Fonds zur
Verfügung gestellt wird, woraus Schulden von
Kavallerieoffiziere berappt werden müssen. Sehe
nicht ein, wenn für Proletenbande allerhand Ver-
sicherungen cingeführt sind, warum nicht auch
Reichs-Jeu-Versicherung für edelste Truppe! Auch
Alimeuten-Versicherung im nationalen Interesse
nicht zu umgehen. Mein Zweitältester muß ganzen
Rittmeistergehalt für unbeabsichtigte Nachkommen-
schaft ausspucken und hat schon wieder drei Klagen
hängen. Habe ihm jetzt geschrieben, wenn Schwei-
nerei nicht bald aufhört, werde ihn zur Besserung
nach Capri schicken, wo ritterliche Neigungen ohne
Gefahr von Alimentenklagen befriedigt werden
können. Inzwischen Ihr Arnim.

Auch ein Sitzungsbericht

aber nicht aus dem Reichstage.

Neulich saß ich zu gewissem Zwecke
Nus dem Häuschen in des Hofes Lcke,

Mo der Nensch beschaulich sich versenkt.

Zieh, da fiel mein Auge auf ein Blättchen,
Das von milder Hand auf dem Alosettchen
Zum Gebrauche freundlich aufgehängt.

Lieber Leser! Auf dem stillen Grte
Kragt man nicht nach dem gedruckten Worte,
Hier wird nützlich uns der Keind sogar.

Und so griff ich denn mit Wohlbehagen
Aach der Zeitung, ohne drum zu fragen.

Daß es der „Lokalanzeiger" war.

Und was tat ich in dem Blättchen lesen? —
„V, wie ist der Richter brav gewesen
Und ein Volksvertreter comme il faut.

Und wie löblich war des Nannes Handeln,
Nit den Zöllnern Arm in Arm zu wandeln
Unentwegt und überhaupt und so."

Alles dieses las ich und ich dachte:

Was der Richter da im Reichstag machte.
Das war freilich hundsgemein und schlecht.
Und daß Aujust Zcherl ihm darum schmeichelt
Und gerührt die feisten Backen streichelt.

Das geschieht dem dicken Lugen recht!

Also dacht' ich, sitzend auf dem Brettel.

Und benützt' mit Fleiß das Lcherlsche Blättel
Wie? — Ach, Leser, dieses sagt man nicht.
Drauf verließ erleichtert ich die Ulause,

Lilte leichtbeschwingt und froh nach Hause
Und schrieb dieses liebliche Gedicht. Uno.
 
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