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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0015
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3937 —■-

6in freisinniger Arbeiter.

UJa$ macht ein Mann wie ich sich aus dem Ladet,
.Hus den Protesten seines ganzen Standes:
Bekommt vom Uater er des Uaterlandes
Jür sein Uerhalten eine Busennadel!

Jortan gehör’ ich zu den Bielgenannten,

Und mein Porträt — ich mache ja Epoche! —
nebst sachverständ'ger Laxe der Brillanten,

Bringt in der nächsten Hummer schon die „Woche“.

Doppelsinnige Frage.

Baron (stark verschuldet): Sehen Sie, Herr
Doktor, den steilen Felskegel mit beit Trümmer-
resten? Dort stand mein Ahnenschloß, dort haben
meine Vorfahren jahrhundertelang gehaust.

Doktor: Und mann ist Ihr Geschlecht eigent-
lich heruntergekommen, Herr Baron?

Gendarm (einen Handwerksburschen verhaftend): Ach
verhafte Sie! Sie haben in diesem Hanse ge-
bettelt.

Handwerksbursche: O bitte, ich sammle nur
Liebesgaben!

Nach neuesten Mustern.

Anwalt (der zwei Raubmörder verteidigt, zu den

Geschworenen): Meine Herren Geschworenen, bei
gewissenhafter Prüfung der Tatnmstände müssen
Sie zn einem Nichtschuldig gelangen. Denn wie
liegt der Fall? Meine beiden Klienten begegnen
ans der Landstraße einem Fremden, der eine Geld-
summe bei sich trägt. Meine Klienten haben nichts,
sie gehören zu den „Notleidenden" und sie be-
dürfen zn ihrem Fortkommen des Geldes des
Fremden. Sie suchen ihn daher zu überreden,
seine Börse herauszugeben. Statt dieser Forde-
rung nachzugeben, weigert sich der Mann ent-
schieden und macht allerhand Winkelzüge. Mit
einem Worte: er treibt in der frechsten Weise
Obstruktion und widersetzt sich den durchaus be-
rechtigten Wünschen der Mehrheit. Aufgebracht
über dies terroristische Gebaliren haben meine
Klienten den Mann dann allerdings totgeschlagen,
aber es liegt auf der Hand, daß sie sich durchaus
im Stande der Notwehr befanden. Ich bin da-
her überzeugt, daß Sie, meine Herren Geschwo-
renen, einstimmig ein „Nichtschuldig!" aussprechen
werden.

Briefe moderner Dunkelmänner.

Pastor Duck an Graf Knipxrnbur.

Hochgeborener Herr Graf!

Wir sind hier in der ländlichen Einsamkeit des
Dankes voll, daß der Herr Zebaoth das große
Werk des Zolltarifes bisher so weit geführt hat,
und wir hoffen, daß sein Segen auch ferner da-
rüber ruhen werde.

Allerdings ist nicht alles nach unfern irdischen
Wünschen gegangen. Wir haben uns schließlich
damit begnügen müssen, bedeutend weniger an-
zunehmen. Aber der Herr, der diese Prüfung
uns auferlegt, weiß, wozu sie gut ist. Ihm sei
Lob und Preis. Dank aber sei den Männern,
die wie Sie, Herr Graf, in edler Pflichterfüllung
und bewundernswerter Selbstlosigkeit das schwie-
rige Werk bis dahin gefördert haben.

Ich möchte mir heute eine Frage erlauben,
um deren huldvolle Beantwortung ich Ew. Hoch-
geboren ehrerbietigst bitte. In der „Kreuzzeitung"
las ich die Aufforderung an die Pastoren, in
den gegenwärtigen ernsten und bewegten Zeiten
Gebete für den Reichstag zu verrichten. Dieser
Gedanke hat auch mich sympathisch berührt. Viel-
leicht gelingt es, durch die Macht des Gebets die
Herzen der verstockten Sünder im Reichstag zu
erweichen und ihre betörten Geister zur Besin-
nung zu bringen. Wenn daher Ew. Hochgeboren
als Patron unserer Kirche es gestatten, werde
ich mir erlauben, vom nächsten Sonntag au eine
Fürbitte für den Reichstag der sonntäglichen
Liturgie einzusllgen.

In einem Punkte bin ich noch ziveifelhaft.
Unter den Böcken, die ans der linken Seite des
Reichstags sitzen, befinden sich nicht nur irre-
geleitete oder abgefalleue Christen, sondern auch
Juden. Ich weiß nicht, ob es angängig sein
wird, auch diese in unser Gebet einzuschließeu
und bitte daher den Herrn Grafen um eine gütige
Entscheidung.

Ew. Hochgeboren ganz gehorsamster

Immanuel Duck, Pastor.
*

Graf Knixxrnbur an Pastor Duck.

Lieber Pastor! Sitze jerade in Reichstag und
benutze höchst langweilige Rederei über Zolltarif,
um Ihren Brief zu beantworten.

Tarisfrage hat mir unjemein zu schaffen je-
macht — können sich denken, Bester! War ur-
anfänglich stramm für Standpunkt Wangeuheim,

retirirte daun aber auf Kommissionsbeschlüsse,
da sonst jar nichts jekriegt hätten. Haben Recht,
lieber Pastor, Vorsehung hat uns darbenden Jroß-
jrundbesitzern schwere Prüfung auferlegt, sonst
wären durchaus berechtigte agrarische Forderungen
jlatt durchjejangen. Auf Rejieruug ist eben kein
Verlaß. Bülow ohne Schneid, innerlich Furcht
vor Juden, Proletariern, Sozialdemokraten und
Jot! weiß was.

Scheußliche Tage das in letzter Zeit! Kaum
mal zu jemüthlichem Jeuchen jekommen, von
Jagd janz zu schweigen. Immer in öden Reichs-
tag jesessen und faules Jeqnaische anjehört! Und
warum das alles? Weil verfluchte Opposition,
anstatt jeduldig zu Kreuze zu kriechen, sich auf
Hinterbeine stellt und mit Jewalt janzen Tarif
durchberathen will. Janzen Tarif, denken Sie,
Pastor! Schauderhafte Idee! Nichtswürdige
Bande möchte verhindern, daß überhaupt sejens-
reiches Zolljesetz zu Stande kommt.

Na, wir haben's ihnen jejeben, lieber Pastor!
Für entjangene Fasauenjagd prachtvolles Treiben
aus Rotwild veranstaltet. Jeschäftsordnung zur
Strecke jebracht, hussah! Alles niederjestimmt,
ivas sich frech in Weg jestellt! Haben allerdings
höllisch aufjemuckt, Leute von Linken, Rechtsbruch,
Verjewaltigung und Jott weiß was! jeschrieen.
Haben uns den Deibel darum jekümmert. Sache
ist hübsch einjelenkt und wenn nötig kommt es
noch ja»; anders.

Jedanke, für verblendete Opposition Jebete zu
zu verrichten, ist jottvoll und amüsant. „Kreuz-
zeitung" hat doch manchmal dolle Ideen! Halte
Beten in diesem Falle allerdings für reine Atem-
verschwendung. Solche Kerle muß man janz
anders behandeln, wenn man sie bessern will.
Mit Fuchtel traktiren bis an Wänden hinauf-
krabbeln, das hilft! Nichtswürdige Kanaille muß
unterjetaucht werden, daß Athem ausjeht. Mund-
tot machen ist das Einzige.

Na, ich habe nichts jejeu Ihren rührenden Eifer,
lieber Pastor! Beten Sie nach Belieben für mal-
proppere Jesellschaft, und beten Sie in Deibels
— wollte sagen: In Gottes Namen für janze
Blase, Juden einjeschlossen. Ist ja ein Auswaschen
und die Singer, Stadthagen, Wurm und wie die
Kerls heißen, haben es am nötigsten. Bleibe
freilich höllisch skeptisch wegen Erfolges — jlaube,
schönstes Jebet wirkt nicht auf so abjebrühte Je-
sellen.

Im übrigen bin ich Ihr wohljewogener

Jraf Bodo Knippenbur.
 
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