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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0018
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—. 3940

■s- Berliner Straßenbild.

posodorvsk^: Heiliger Trüber! Roch so einen Zolltarif und wir haben den Zukunftsstaat!

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Das große Zentrumsei. Illustration. — Hamstertrick.
Illustration. — Bei einer Denkmalsenthiillung. Illustration.
— Dem Zäsar Heil! Von Oivi« quidam Romanus. — Die
Erfindung. Von Emil Rosenow. — Die Jagd nach dem Glück.
Illustration. — Mariouettenspiel. Illustration. — Zur Ab-
wechslung. — Neues von Serenissimus. — Das Pferdefleisch-
Diner. Von J. 8. — Die frommen Jesuiten. Von Klara
Müller. (Illustriert.)

patriotische Metamorphose.

Hei! Wie schatten über England
Unsre edlen Patrioten!

Sittlich waren sie entrüstet
Und sie schimpften wie die Knoten.

Sprachen von dem Räubervolke
Vhne Treue und Gewissen,

Haben täglich höchst moralisch
Ihre Mäuler aufgerissen.

Und den biedern deutschen Bürgern
Lies ein Gruseln über'n Rücken,

Dachten sie an Englands Willkür,
Niederträchtigkeit und Tücken.

Und bei Wein und Bier und Schnäpsen
Saßen sie von Zorn entflammet,

Haben den perfiden Briten
In der Hölle Grund verdammet.

Doch die Welt ist rund und dreht sich,
Heut' erklingen andre Lieder:

Diese niederträcht'gen Briten,

Sie sind unsre „Waffenbrüder".

Un der Küste Venezuelas
Ward der Herzensbund geschloffen;
Deutsche, Briten — gegen Gastro
Zogen sie als Kampfgenossen.

Und der Biedre, der so mutig
Gegen England hat gestritten,

Er betrinkt sich patriotisch
Ruf das Wohl des edlen Briten.

Und er brüllt nun: „Vivat England!
Gruß und Heil sei dir entboten!"

Ja, die Welt ist rund und dreht sich
Und mit ihr die Patrioten! Emdam.

Sittenverfall.

P

„Heb lieber Gott, welch schreckliches fTlalheur!
€in fürstlich UJeib, ’ne Kronprinzessin gar
Liebt bürgerlich! 0 der Moral und ehr’!

Da sinkt der Massen frommer Glaube schwer
Jfn Sürstensitten. 0 wie schauderbar!

UJar’s nicht genug damit, was Krupp getan?
Schon wieder eine neue Sensation!

Moral und Lugend, seid ihr ganz entstehn?
0, eine sittenlose Zeit hebt an.

Die Besten sind auf einer schiefen Bahn,

Und ach! die Schlimmsten zieh» daraus den

Lohn." — —

So klagt und jammert Deutschlands Haute-
volee,

Die so moralisch doch und tugendreich.
Banausenpack des edlen Anstands, schweig!
ÜJarKruppdruni schlecht,weil er auf trübertjöh
So anders war als wir — und so voll UJeh?
Ist jene schlecht,weil siedenSchwestern gleich?

€rid) Mühsam.

Piefkc: Na, nu hat der Verein deutscher
Fürstinnen zur Hebung von die Sittlichkeit 'ne
scheene Uffjabe!

Lehmaier: Wie meenste det?

Piefke: Na, ick denke an die Jeschichte mit
die Kronprinzessin von Sachsen.

Lehmaier: Unsinn! Det jeht den Verein jar
nischt an!

Piefke: Ach so, dn meenst, bat die Fürstinnen
sich man bloß mit die Hebung von die nieder»
Klassen abjeben un sich um ihre eijene Standes-
jenossinnen jarnich kümmern?

Lehmaier: So is et! An sich selber denken
se nich!

Boshaft.

Gast: Wer war denn der Herr, der eben fort-
gegangen ist.

Wirt: Ein guter Bekannter von mir, der
Dachdeckermeister Wetterhahn.

Gast: So so! Dem begegnen Sie ivohl manch-
nial, wenn Sie auf der Hasenjagd sind.

Polizeilich, s.

Die in Madrid verhafteten Pariser Millionen-
schwindler Humbert haben sich, wie die Zeitungen
nielden, äußerst anerkennend über die Liebens-
würdigkeit der spanischen Polizei ausgesprochen.
Im Berliner Polizeipräsidium bedauert man
daher lebhaft, daß die berühmte Familie nicht
die deutsche Rcichshauptstadt zu ihrem Aufent-
haltsort gewählt hat. Hier hätte sie eine noch
ungleich koulantere Sicherheitsbehörde kennen ge-
lernt lind die Unbequemlichkeiten einer schließ-
lichen Verhaftung wären ihr überdies gänzlich
erspart geblieben, da sich die Berliner Kriminal-
polizei mit der Entdeckung »nd Festnahme von
Verbrechern bekanntlich seit geraumer Zeit nicht
mehr abgibt. _ j. s.

Gemütvoll.

Chef (ausgeregt zu einen, Bekannlen>, So machen's
die Kerls! Gestern habe ich einem meiner Arbeiter
zehn Mark Vorschuß gegeben — heute Nacht stirbt
er und ich hab's Nachsehen!

Kindlich.

„Maina, wie tun mir die kleinen Naben so leid?"
„Warum denn, mein Liebling?"

„Weil sie Rabeneltern haben."

Vom Kgsernenlzof.

Unteroffizier: Ra, was fehlt Ihnen denn,
Einjähriger Windelmann, daß Sie so ein trauriges
Gesicht machen? Sie sehen gerade aus ivie ein
Flohtheaier-Direktor, dem sein erster Liebhaber
durchgegangen ist.

Richter: Wie kommen Sie dazu, sich unter
solchem Namen hcruinzntreiben.

Gauner: Herr Richter, ich reise mit Vorliebe
incognito!

Kammerjungfer: „FrauBaronin, eine arme
Frau frägt, ob sie nicht ein altes, abgelegtes Kleid
bekommen könnte?"

Baronin: „Das habe ich nicht, aber ein altes
Modejournal kann sie haben."

Machet doch nicht ein solches Geschrei
Von der „großen" liberalen Partei —
Müßt euch etwas bescheiden können
Und sie lieber die „kleine" nennen!

Gesetz und Moral! Damit hat man noch stets
Freiheit und Liebe totgeschlagen.
 
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