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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0022
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Dem Zäsar L)eiN

(Altrömisches Idyll.)

Hört ihr den ßestestrubel nicht,

Die Tuben und Kanfaren?

Hurrah, hurrah! Der Kaiser kommt
Nit seinem Croß gefahren!

Welch' ein Gedränge und Gewühl,
welch' Schreien, Rufen, Winken!

Sieh diesen Prunk und diese Pracht,
Sieh dort die Adler blinken!

Da kommt der Wagen! Seht, dort steht
Der Kaiser majestätisch;

Schaut finster drein und nickt und dankt
Dem Volk so gravitätisch.

Lr hat die Augen rechts und links.

Die Rase in der Mitten;

And drunter wie bei Andern auch
Der Nund ist ausgeschnitten.

Das ist der Mann, deß Herze schlägt
Zür uns zu jeder Stunde;

Der stets und ständig ohne Ruh'

Im Reiche macht die Runde.

Hipp hipp, hurrah! so braust der Ruf,
Es lebe hoch der Kaiser!

Es schreit der große Haufen und
Der kleine Lohn sich heiser.

Civi.s quidam Romanus.

Die Erfindung.

Von Lmil Rosenow.

Herr Spiimereibesitzer Bechert saß allein an
dem großen Doppelpult des Direktorialziimners.
Durch das Fenster drang nur matt das durch
dicke Vorhänge gedämpfte Sonnenlicht und fiel
in ein paar zittrigen Strahlen auf den Kahl-

kopf des Chefs, der mit seinen harten Zügen
und der vorspringenden Nase wie ein Geier-
kopf aussah.

Herr Bechert wandte sich um, als sein Sohn
etwas geräuschvoll eiutrat.

„Nu denk' Dir blos, Papa", der Junge brach
in lautes Gelächter aus, „nu, so 'ne Arroganz!
Da draußen steht der Spinner Löbel... Du
weißt doch, das verwachsene Kerlchen, das wir
bei der letzten Betriebseinschränkuug aus Barm-
herzigkeit behalten haben. Der will also zu
Dir. Er hat 'ne wicht'ge Erfindung gemacht,
sagt er."

Ueber das spitzige Gesicht des Alten zog ein
Lächeln. „Was ist's denn?" fragte er.

„Ich Hab' mir die Zeichnung und das Mo-
dell gar nicht erst angesehen, denn was ver-
steht so'n Kerl von Technik!"

„Nu", meinte der Alte bedächtig, „das trifft
nicht immer zu. Arbeiter erfinden viel; so
kleine Verbesserungen, weißt Du, Handgriffe,
auf die eben nur Jemand kommen kann, der
täglich praktisch mit den Maschinen umgeht.
Ich Hab' schon oft Nutzen davon gehabt. Laß
doch den Mann eintreten."

Nach einer Weile trat der Arbeiter herein:
ein etwas verwachsener junger Mensch, aber
mit einem intelligenten Gesicht.

„Na, Löbel", fragte der Spinnereibesitzer
jovial, „Sie haben, wie man sagt, eine Er-
findung gemacht?"

„Nu, Herr Bechert", stotterte der junge
Mann schüchtern, „ich hab's mir blos so zu-
sammenkombinirt. Vielleicht is' die Einrich-
tung auch schon längst da. Aber Ihre Maschinen
sind doch jetzt das Neueste, da müßt's doch
dran sein."

Herr Bechert rollte den ihm überreichten
Zeichenbogen ans und machte große Auge».
„Hm, recht sauber gemacht. Wo haben Sie
denn Zeichnen gelernt?"

„Nu, gelernt Hab' ich's grade nich", sagte
der Arbeiter. „Früher war ich 'mal im
Bureau der Maschinenfabrik und da Hab' ich
den Zeichnern die Sache so abgeguckt." Des
Chefs Interesse machte ihm Muth und er
begann die Zeichnung zu erläutern. Es war
eine einfache Verbesserung, die aber den Hand-
langerdienst des die Maschine bedienenden
Arbeiters noch mehr einschränkte. Und dann
packte er sein plumpes Holzmodell aus und
demonstrirte dem Alten die Verbesserung.

„Wissen Sie, Löbel", meinte dieser, „'s
is' ganz nett, daß Sie so viel Interesse am
Betrieb an den Tag legen. Das findet man
heute selten. Aber ich lege keinen Werth auf
die Sache. Von so was giebt's wohl schon
ein englisches Patent. Immerhin lassen Sie
's mal da, ich werde es mir noch mal an-
sehen."

Der kleine Arbeiter war wieder eingeschüchtert.
„Ein Patent? Ich hab's mir wohl gedacht.
Eh' Unsereins so was fertig hat.. ."

Der Spinnereibesitzer beruhigte ihn mit ein
paar freundlichen Worten. Er solle gelegent-
lich mal wieder Nachfragen. Als aber der
Arbeiter hinaus war, lief er erregt im Zimmer
umher.

Wieder und wieder nahm er Zeichnung und
Modell zur Hand, um sich schließlich hinzu-
setzen und zu rechnen. Nach einer Weile legte
er die Feder hin. „Also die Sache wird ge-
macht! Die Einrichtung kostet zwar eine
hübsche Summe, aber wir ersparen jährlich
gut sechzig Arbeiter. Die Konkurrenz soll sich
umgucken."

Nach einigen Tagen stand der kleine Arbeiter
wieder im Direktorialzimmer. Er kam, um
sich nach dem Stande seiner Sache zu er-
kundigen.

Herr Bechert machte ein erstauntes Gesicht.
„Was für 'ne Sache? .. . Ach ja, richtig, Ihre
Erfindungsgeschichte."

Er kramte den Zeichenbogen und das Holz-
modell aus einer Ecke zusammen. „Ja, hören
Sie, es is' nichts damit, es is' schon da, 'ne
Kleinigkeit anders. Sie können's wieder mit-
nehmen, Löbel."

Der Arbeiter war wie aus allen Himmeln
gestürzt.

„Schade, da Hab' ich mir nu solche Mühe
gegeben, 'n paar Nächte Hab' ich spintisirt, un
nu is's wieder nichts."

„Ja, das is auch aller Ehre» werth, lieber
Löbel", sagte der Chef freundlich. „Ich
habe schon daran gedacht, Sie zu belohnen.
Wie wär's denn, wenn Sie mir Modell und
Zeichnung ließen, blos der Liebhaberei wegen,
daß ich nieinen Bekannten mal zeigen kann,
was meine Arbeiter für intelligente Kerle sind.
Auf zwei-, dreihundert Mark soll 's mir nich
ankommen."
 
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