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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0023
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„Aber, Herr Direktor, da wäre ich Ihnen
ja so dankbar!"

„Ach, machen Sie keine Geschichten. Es is
nn mal 'ne Liebhaberei von mir, wenn 's auch
keine» praktischen Werth hat. Sie schreiben
mir '» paar Zeilen, daß Sie mir die Sache
abtreten »nd damit is es gut. Einverstanden?
Ich Hab' nich viel Zeit. .."

Er setzte ein kurzes Schriftstück auf, wonach
ihm Löbel alle Rechte an Zeichnung und Mo-
dell abtrat. Als es unterschrieben war, legte
er dem jungen Manne drei Hundertmarkscheine
hin. Dieser halte noch nie soviel Geld bei
einander gesehen, und war überglücklich. Herr
Bechert wehrte seinen Dank ab und kompli-
mentirte ihn zur Thüre hinaus.

Einige Zeit nach Anbringung einer neuen
Erfindung an den Spinnmaschinen saß Herr
Bechert wieder in seinem Bureau und rechnete.
Die Einrichtung bewährte sich über alle Er-
wartungen gut; fast siebzigtausend Mark be-
trug die Ersparniß an den Betriebskosten.

Befriedigt zündete Herr Bechert eine Havanna
an, als sein Sohn hereinstürmte.

„Denk Dir nur, Papa, so 'ne Frechheit.
Du erinnerst Dich doch noch an den Menschen,
den Löbel? Der Kerl erzählt im ganzen Be-
trieb herum. Du hättest ihm eine Erfindung
abgeschwindelt."

Herr Bechert ließ die Zigarre fallen.
„Ab—geschwindelt! So 'ne Unverschämtheit.
Den Kerl Hab' ich überhaupt auf dem Zuge.
Bei jedem Schritte, de» ich im Betrieb thue,
steht er da herum wie so 'n Gespenst. Jetzt
mache ich Schluß. Laß den Menschen mal
rufen."

Nach ein paar Minuten schon stand der
Arbeiter da. „Sagen Sie mal", schnauzte ihn
Bechert an, „Sie sollen im Betrieb erzählt
haben: ich hätte Ihnen 'ne Erfindung ab-
geschwindelt?"

„Das habe ich nicht gesagt", meinte Löbel
kleinlaut, fügte aber gefaßt hinzu: „Wohl aber
sagte ich, daß Sie meine Unerfahrenheit aus-
nützte» und mir für 'ne Erfindung, die Ihnen
Zehntausende einbringt, nur dreihundert Mark
gegeben haben."

„Was, das is ja noch frecher. Was bilden
Sie sich denn überhaupt ein? Die Zeichnung
wie das Modell waren ja ganz unbrauchbar.
Da hat erst mein Techniker was draus ge-
macht. Und überhaupt, habe ich Ihnen nicht
aus purer Menschenfreundlichkeit die drei-
hundert Mark geschenkt? Das is nu wohl
der Dank?" Er riß die Komptoirthür auf
und rief: „Der Mann kriegt seinen Lohn, er
ist entlassen!"

marionettenflneL

Zur Abwechslung.

Gefängniswärter: Herr Direktor, die Ge-
fangenen beschweren sich, daß sie jetzt drei Tage
hinter einander Kartoffeln mit Nübcu zum Mit-
tagsessen gehabt haben.

Direktor: So, so! Na, dann geben wir ihnen
zur Abwechslung jetzt mal drei Tage Rüben mit
Kartoffeln. ,,

Neues von Serenissimus.

Screnissimns geruhten zufällig einen Blick an?
dem Audienzsaale in das Vorzimmer zu thun,
wo die wartenden Personen — es herrschte ge-
rade arges Regenwetter — die mitgebrachten
Galoschen ausgezogen und neben einander an die
Wand gestellt hatten.

„Aeh, Kindermann," meinte Serenissimus er-
staunt, „was ist denn das? Da sind ja mehr
Galoschen als Menschen!"

Das Pferdefleisch-Diner.

(Nach Luc. Kapitel 14.)

Es begab sich, daß die Berliner Schlächter-
meister ein groß Pferdefleischessen rüsteten und
dazu einluden die Menschenfreunde vom Tierschutz-
vercin, die da schwärmten in ihren Schriften für
Hottehüh-Würste und Gaulasch.

Und sie sandten ihren Knecht aus, zu sagen
den Geladenen: Kommet, denn es ist alles bereit.

Aber die fingen an alle sich zu entschuldigen.
Der Erste sprach zu ihn:: Ich habe mir faule
Hypothekenakticn gekauft und muß schleunigst
gehen auf die Börse, um sie wieder loszuwcrden;
ich bitte dich, entschuldige mich.

Und derAndcresprach: Ich habe ein Weib genom-
men, das mich heute Abend bei Dressel erwartet
znni Souper, darum kann ich nicht kommen.

Und der Dritte sprach: Ich habe meine Arbeiter
befohlen zu einer freiwilligen Huldigungsfeier zum
Andenken Krupps; ich muß gehen und sehen, ob
die Luders da sind; ich bitte dich, entschuldige mich.

Da wurden die Schlächtermeister zornig und
sprachen zu ihrem Knechte: Gehe aus auf die
Straßen und Gassen der Stadt und führe die
Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden her-
ein, ans daß unsere Tische und Bänke voll werden.

Und der Knecht ging aus auf die Straßen und
brachte zusanimen, wen er fand, Böse und Gute.

Da die Geladenen aber gekostet hatten die
Mahlzeit, so die Schlächtermeister nach dem Rezept
der Pferdefleisch- und Menschenfreunde ihnen be-
reitet hatten, dreheten sich ihnen die Därme hennn
im Leib und ihre Mägen kehreten sich aus.

So wurden die Tische und Bänke voll nach
dein Wunsche der Menschen- und Pferdefleisch-
freunde, und die Scheuerweiber hatten Arbeit für
Tage und Wochen. o. s.
 
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