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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0034
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flüam und tva

Zeichnung von Nob. Langbein.

Huf Ka^enpfoten.

wie wird man Millionär!

von Karl v liker.

Neulich saß ich in meiner — mit Verlaub zu
sagen — Mansardenwohnung und dachte gerade
an das, aus dem Gott die Welt erschuf. Da
brachte der Bote die Zeitung und mein erster.
Blick fiel auf einen Artikel, in welchem zum so
und so viel dutzendsten Male die amerikanischen
Millionäre das Geheimnis enthüllten, das ihnen
angeblich zu ihrem ebenso schnöden, wie begeh-
renswerten Mammon verholfen haben sollte.

Sei sparsam, sei fleißig, sei nüchtern, das war
Alles, was die transatlantischen Millionabobs
dem staunenden Europa zu verkünden hatten.
Lieber Himmel, ich habe all meinfliebtag diese
Tugenden geübt, manchmal freiwillig, manchmal
zwangsweise, aber zu einer Million habe ich's
bis heute nicht gebracht. Und ich möchte doch
so gerne! Sollte es vielleicht am Klima liegen?
dachte ich bei mir. Sollten die Amerikaner sich
statt des Golfstroms einen Goldstrom gesichert
haben, der ihnen die Millionen so mühelos in

die Tasche spült? Der Tausch wäre so übel
nicht, aber er ist unwahrscheinlich, denn auch bei
uns finden sich zahlreiche Millionäre, von deren
Fleiß und Nüchternheit bis jetzt noch niemand,
von deren Sparsamkeit höchstens ihr Arbeiter-
personal etwas gemerkt hat. Warum ist kein
deutscher Journalist je auf den Gedanken ge-
kommen, die einheimischen Krösusse nach der
Herkunft ihrer Millionen zu fragen?

Ich hab's gewagt! Ich bin furchtlos in die
Höhle der Löwen des Tages gegangen, aber —
einmal und nicht wieder!!

Meine natürliche Intelligenz sagte mir, daß
ich von unten anfangen müsse, deshalb ließ ich
mich zuerst bei einem einfachen Mark-Millionär,
dem bekannten Bankier Hasenfeller, melden. Er
enipfing mich in der leutseligsten Weise mit den
Worten: „Haben Sie das Schild im Hausflur
nicht gelesen? Betteln und Hausieren ist streng
verboten!" Hierauf drückte er herablassend auf
einen Knopf und ehe ich mich versah, befand ich
mich schon draußen.

Durch diesen Erfolg nicht entmutigt, begab
ich mich zu dem Geheimen Kommerzienrat Jesko,
der es der Sage nach verstanden haben soll, noch
aus geflickten Schienen Gold zu macheu und den
die Damen vom Ballet als ihren zweiten Onkel
verehren. Der Sekretär bedeutete mir auf meine
Bitte um Audienz, daß der Herr Geheimrat
grundsätzlich keine Journalisten empfange. Ich
möchte mich an den Verein zur Fürsorge für
entlassene Sträflinge wenden, dem der Herr Gc-
heimrat als stiftendes Mitglied angehöre. Auf
meine schüchterne Andeutung, daß ich noch nie
gesessen hätte, erwiderte er kurz: „Das thut mir
sehr leid" und verschwand, während ein Diener
mir behilflich war, den Ausgang zu finden.

Ich konnte mich der Einsicht nicht verschließen,
daß es sehr schwer sei, von einem Millionär die
Wahrheit zu erfahren, fast noch schwerer, als
einem Fürsten die Wahrheit zu sagen. Aber
einen letzten Versuch wollte ich noch machen.
Diesmal jedoch nicht bei einem bürgerlichen Em-

porkömmling, sondern bei einem der Alleredelsten
der Nation. An den Fürsten von Qualm-Cla-
ringen wandte ich mich, der durch seine kürzlich
erfolgte Vermählung mit der Tochter des Berliner
Börsenfürsten von Rolhbleicher deni Ruhmes-
kranze seines Geschlechts ein neues unverwelk-
liches Reis hinzugefügt hat. Ihm unterbreitete
ich meine Bitte schriftlich, da mir der Verkehr
mit so hohen Persönlichkeiten nicht geläufig ist
und einige leichte Kontusionen in der Rücken-
gegend, die ich mir bei meinen obengeschilderten
Besuchen zugestoßen hatte, noch nicht völlig ver-
heilt waren. In den Ausdrücken tiefster und
höchster Ehrfurcht bat ich Seine Durchlaucht um
authentische Aufklärung über den Ursprung seines
fürstlichen Vermögens, da ich gesonnen sei, der
deutschen Jugend an einem so hervorragenden
Beispiele zu beweisen, daß man nicht bloß in
Amerika, sondern auch im deutschen Vaterlande
noch zu Geld kommen könne, wenn man es nur
zu nehmen wisse.

Auf die Antwort warte ich heute noch, der
Leser müßte denn gerade das Urteil des König-
lichen Schöffengerichts als solche betrachten wollen,
welches mich wegen Beleidigung Seiner Durch-
laucht zu 150 Mark Geldstrafe, im Uneinbring-
lichkeitsfalle zu 14 Tagen Gefängnis verdonnert.
Ich werde wohl die Strafe absitzen, zumal wie
ich höre augenblicklich Mangel an Gefangenen
herrscht und ich nichts weiter vorhabe. Ich
wüßte auch nicht, wo ich die 150 Mark hcrnehmen
sollte — ich, der ich von Millionen träumte!

Die amerikanischen Krösusse scheinen doch mehr
Sinn für Humor zu haben, als ihre deutschen
Kollegen.
 
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