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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0038
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. 3960

Gin Prachtskerl. <3-

wir haben einen Aanzler,

So ganz wie für uns gemacht;
wir könnten nichts Besseres finden —
Ls ist eine wahre Fracht!

Mit seinem Genie — so sagt man —
Sei freilich nicht viel los.

Mag fein! Indes als Gemütsmensch
Da ist er wirklich groß.

Lr soll das Staatsschiff lenken;

Doch wenn es ein andrer tut,
wie das schon vorgekommen,

Behält er ruhig Blut.

Selbst Politik zu machen,

Draus ist er nicht kapriziert:

Lr liest sa in der Zeitung
Nachträglich, wie man regiert.

Doch wenn die Sache schief geht
— Das tut sie dann und wann —,
Zeigt er sich in seiner Größe
Als Mensch und Ldelmann.

hochherzig trägt er die Schläge
And alles Mißgeschick:

Sein Rücken ist stark beteiligt
Bei dieser Politik.

Mag sein, daß ein andrer Aanzler
Mehr seinen Äoxs benützt;

Gras Bülow weiß selbst am besten,
wo seine Stärke sitzt.

Drum sag' ich: Dieser Aanzler
Ist ganz wie für uns gemacht,
wir könnten nichts Besseres finden —
Ls ist eine wahre Pracht! Ne

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Die Makler der Brotwuchers. Porträt-Galerie (v. Kröcher,
Bachem). — Fortschritt. — Die badischen Klosterstürmer. Bon
Ludwig Frank. — Wirbelwind. Illustration. — Der Maroni-
mann. Ein Interview von Max Eitelberg. — An Gottes
Segen ist alles gelegen. Illustration. — In der Fifth Avenue.
Illustration. — Triftige Gründe. — Don Quixote. Illu-
stration. — Der Abenteurer. Illustration.— Der Weinfälscher.
Illustration. — Die Aristokraten. — In den Amorsälen. —
Ein Trauerfall. Illustration.

Inhalt derzweiten Beilage: Der Zentrumsturm. —
Die Berliner Samariter. Bon J. S. — Der Römling. Illu-
stration. — In die „Woche" gekommen. Illustration.

vaNeffrem.

Ein Grandseigneur von Zentrums Gnaden,
Lenkt' manches Jahr ich, stramm und straff,
Des Reichstags Schifflein durch die Wogen, .
Zugleich ein Junker und ein pfaff'.

Man nannte mich gerecht und bieder,

Man rühmte meinen noblen Sinn —

Ich aber nahm mit frommer Miene
Der Toren Lobeslvorte hin.

So trieb ich Jahre lang mein Wesen,
Im Stillen rüstig wirkend, bis
Das gottverdamnite Rorps der Roten
Die Maske mir vom Antlitz riß.

Nun ist verstummt des Ruhmes Psalter,
Nom braven Mann das hohe Lied —
Ich stehe da in meiner Blöße
Als Höfling und als Jesuit. j. s.

Vermessenheit.

Herr v. Pimpelmitz costpr°ußisch-r Ritterguts-
besitzer und Ortsvorstand): Dies Schulmcisterpack wird
immer unverschämter! Da bittet der Lehrer Dünne-
bier, man möge ihn in den neuen Gutsschweine-
stall ziehen lassen, iv eil das Schulhaus zu baufällig
sei. Ich glaube, der Kerl leidet an Größenwahn!

0er?inger Lottes.

Wenn die Ketzer und die Beiden
Scbicksalsscbläge mussten leiden,

€i, wie scbrei’n dann die bigotten
Pfäfflein: „Gott lässt sich nicht spotten!
Gottes Singer ist’s, der dräut —

Gebt in euch zu rechter Zeit!“

Doch es pflegt auch vorzukommen,

Dass das Unbeil trifft die Srommen,

Wie das Uölklein der Bretonen,

Die an Frankreichs Küste wobnen
Und dem Pfaffentum ergeben
Unter seiner Obbut leben.

Diese Ärmsten nähren sieb
Uon dem Siscbfang kümmerlich.

Aber heuer blieb, 0 Graus!
stust der reiche Siscbzug aus,

Durch die Bütten schleicht die Dot
Und die Armen flebn um Brot.

Und sie fragen: „Warum ward
Uns ein Cos so schwer und hart?

Uns die wir zu aller Zeit
Uns der Kirche treu geweiht!

Sprich, 0 Priester, warum traf
Uns so schwer des Bimmels Straf’?“

Doch das Pfäfflein hat sogleich
Pfiffig seinen Spruch berichtigt
Und es näselt: „tröstet euch!

Gott liebt jene, die er züchtigt!“ Quidam.

Splitter.

Die Welt ist ein V-Zug im großen. Wer ohne
Platzkarte ankommt, mutz mit einem Stehplatz
vorliebnehmen. „

Die Kinderschuhe sind die Galoschen des Glücks.

Dein größten Kleinmut ist zuweilen durch die
kleinste Großmut abzuhelfen.

Die Aufgabe der Polizei ist nicht, einen Schul-
digen, sondern den Schuldigen zu finden.

Du sollst nicht töten — wenn du cs nicht
nach den Vorschriften des Ehrenkodex vermagst.

Luinxenlied.

Lumpen auf und nach Berlin!

Dort wird euer Weizen blüh».

Die polit'sche Polizei

tzat noch manchen Posten frei.

Lumpen, dorthin lohnt die Reise,

Dort stehn Lumpen hoch im Preise.

Und die Rachfrag' ist dort stark.

Bare, blanke sechzig Mark
Lind wahrhaftig auch kein Äuark.

Line gold'ne Zeit bricht an.

Jeder Luinp wird Lhrenmann,

Und der größte Lump ist frei
Unlerm Schutz der Polizei.

Wenn der Anstand sich muß zieren.
Braucht ein Lump sich nicht genieren.
Statt Gesetz und Litte sei
Run geehrt die Lumperei
Der polit'sche« Polizei. Spottdrossel.

Piefke: Also, de Konservativen wollen bet
Wahlrecht umschmeißen!

Lehmann: I wo, so 'ne Schlechtigkeit traue
ick die Leite nich zu.

Piefke: O du Rindvieh!

Lehmann: Wie kannste mir schimpfen? Det
verbitte ick mir.

Piefke: Nu brat mir eener een Storch! Det
is doch nich jeschumpfcn. Weeßte noch immer
nischt von det Augsburger Urteil? Wenn ick dir
„Rindvieh“ nenne, so ivill ick damit janz eenfach
sagen, daß de 'ne „harmlose Auffassung" von
die Sache hast.

Lehmann: Ach so! Na, det lasse ick mir je-
fallen.
 
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