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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0049
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■i 3971

»Mein Langer is bei's Jericht. Nnr die ersten fünf Tage im Monat
hat er Draht. Dann is er blank."

„Mein Dicker is bei die notleidende Landwirtschaft. Da sind sc det janze
Jahr bei Kasse."

NoveWäne. es

Der Jakob diente sieben Jahr
Um Rahel. Doch als Hochzeit war,

Da hatte er — o Schmach und Jammer! —
Die wüste Lea in der Kammer.

Es hat sich manches Jahr geplagt
Das Zentrum als Regicrungsmagd,

Und kriegt trotz Fleiß und gute» Sitteir
Zum Lohn nur halb die Jesuiten.

O Zentrum, sei nicht desperat!

Tn', was der Juden Ahnherr tat:

Er zeigte sich im Unglück heiter

Und hielt das Maul — und diente weiter.

Oberamtmann Spainer in Darmstadt wünscht, daß beim Reichstags-
präsidenten an stürinischen Tagen eine schwarze Fahne entfaltet werde.
Der Mann hat Recht — es ist höchste Zeit, den Präsidentenstuhl mit
Traucremblenien zu versehen.

Weg über Alles will man diesmal sehn.

Vergessen will man die fatalsten Dinge.

Man will zusammen bei den Wahlen gehn,

Um uns gemeinsam einen Strick zu drehen —

Ja, wenn's nur ginge!

Denn schwiege selbst die Stimme der Partei
Beim Liebesmahl und beim Verbrüd'rungshumpen —

Der Geldsack spricht, sobald der Rausch vorbei
Und — es zerfällt der große Ordnungsbrei
In lauter Klumpen!

Das Tischtuchzerschneiden wird jetzt Mode. Hoffentlich bezahlen die-
jenigen, die es tu», den angerichteten Schaden — dann haben wenigstens
die Leineweber etwas davon. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

IIlasKenfeft.

P

Heijuchei Redoutenfest
Heut wie alle Tage!

Fahr zum Vrkus, hol die Pest
Plackerei und Plage!

Mädel komm, es schäumt der Sekt
IXeiß die Maske nieder
Liebeslust, die einmal schmeckt,

Mundet immer wieder!

Heijuchei widewitt bumbum,

Lust'ge Maskerade!

Wie ist Tugend doch so dumm,

Und Moral so fade!

Blieb auch eurer Konkordanz
Stumpfsinn stets gewogen
Satirspiel und Mummenschanz
Hat mich nie betrogen!

Jungfrau, Jüngling, Weib und Mann
Schmachtend sich umwerben
Wer heut nichts ergattern kann,

Mag im Kloster sterben!

Frömmelei und Tugendheit
Ziemt nur armen Schluckern
Tor, sei einmal doch gescheit,

Laß dich nicht vermuckern!

Ach wie schön ist's doch im Kreis
Seliger Korybanten,
wenn zur Buhlschaft laut und leis
Spielen Musikanten:

Satan selbst im roten Frack
Dreist und ungezogen,

Streicht den Baß aus Schabernack
Mit dem Schwanz als Bogen... kr.

Äin Notleidender.

Kommerzienrat: Die Badereise hat ein
Heidengeld gekostet, die Toiletterechnungen meiner
Frau und meiner Töchter werden immer größer,
der Herr Sohn vcrstndiert in Bonn ein halbes
Vermöge», dabei wird alles teurer, Sekt, Austern,
Havanna-Importen — mit einem Wort die not-
wendigsten Lebensnüttel. Da wird wohl nichts übrig
bleiben, als die Arbeitslöhne herunterzusetzen.

Lieber Jacob!

De ajrarische Woche haben wir nu ooch jlicklich
hinter uns. Det is doch 'ne uffrejende Zeit for
uns arme Berliner! Man muß schon seine janze
christliche Demut znsammensuchen, wenn man da
»ich von unlautere Neidjcfiehle crjriffen werden will.
Da sitzen de notleidenden Fetthämmcl in de feinsten
Restaurants hinter de Spiejelscheiben un fressen
Austern un saufen Sekt, un abends jehen se in
de Amorsäle un koofen sich de schecnsten Mächens
— denn ihre Olle haben se vorsichtiger Weise zu
Hause jelassen — un zum Schluß, an'n blauen
Montag, wird ihnen noch 'ne Extrajalavorstellting
in'n Zirkus Busch serviert, wo se de wilden
Männer von de Bundesleitung in natierliche
Jreeße zu sehn kriejen un dressierte ajrarische
Hähne un andre Mistkratzer allerhand Wippchen
vormachen un ihnen versprechen, det se de Sozial-
demokratie zerschmettern un de Milchpreise er-
höhen werden. Un wenn se denn mit ihre ver-
kolkten Mäjen un einije liebliche Krankheiten,
iebcr die se uich jerue reden, nach Hause kommen,
denn stchnen se ieber ihre traurije Lage un
de Unsittlichkeit in de jroßen Städte. Aber wat
wir arme Jnjeborne sind, wir kriejen det janze
Jahr keene Auster nich zu präpeln un von kcenen
Schainpanjer nich an'n Proppen zu riechen, son-
dern sind froh, wenn wir unsre Kartoffeln un
Heringe noch bezahlen kennen un et hin un wieder
zu 'ne klcene Weiße langt. Ick winsche mir for

mir un ineine Familje bloß alle drei Jahr eene
eenzije ajrarische Woche!

Unser Anitsrat, der konservative Abjeornte aus
Ostpreißen, der bei meine Schivester in't Vorder-
haus zwei meeblierte Ziminer hat. is jetz ivieder
ivohlbehalten injetroffen. Meine Schwester er-
zählte, det er mit den Pollezeiminister Hainmer-
stein jarnich inverstanden is. Die Rede in't Ab-
jeorntenhaus, wo er uff de Pollezeimißjriffe feinen
jroßeu Lobjcsaug anstimmte, hat den Amtsrat sehr
jeärjert. Wat er jejen die bis oben zu'en Reform-
kleider jesagt hat, is ihin ja sehr sympathisch;
ooch det de anständijen Damens sich abends nich
uff de Straße zeijen sollen, hält er for praktisch,
sintemalen sich de anstäudijeu Herren jar zu leicht
verjreifen un an de Unrechte kommen kennen,
wodurch ihnen manchmal ville Ärjer un Un-
bequemlichkeiten verursacht wird. Aber det Ham-
merstein de Seeinänner mit „unjebrochene Jugend-
kraft" det besondere Recht einreimt, nachts zu
„extravajieren", hat ihn der Amtsrat sehr iebel
jenommen. Er fragte janz entristet, ob denn die
Leite, die nich von't Wasser, sondern von't Land
kämen, un die ieber keene janz unjebrochene Jugend-
kraft nich mehr versiegten, sondern schon in't
reifere Alter drin wären, etwa nich det Recht
hätten, nachts zu extravajieren? Wenn die An-
sicht von den Pollezeiminister — sagt der Amts-
rat — alljemein bekannt wird, misse man sich
ja schließlich als älterer Herr vor de Mächens
uff de Friedrichstraße schenieren. De konservative
Partei un det Zentrum werde schließlich ieber-
haupt keene zum Abjeorntenjewerbe jeeijneten
Pcrseenlichkeiten nich mehr ufftreiben kennen, wenn
det Ministerjum ihnen die ohnehin uffrcibende
Tätigkeit in Berlin in diese perfide Weise erschwert.
Der alte Mann mar so verärjcrt, det er den
Abend, jegen seine sonstijcn Jewohnhciten, zu Hause
blieb un sich janz allcen an Rotspohn bcsoff.

Wknnit ick verbleibe niit ville Jricße Dein
jctreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

/=ryluir ersuchen die Parteigenoffen, eine recht Kräftige Agitation für den wahren Jacob ru entfalten.
w ^5 « • • Probenummern werden auf vorhergehende ßeftellung gratis und franko geliefert. * * *
 
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