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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0059
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—. 3982

es nabt tue Zeit! m>

Der Reichskanzler:

Es naht die Zeit, da ich im Kanzlerstübchen
voll Kummer sitz' und Sorge arg mich plagt.

Beim Wahlgeschäfte helfen nichts die Grübchen
Und selbst der treue Büchmann hier versagt.

Ich ruf' umsonst: Buieta non movere!

Kein Mensch kann wissen, wie der Hase läuft!

Im Traum umwimmeln mich Kaninchenheere,

In einem roten Meer das Land ersäuft.

Sogar mit unserem Päppelkind, der Rechten,

Ist — heu me miserum! — kein Bund zu flechten.

Der Agrarier:

Gs naht die Jeit, da heißt's hinabjestiegen
Und Hand jedrückt dem eklen Bauernpack.

Monocle trauert, in die Ecken fliegen

Die Staatsjewänder — Klaque und Frack und Lack.

Am Fraget ruhn des Standes Hochjefühle,

Man läßt den Pöbel trampeln aufs Parkett.

Denn jräßlich! Trotz der großen Sommerschwüle
Jeht die Jeschichte los im Wahlklosett,
was hilft's, man ist nun mal des Thrones Stütze!
Für Iott und König — runter in die Pfütze!

Der Zentrumsinann:

Es naht die Jeit des Handelns und des Handels!
Gs sammle jeder sich — und etwas Geld,

Dieweil die Kraft des gottgefälligen Wandels
Allein nicht schlägt den Gegner aus dem Feld.

Sei mild im Tun, doch fest sei in der Sache!
verlange stets und gib nur, wenn du kriegst!

Laß nur verborgen walten edle Rache
Und breche nichts — fleh zu, daß du es biegst!
Dann wird der Herr befruchten deinen Samen
Und zahllos kommen deine Lämmer . . . Amen!

Der Sozialdemokrat:

Ls naht die Zeit, wo auch des Volkes Massen
Zu Worte kommen, wie es Pflicht und Recht.

Die Freiheit flamm' empor auf allen Gassen,

Ihr Funke leuchte hell dem ärmsten Knecht!

Ls reift die Saat, die Saat manch schwerer Jahre,
Die in des Volkes Seele wir gesenkt.

Wohl dem, der immer treu gepflegt das wahre,
Deß Wort und Tat nicht schändet, was er denkt.
Des Volkes Stimme, laßt sie frei erschallen,
wir wollen mit dem Volke stehn und fallen! s.s

Inhalt der Unterhaltungs-Weilage.

Märzbetrachtung der Alexandriner. — Aschermittwochs-
Rhapsodie. Von Ernst Kreowski. Mit Zeichnung von Hans
G. Jentzsch. — Die Makler des Brotwuchers. Porträt-Galerie
(Sattler, Arendt). — Düs zerschnittene Tischtuch. Von
Ludwig Frank.

Inhalt der zweiten Beilage. Die informierte Presse.
Von J. 8. — Der Fall Nappaport. Illustration. — Schlimme
Zeiten. — Wohltätigkeit. Von Nemo.

lflärzluft.

6s geht ein Raunen durch die CUelt,
€in leises Beben und Zittern;
UlieSrüblingsabnen so lind und sacht,
(Die Blätterrauschen in Sommernacht,
CUie Säuseln vor Sturm und gewittern.

Cs regt sich und reckt sich und will
hinaus,

Maus wo die Freiheit thronet;

Aus der tiefe heraus, wo’s an Luft
gebricht,

Die Roben hinan ins flutende Licht,
«Jo Friede und eintracbt wohnet.

UndloderndflammendieSeelenetnpor,
Zum Brand sich die Gluten entfachen;
Das Raunen wächst zum brausenden
Schall,

Und donnernd dröbnt’s durch das
Uleltenall:

Die Uölker, die Uölker erwachen! s.s.

Veschwerdeschrift
Br. Hochwürden des Herrn Pfarrers
Ignatius Dusterkopp.

An die K. Eisenbahndirektion in T.

Der Unterzeichnete ersucht dringend, für Ab-
stellung der auf der Bahnstrecke Ahausen-Bedorf
herrschenden abscheulichen Mißstände sorgen zu
wollen. Ich habe mich vor einigen Tagen selbst
davon überzeugt, daß dort den gesetzlichen Be-
stimmungen geradezu Hohn gesprochen wird. In
Ahausen wurde ich vom Schaffner in einen prote-
stantischen Wagen verwiesen, obwohlich am Schalter
eine katholische Fahrkarte verlangt und erhalten
hatte. Der Schaffner entschuldigte sich mit der
Behauptung, die katholischen Wagen seien über-
füllt. Ich war also gezwungen, in einem Coupä
mit Andersgläubigen mich aufzuhalten. Uni dieser
Kränkung meiner Gefühle auszumeichen, mußte
ich auf der nächsten Station aussteigen; glück-
licherweise fand ich noch ein mir zusagendes
Plätzchen in einem Viehwagen.

Auf der Station Bedorf, wo ich eine Er-
frischung einnehmen wollte, herrschen Zustände,
die geradezu haarsträubend sind und jeder Be-
schreibung spotten. In dem katholischen Warte-
saal fand ich weder ein Kruzifix noch ein Bild
Seiner Heiligkeit des Papstes. Das zum Aus-
schank kommende Bier entstammt einer protestan-
tischen Brauerei. Auch erfuhr ich, daß der
Restaurateur in gemischter Ehe mit protestan-
tischer Kindererziehung lebt. Daraus geht hervor,
welchen Gefahren das Seelenheil der diese Strecke
bereisenden Katholiken ausgesetzt ist.

Das allerschlimmste aber kommt noch. Zu
meinem Entsetzen entdeckte ich, daß der Bahnhof
nur einen und zwar einen simultanen Abort
besitzt. Ich konnte mich trotz dringender Not-
wendigkeit nicht entschließen, diesen zu benützen,
sondern stieg unverrichteter Sache wieder in den
Zug. Für die hieraus entstandenen Folgen muß
ich die K. Eisenbahnverwaltung verantwortlich
machen, wie ich denn auch für den erlittenen
Schaden Ersatz beanspruche. Ich lege die an

jenem Tage von mir benützten Unterhosen bei, aus
deren Zustand die K. Eisenbahndirektion die volle
Wahrheit meiner Angaben entnehmen kann.

Hochachtungsvoll Ignatius Dusterkopp.

Die rote Farbe.

Die rote Kahne, wie bekannt.

Ist ein gefährlich Ding,

Gar leicht gerät ein Haus in Brand,

Wo man heraus sie hing.

Das merke man in jedem Land,

Wie es auch heißen mag.

Wo ein Geheimrat wird gesandt
Zu dem Gewerkschaftstag.

Die rote Kahne leuchtet weit,

Allüberall dringt ein
In dieser vielfach dunklen Zeit
Ihr glühendheller Bchein;

Bie dringt auch ein mit viel Geschick
Zn ein Geheimratshirn,

Wenn noch so fest und noch so dick
Davor sich legt die Btirn.

I» solchem Hirn spinnt leicht sich ein
Lin ganzer Bpinnenschwarm,

Doch dringt herein der rote Bchein,

Wird's ihnen bald zu warm.

Bie wandern aus von solchem Haus,
Zerstreut sich in die Welt,

And des Geheimrats Hirn — o Grans! —
Ist rötlich dann erhellt.

Das kann nicht sein! <S> nein! V nein!

Das wär' ein schlimmer Brauch,

Man kann doch nicht Geheimrat sein
And rötlich dabei auch.

Die Bpinnen sollen bleiben dort,
sie sich spannen ein.

Und ein Geheimrat darf hinfort

Aicht mehr erleuchtet sein. w.b

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