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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0089
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4014 - -

<s^ üölfterfrül)Ung. LZ,

Es hebt der Frühlingssturm die Flügel
Und jedes Herz wird froh gestimmt:

Gr ist gekommen, der die Zügel
Der harten Hand des winters nimmt;

Der da zerbricht, was dürr geworden,

Und Raum den jungen Trieben bringt;
Der in gewaltigen Akkorden
Das Lied der Auferstehung stngt.

Die Welle brach des Eises Schranken
Und sprudelt schäumend himmelan
Und trägt den hohen Lenzgedanken
vom Fels bis hin zum Dzean.

Ihr Völker in der weiten Runde,
wer ist's, der euch verkünden mag:
wann bricht nach mancher trüben Stunde
Für euch herein der Maientag?

Der Knechtschaft Winter konnte biegen
Ins Joch euch mit der eis'gen Faust,

Und heulend kam in blut'gen Kriegen
Der Wettersturm einhergebraust.

Es ist vorbei — und selig werden
Möcht' euer Herz im Sonnenschein —

Und bangend fragt ihr: wann auf Erden
wird endlich Völkerfrühling sein? —

Ihr braucht die Sterne nicht zu fragen
Mit Kummerblastem Angesicht;

Es kann's euch jede Blume sagen:

Das Leben ist allein im Licht!

Ihr schaut vergebens auf nach oben,
Solang' ihr euch im Traum behagt
Und nach wie vor der Pfaffenroben,

Der Purpurmäntel Schleppen tragt.

Die Freiheit wird ihr eigner Henker
Bei einem Volk, betört vom Wahn;

Rur einer Welt der freien Denker
Kann einst der Völkerfrühling nahn!

Das Licht ins Volk! Von allen Zinnen
Gepredigt wider Lug und Trug,

Der gerne möcht' die Welt umspinnen,
wie er sie einst in Festeln schlug.

Das Licht ins Volk, daß es die Flügel
Des Geistes brauch' in stolzer Kraft;

Daß es, entwöhnt von Joch und Zügel,
Sich selbst die bestre Zukunft schafft!

Zu einem Bunde fest zusammen.

Die ihr der Arbeit Söhne seid:

So wahr der Sonne Strahlen flammen —
Es kommt der Völker Maienzeit!

Zum 16. Juni.

Und nun wird's Ernst! Die Trompete tönt
Und ruft ins Seid geschwinde;

Die Waffen klirren, der Schlachtruf dröhnt
Und die Kähnen stiegen im Winde.

Ihr Herren! Jetzt ist's an der Zeit,

Die Rechnung zu begleichen!

Heraus mit der Ulinge, wir wollen heut
Bezahlen mit Schwertesstreichen.

Der Streit wird hart und der Tag wird heiß
Und es gibt ein grimmiges Kechten
Nit wucherzöllnern und Pfaffengeschmeiß
Und den Händlern mit Kreiheitsrechten.

Der Streit wird hart, mein Volk, und es gilt
Im tosenden Sturme zu stehen!

Doch siegend wird über dem Uampfgefild
Das Kreiheitsbanner wehen! Jgnolus.

Vom konservativen Delcgiertentag.

Durch die liebenswürdige Indiskretion eines
der fünfhundert Delegierten des konservativen
Parteitags, der uns in vorgerückter Stunde im
Pschorrbräu einige vertrauliche Mitteilungen zu-
komiuen ließ, sind mir in der Lage, über einen
Teil der streng geheimen Verhandlungen berichten
zu können. Der erste Punkt des Tagesordnung
betraf die bevorstehenden Reichsragswahlen.

v. Arnim-Schnodderheim: Zur Bekäm-
pfung des Klosctgesetzes werden wir selbstverständ-
lich alle Hebel in Bewegung setzen. Es ist eines
wahrhaft deutschen Mannes unwürdig, aus feigem
Hinterhalt, aus denr sicheren Versteck <Bra»o» einer
Dunkelkammer seine Wahlstimme abzugebcn. Nur
der — äh — Sozialdemokratie <PsuU), die ja immer
gern im Dunkeln wühlt und alle Ursache hat, das
Licht der Öffentlichkeit zu scheuen, kann ein solcher

Wahlmodus angenehiu und nützlich sein. (Hier

wird der Redner unterbrochen. Man hat im Versammlungs-
saale einen Zeitungsberichterstatter entdeckt, der sich Notizen
macht. Der Eindringling wird, nachdem ihm der Zylinder
eingetrieben ist, unter stürmischen Entrüstungsrufen hinaus-

geworfen.) Wer eine gute Sache vertritt, der braucht
sich, wie gesagt, vor der Öffentlichkeit nicht zu

fürchten! (Lebhaftes Bravo. Der eingetriebene Zylinder
des hinausgeworfenen Berichterstatters wird auf dem Bor-
standstisch niedergeiegt.) Trotzdem wollen wir uns
auf alle Eventualitäten vorbereiteu und durch
Schaffung eines Wahlsonds die konservative — äh
— Opfcrfreudigkeit beweisen. cBer-inzeu-s Bravo.)

v. Below-Pleitenburg: Der zuletzt ausge-
sprochenen — emnäh — Ansicht meines verehrten
Freundes und Kampfgenossen v. Arninr muß ich
durchaus widersprechen. Es ist eines deutschen
Edclmannes nicht würdig, sich bei der politische»
Agitation des schnöden Mammons zu bedienen.
Die werbenden Kräfte der konservativen Ideen
sind Gottseidank so stark, daß ivir eines Wahl-
fonds überhaupt nicht bedürfen. Im gläubigen,
zuversichtlichen Vertrauen auf unsere — emnäh —
Landräte und Gendarnien können wir den bevor-
stehenden Wahlen ruhig entgegeliseheu. <Bravo!)

Den Geschäftsbericht über die parlamentarische
Tätigkeit der konservativen Reichstagsftaktion er-
stattete der Abgeordnete
v. Massow: Verehrte Festjenossen! — Huck! —
Sie lachen, aber ick möchte weinen, denn was sie
sich denken, is nich. Ick bin — Huck! — noch
fast jauz nüchtern. Ick beantrage, den Wahlsonds
uffzulöseu und den janzcn Krempel unter de
konservativen Abjeordneten zu verteilen. Denn
sollen de Wähler mal erleben, wat wir in'n Reichs-
tag zuni Wohle des Volkes allens — Huck! —
anstellen werden. Kellner! — Pardon — Meine
Herren! Ick bin in'n Reichstag sehr schlecht be-
handelt worden. Se haben jesagt, ick wäre be-
soffen jewesen. MeineHerren! Wermich—Huck!—
kennt, der weiß, daß das 'ne Jemeinheit is, un
daß ick — Huck! — immer so bin. Aber ick fürchte
mich vor nischt. De Juden sind 'ne janz jeineine

Bande (Zustimmung dos Abg. Arendt) tmd de Sozial-
demokraten soll alle der Deiwel holen. Ick nu
de Offenbarung, wir lassen uns nich anrempeln.
Wir sind Oberstlieutcnant a. D. — Huck! —

Jawoll! (Der Redner verläßt, von drei Freunden gestnst,
unter lebhaftem Beifall die Tribüne.) J. 8.

Deutschlands Grützen.

Linst zog rin Fremdling durch unser Tand
Und wo rr ging, und wo er stand,

Crhobrn sich allerorten

Denkmäler i» Er;, in Marmor, in Stein,

Bald riesengroß, bald niedlich klein,

Bald einzeln, bald in Kohorten.

Da gab es Männer im Waffenrock,

Mit Schwert und Degen und Marschallstock,
Im Lrderwamse, in Schauben;

In Cisrnrüstung und Panzerhemd,

Mit Waffenstückrn, seltsam fremd,

Mit Topshrlm und Gugrlhaubeu.

Man sah sie zu Fuß, man sah sie zu Rotz,
MIein und umringt von Meute und Trotz,
Mus Plätzen, in Gärten und Hallen;

Man sah sie sitzen, man sah sie stehn,

Man sah sie lagern, stürmen, gehn
Und unter Lorbeer wallen.

Der Fremdling suchte wohl hin und her,
Dir Namen klangen meist so leer,

Die eingrhauen dort waren;

Doch Gristrsheldrn, so wohlbekannt,

Zum Ruhme geboren dem deutschen Land,
Vermißte er unter den Scharen.

Und zögernd srug er ein heimisches Kind:
„Rch, sagt mir, bitte, wo ich sind'

Das Denkmal Heinrich Heines."

„Del Denkmal Heines? Se sind woll doll?
Ne, Männrkrn, is nich! — Se meenen woll
Den Hammurabi seines." s.s.
 
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