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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0112
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4038

(Einem Toten!

wir lauschten seinen letzten Zügen —

Nun ist er kalt und still und stumm!

Und ich wahrhaftig müßte lügen,
wollt' ich betrübt mich stellen drum.
Wohl gönn' ich jedem Zeitgenossen
Sein wachsen, Blühen und Gedeih'n,

Doch dieser hat mich arg verdrossen —
Sein wirken bracht' mir nichts als Pein.

Man wird gewiß mich grausam nennen
Und mitleidlos und ungeschlacht,

Doch ohne Scheu will ich bekennen,

Daß mir sein Tod Vergnügen macht.

Ich könnt' ihn ruhig sehen leiden,

Zu Grunde gehen Stück für Stück,

Und ungerührt könnt' ich inich weiden
An seinem letzten Augenblick.

Schon stehen grinsen- seine Lrben,

Als wäre heut ein Freudenfest,

Betrachten kreuzfidel sein Sterben
Und fragen, was er hinterläßt.

Sie wollen kaum sich noch gedulden,

Sie freu'n sich ans den Nachlaßzank:

Doch ach! Lr ließ uns nichts als Schulden
Und einen häßlichen Gestank.

was Gutes je ihm ist geraten,

Ls ist nicht viel — klein ist die Wahl,

Und durch die ärgsten Missetaten
Ist's ausgewogen hundertmal.

Ls lag der tückische Geselle
verröcheln- da im Todeskampf;
wir aber wünschten ihm zur Hölle
vergnügte Fahrt mit vollem Dampf.

Ja, freut euch, Männer, Weiber, Rinder,

Die unter ihm gelitten schwer:

Der Wucherer, der Leuteschinder,

Der Brotverteurer ist nicht mehr!

Und wen ich meine — ach, ihr wißt es,

Rein Zweifel kann darüber fein!

Der Reichstag, der verflofsne ist es —

Ihm setzt' ich diesen Leichenstein. 2«»°«»-.

Die Prolrkarierin.

V

Dir Mutter harrt zu Hause bang,

Das Karge Mahl reicht he den Kleinen,
Denn ihnen wird dir Zeit zu taug —

Will denn der Vater nicht erscheinen?

Cr strikt um bessern Lohn vvtl Mul
Und mocht' in diesem Streit nicht weichen,
Venn plagt' er sich auch bis aufs Blut,

Ls Kvnnte nicht zum leben reichen.

Was wird er bringen? Wird das Heer
Der Arbeit heute triumphieren?

Wird seine Fesseln hart und schwer
Das Kapital noch enger schnüren?

Cr kommt! Von seinem Angesicht
Strahlt nicht des Sieges stolze Freude -
Sie ahnt es und sie täuscht sich nicht:

Ja, ansgesxerrt hat man ihn heute.

Ja, ausgrsperrt hart und brutal
Mit all den Tausenden Genossen,

Die für Gewinn und Kapital
Tagtäglich ihren Schweiß vergossen.

Sie töten nicht mit scharsein Stahl,

Die grimmigen Fabrik-Tyrannen,

Sie wollen mit des Hungers Lual
Der Arbeit letzte Rechte bannen.

Mir der Vrrvehmte schaut voll Weh
Die Kinder, die nun darben werden,

Da richtet rasch sich in die Höh'

Sein Weib mit trotzigen Geberden:

„Harr' ans nur, lieber Freund, ich will,
Was kommt, stets tapfer mit dir tragen!"
Er zieht an seine Brust he still
Und träumt von kiinstgen bessern Tagen, a.t.

Briefe moderner Dunkelmänner.

Graf Bodo von Rnippenbur an Pastor Immanuel Duck.

Berlin, Ende April.

Lieber Pastor!

Endlich Jcsctzjebungsbnde jeschlossen und Reichs-
tag heimjeschickt. Leider in letzten Wochen herzlich
wenig Freude erlebt: Umstürzler, die bei Zoll-
tarif an Wand jedrückt wurden, daß sie quieschten,
sind wieder obenauf und frecher beim je. Natür-
lich, wenn Rejierung diesen säubern Jescllcn um
den Bart jetzt, müssen sie üppig werde». Sehe
wahrhaftig trostlos in Zukunft, lieber Pastor,
jlaube, jehen schweren Zeiten entjejen.

Denken Sic nicht, daß zu pessimistisch auffasse.
Sache ist aber wahrlich erlist jenug. Rejierung
Sr. Majestät hat, das muß jesagt sein, in letzter
Zeit eine Rolle jespielt, die jeden wahrhaft kon-
servativen Mann mit Entsetzen erfüllen muß.
Fürchte, wenn Bülow so weiter wirtschaftet, un-
heilvolle Erschütterung monarchischer Jesinnung,
die natürlich »ich jedeihen kann, wenn sie sich als
vollkommen unrentabel erweist lind nich mal'auf
Selbstkosten kommt.

Statt Brotes jibt »ns dieser vielversprechende
Reichskanzler Steine; statt einer Wahlparole, die
wir so dringend nötig haben, ein völlig über-
flüssiges Jesetz ziiiii Schlitze sojcnannter Wahl-
freiheit, die schon an und für sich höchst unnütz
nnd jefährlich ist. Von einem Aufruf wider den
Umsturz keine Rede, dajejen werden jutjesinnte
Rejierilngspräsidenten und Landräte versetzt lind
sonst jemaßrejelt und unsere Interpellation wejen
der Kündijung der Handelsverträge wird mit
jeradezu beleidijender Nonchalance beiseite je-
schoben! Jleichzeitig ruscht inait noch zujnterletzt
vor Sozialdemokraten ans dem Bauche und ver-
schafft ihnen jlänzenden Triumph. Fui Deibel!
Fehlt nur noch, daß Singer in Reichsamt des
Innern berufen ivird! Alis bestem Wege dazli
sind wir.

Nettes Früchtchen ist übrigens — janz entrs
»0118 — Jraf Posadowsky, ans den früher so

jroßc Hoffnungen jesetzt hatten. Sinkt tatsächlich
zusehends von Stufe zu Stufe und entwickelt
bereits Ansichten, die einem verrückten Univcrsitüts-
professor, ivie sie Rejierilng leider noch immer
duldet, Ehre machen würden. Und dabei tritt
dieser Mensch mit einer Ungeniertheit uns jejen-
über, die sich Jraf Bülow wohlweislich nicht er-
laubt. Ich jlaube, lieber Pastor, wir werden
mit diesem Herrn mal ans anderem Tone reden
müssen, um ihm bejreiflich zu machen, ivas sich
ein Minister >ins jejenüber jestatten darf iliid
was nich.

Wahren Trost jewährt in dieser trüben Zeit
Rede Ministers v. Hammerstein in preiißischeln
Landtag. Joldene Worte, die dieser Mann über
Verdienste preußischen Adels um Staat jesprochcn
hat. Dem Adel jebührt von Jottes und Rechts
ivejen die Führung nnseres janzen Staatswesens
und lvciin bejahte Bürjerliche von den höher»
Stellen ans zwingenden Jründen nicht janz ans-
jcschlossen werden können, so müssen sie doch
jewisserinaßen erst Nachweis für Eigenschaften
betbringen, die der Aristokratie anjeboren sind.
Der Adel ist die stärkste Stütze, ans der Existenz
Preußen ruht, und ivenn Rejierung diese Stütze
unterjraben würde, wäre Monarchie jcliefert.
Jlücklicherweise scheint Minister v. Hammerstein
darüber im klaren zu sein. Aber bei der theo-
retischen Anerkennung, lieber Pastor, darf es
nicht bleiben, „der Worte sind jenug jeivcchsclt,
wir wollen endlich Taten sehen!" Und zwar bei
den Handelsverträgen!

In alter Jelvogenheit

Ihr Jraf Bodo Knippenbur.

(Sine politische Jabel.

Lechs Schimmel trabten lustig vor dem Wagen,
Der hin zum Papst den Kaiser hat getragen.
Doch als zurück er kam vom heil'gen Vater,
Da waren es nur noch sechs weiße Kater,
And als nach Haus er kam von seiner Reise,
Da hatte er nur noch sechs weiße Ulause.
 
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