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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0136
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4062

-s* Am Wahltag. <3-

Noch liegt ttt Dunkelheit geborgen,

O deutsches Volk, dein Schicksalslos,

Doch dringt noch vor dem frühen Morgen
Die Runde aus der Urnen Schoß:

Die Runde, ob du heut gestanden
Zum Freiheitsbanner fest und klug
Und freigemacht dich von den Banden,

In die der Mächt'gen Hand dich schlug.

wie spärlich ist -ein Recht bemessen!
wie hat man -ich so karg gestellt!

Mit Vorbedacht hat man vergessen
Dich bei der Teilung dieser Welt.

Nur einmal darfst du ins Gedächtnis
Dich rufen jedes fünfte Jahr —

Das ist ein kostbares Vermächtnis,

Lin teures Recht, o nimm es wahr!

Du kennst die traurigen Gesellen,

Die dir verteuert jüngst dein Brot;

Dich um -ein bischen Freiheit prellen
Ist ihre Sorge, ihre Not.

Sie fürchten heute -eine Stimme
Und -eines Wortes wucht'gen Rlang
Und schworen in geheimem Grimme
Längst -einem Recht den Untergang.

Und lässest du -ein Recht verstauben,

Übst du es matt und schlaff und kalt —
Sie werden, dir es ganz zu rauben,

Nicht Ränke scheuen, noch Gewalt.

So lange kann kein Gott verbürgen
Die Dauer ihrer Herrlichkeit,

Als sie nicht meuchlerisch erwürgen
Die Stimme, die die Wahrheit schreit.

Dein Recht war's heute, keck zu sagen,
wie dir um Herz und Nieren sei;

Dein Recht war's heute, anzuklagen
Die Volksbedränger ohne Scheu.

Ls war dein Recht, ein Wort zu sprechen,
Lin deutsches Wort aus freier Brust,

Ls war dein Recht, den Stab zu brechen
Ob ihren Häuptern, schuldbewußt.

Hast du, das Antlitz hoch erhoben,

Also getan nach deiner Pflicht,

Dann laß sie schäumen, schelten, toben —

All ihr Gezeter fürchte nicht!

wie sie sich schimpfend auch erregen,

Ihr Mut versagt, ihr Arm verdorrt
Und brausend wird hinweg sie fegen
Der freien Männer freies Wort. a,

wir marschieren.

P

Die Brust vom Odem der Zukunft geschwellt
Und von flammendem Sreibeitsdrange:

So ziehen wir durch die erwachende UJelt
mit jubelndem Erntesange:

So ziehen wir froh über Berg und Cal
Hinaus in die lachenden lande,

Und künden der staunenden Menge zumal:
UJir sind der „Elenden“ Bande!

Und wo sich am Ulege die Armut plagt,

Da säen wir Crost und hoffen;

Und wo ein Mal der Knechtschaft ragt,

Da sinkt es, zu Code getroffen.

Und wo sich brüstet des Schwertes Knauf,

Und die Runde des Rückschritts bellen,

Da pflanzen wir unsre Standarten auf,

UJir „vaterlandslosen Gesellen“.

UJirkennen nicht Jurcht, nicht kriechende Scheu,
UJir kämpfen mit ehrlichen Matten.

Ulir kämpfen wie der gereizte Ceu,

Bis blutend die Herzen uns klaffen.

UJir dienen dem Uolke im Sklavenkleid,

Doch keinem Erdengotte,

Und stehen treu in tust und Leid

Zum Banner der „roten Rotte“. s. s.

Wahltechnisches.

Das neue Wahlreglement hat bekanntlich den
Erfindungsgeist industrieller Spekulanten mannig-
fach angeregt. Mehrere Arten von Isolierzellen
sind von praktischen Köpfen ersonnen und den
das Wahlgeschäft leitenden Behörden für billiges
Geld angeboten worden. Es ist klar, daß alle
diese Erfindungen nur dahin führen können, das
Wahlgeheimnis möglichst zu sichern und daher
die Wahlen im schlechten Sinne zu beeinflussen.
Mit Genugtuung konstatieren wir daher, daß es
einem pommerschen Landrat, der sich in seinen
Mußestunden mit privaten Studien auf dem
Gebiet der Wahlgeometrie und der Salonmagie
beschäftigt, gelungen ist, eine selbsttätige,
staatserhaltende Wahlurne zu konstruieren,
deren geistreicher Mechanismus so eingerichtet ist,
daß sie nur konservative Stimmzettel von sich
gibt. Die Erfindung ist bereits beim Reichs-
patentanrt angemeldet und es steht zu hoffen,
daß die „pommersche Landratsurne" — so lautet
die in die Patentrolle eingetragene offizielle Be-
zeichnung — den demoralisierenden Einflüssen
des neuen Wahlreglements in allen ostelbischen
Kreisen aufs glücklichste entgegenarbeiteu wird.

j. s.

(Lin gary Schlauer.

Der Herr Pfarrer, ein eifriges Mitglied der
Zentrumspartei und Hauptagitator für den ultra-
montanen Kandidaten, begegnet ani Abend nach
dem Schluffe der Wahl einem seiner schwarzen
Schäflein. „Nun, Wurzeltoni, hast du gut ge-
wählt?" fragt er in väterlicher Milde.

„Dös will i moanen, Hochwürden", antwortet
der Biedere.

„Und wen hast du gewählt?" forscht der
Seelenhirte weiter.

„O mei, Herr Pfarra, dös woaß doch i net!"
lautet die Antwort.

Der geistliche Herr ist natürlich über diese
Auskunft höchlichst erstaunt. „Aber Wurzeltoni,
du mußt doch wissen, wen du gewählt hast!"

„Nix woaß i, Hochwürden, oan Zettel Hab i
in dem Kammer! in das Kuvert einigsteckt und
den andern Hab i halt verrissen, aber angschaugt
Hab i koan."

„Ja, bist du denn verrückt, Wurzeltoni?" ruft
der Herr Pfarrer zornig, „daß du deinen Zettel
nicht ansiehst?"

Aber der Toni antwortet mit unerschütterlicher
Ruhe: „Gar net verrückt bin i, richti Hab i ge-
wählt, Hochwürden! I darf doch net wissen,
wen i wähle, wenns a gehoame Wahl sein
soll."

Aus einem Monolog
Vrosper v. Arenbergs.

„... und in die Zukunft blick' ich ohne Kraus,

Uns dem Irren-wird auch noch das tzerren-yaus."

Der Abschluß.

Frau Mielicke lzu ihrem Manne, der während der
Wahlzeit als freisinniger Bezirksvereinsredner geglänzt hat):

So, das ist nun vorbei, jetzt lieferst du den
Hausschlüssel wieder ab und bleibst abends hübsch
daheim. Verstehst du? Und mit deinen Redeil
hat das auch ein Ende — jetzt rede ich wieder!

Vückters Abschied.

(Graf Pückler, in Kosakenkostüm, verabschiedet sich von Ahl-
wardt und Liebermann v. Sonnenberg.)

Ahlwardt: Aber Pückler, wohin soll es denn
gehen? Und in diesem Kostüm?

Pückler: Mein Platz ist jetzt in Kischineiv!
Hier hat man mich bis heute nicht ernst ge-
nommen, aber dort hat man mich sogar ver-
standen, ohne mich selbst gehört zu haben!
 
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