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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0238
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— 4166

95.

Aast, Kmö, 5u einen Latröesvater,

Ko danke Gott und halt' den Mund;
Frohlocke schweigend, aber nimmer
Tu' deines Aerzens Meinung kund.

Drum, magst du tadeln oder preisen,

Zn jedem Fall wirst du bestraft,

And wem sich gar nichts läßt beweisen,
Der kommt in Untersuchungshaft.

Denn solltest mit des Herrschers Taten
Du nicht gaiy einverstanden sein,

Und sagst es diesem oder jenem,

Sperrt man dich ohne weit'res ein.

Venn aber du sein Tun und Aeöen
Lobpreist und rühmest irgendwie,

Kannst leicht du den Verdacht erwecken,
Das; du so sprichst aus Ironie.

Vei Tag und Aacht schwebt dir Aäupten
Der Paragraph, genickt ?um Streich
Gan; sicher vor der Strafverfolgung
Ist nur das Tier- und Pflanzenreich.

Drum bist du, Kind, kein Schaf noch Kohlkopf,
Kein Esel oder Kettenhund,

And hast du einen Lanöesvater,

So danke Gott und halt' den Mund. JS.

Der nationalliberale Parteitag.

U

Die Komööie ist vorbei!

Das Turnier, das phrasenvolle,

Ach! es brachte viel Geschrei,
viel Geschrei und wenig wolle!

Spukhaft und gespenstergleich
Namen die bewährten „Alten"
Gleichsam aus dem Schattenreich,

Die wir längst für tot gehalten.

In zerlumptes Prachtgewand
füllen sie die Glieder schlotternd
Und sie predigen dem Land
Ihre alten Reden stotternd.

Sieh! Nun kommen auch daher
Maulaufreiszend gar die Jungen;

's ist dieselbige Couleur,

Denn gehupft ist wie gesprungen.

Gegen alle Reaktion
Tun sie mächtig sich erbosen,

Aber während sie noch droh'n,

Rutscht das Herz schon in die Hosen.

Auf den Reiszaus im Gefecht
Sinnen schon die Heldenscharen —
Deutsches Volk! und dies Geschlecht
will dir Recht und Freiheit wahren!

Nemo.

Kriegsgericht.

i.

Vorsitzender (mit kameradschaftlicher Freundlichkeit):
Haben Sie vielleicht etwas von diesen Miß-
handlnngen gewußt?

Leutnant: Darüber verweigere ich die Aussage.

Vorsitzender: Haben Sie je einen Unter-
gebenen geschlagen?

Leutnant: Darüber verweigere ich die Aus-
sage aus Gründen der militärischen Disziplin.

Vorsitzender: Haben Sie vielleicht deui Zeugen
Kot ins Gesicht gespritzt?

Leutnant: Darüber verweigere ich aus gleichen
Gründen die Aussage.

Vorsitzender: Haben Sie vielleicht nach der
andern Seite gesehen, als der Angeklagte den
Zeugen mit dem Seitengeivehr — erzog?

Leutnant: Darüber verweigere ich die Aussage.

Vorsitzender: Habe» Sie je einer Beschiverde
nicht staltgegeben?

Leutnant: Darüber verweigere ich gleichfalls
die Aussage.

Vorsitzender: Sonst haben Sie keinerlei Aus-
sagen zu machen?

Leutnant: Nein.

Vorsitzender: Ich danke Ihnen.

11.

Vorsitzender (bärbeißig): Ich fordere Sie auf,
den Name» des Beschwerdeführers zu nennen.

Redakteur: Ich bedaure, das Redaktions-
geheimnis nicht verletzen zu können.

Vorsitzender: Das ist kein Grund; ich mache
Sie auf die Folgen der Zeugnisverweigerung
aufmerksam und fordere Sie nochmals auf, den
Namen zu nennen.

Redakteur: Die Ehre verbietet es mir.
Vorsitzender: Die Ehre? Welche Ehre? Sie
sind doch Zivilist und bürgerlich.

Redakteur: Ich kann nicht zum Lumpen und
Demuizianten werden.

Vorsitzender: Sie bleiben bei Ihrer Weige-
rung?

Redakteur: Ja!

(Der Gerichtshof zieht sich zur Beratung zurück und kehrt
nach einer Minute wieder.)

Vorsitzender: Der Zeuge ist sofort in Haft
zu nehmen und darin zu belassen, bis er seiner
Zeugenpflicht genügen will.

Piefke: Nu wer'n wer woll bald den all-
jemeinen Weltfrieden haben. In Wien jeden sich
de Monarchen Friedcnsküsse, im Haag sitzt det
Schicdsjericht beisammen — —

Lehmann: Un in die Türkei wird fortjekloppt!

Lehmann: Zwee Jahre Festung hat der
Hüssener jefließt — wat sagste dazu, Piefke?

Piefke: Nischt! Wenn ick sagen wollte, ivat
ick dazu meene, dann jebe det ein bisken mehr
wie zwee Jahre Festung!

Patriotenseufzer.

Unter allen Rationen,

Die da in Luropa wohnen,

Stünden wir voran, fürwahr!

Wenn nicht leider unserm Glücke
Durch des bösen Heindes Tücke
Wüchse dräuende Gefahr.

Ich gesteh' es: ach, die schlimmen
Drei Millionen Sozi-Stimmen
Rauben oftmals mir den Schlaf.
Deutsches Volk, laß dich von Rebeln
Aicht in Zukunft mehr benebeln —
Werde wieder fromm und brav!
 
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