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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0021
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4244 . —

Noch brüstet, der schaffenden Menschheit zum Hohn,
Gott Mammon sich aus seinem güldenen Thron,
Er hat, was ihr heilig gewesen, verletzt
Und hat ihr den Fuß auf den Nacken gesetzt.

Der armen Weber bescheidene Schar
Mit blassem Antlitz und schlichtem Haar,

Sie hat die Verhöhnung der Menschheit gesühnt
And gegen den Gott sich zu Kämpfen erkühnt.

Er stürzte hinab sie in Elend und Not,
vergebens rang sie um Freiheit und Brot,
vergebens stiegen die Seufzer empor
Fuin Himmel aus der Enterbten Lhor.

Erleuchtete Geister, tapfer und gut,
Erprobten vergebens an ihm ihren Mut,
Aufstrahlen sie ließen des Wissens Licht,
Doch brachen die alten Netten sie nicht.

Die Mammonsdiener, verblendet ganz
von ihres gleißenden Goldes Glanz,

Sie schrien: So wie es ist zur Feit,

So wird es bleiben in Ewigkeit! —

Und seiner Macht, die brutal sie verletzt,

Hat sie ihren willen entgegengesetzt,

Es waren einmütig im Uampfe zu schau'n
Die Männer und Knaben, die Mädchen und Frau'n.

Sie haben dem junger getrotzt und der Not,
wie ihnen der Menschheit Genius gebot,

Und die Geschlossenheit, die sie erdacht,

Sie hat Gott Mammon erbeben gemacht.

wie auch der Fukunst wage sich neigt,

Längst ist der befreiende weg gezeigt,

Und jeder begreift zu dieser Frist,

Daß Mammons Herrschaft nicht ewig ist. A.T.

Das christkinü
flog nach crimmiltchau.

Das Christkind flog nach Crimmitschau,

Cs rührte froh die Schwingen:

Den armen UJeberkindern wollt’

6s UJeihnachtsgaben bringen.

Doch als es an das Stadttor kam,

Da mocht’ es schier verzagen,

6s packte ein sächsischer Eandgendarm
Das Christkindlein beim Kragen.

Man schleppt’ es in das UJachtlokal;

Und als man aus seinen Papieren
Crsah, dass es kein Streikbrecher war,

Da wollt’ man’s arretieren. —

Das Christkind flog zum Gotteshaus;

Doch als der Pfarrer vernommen,

Zu welchem Zweck das Kindlein war
Nach Crimmitschau gekommen,

Durchbohrt’ es der fromme Cottesmann
Mit zornerfüllten Blicken,

Und plärrte „Weh!" und schlug ein Kreuz
Und wandte ihm den Kücken.

welch’ Segenswünsche das Christkind drauf

Der Obrigkeit bescherte-

Ich wünschte nicht, dass der Staatsanwalt
Davon ein wörtlei» hörte!

Dur dieses vertrau’ ich euch heimlich an —
verschwiegen sind wir Poeten —,

Dass das Christkindlein noch selbigen Cags
jflus der Landeskirche getreten. j.s.

Aus einer Weibnachtspredigt

des Hofpredigers Breihals aus Mottenburg

im Verein für innere Mission in Lrimmitschau.

. . . O, über die Sündhaftigkeit dieser irre-
geleiteten Volksmassen! Nur nach irdischen Gütern
steht ihr gieriges Verlangen, nach höherem Lohn
und kürzerer Arbeitszeit schreien sie, anfgehetzt von
jener roten Rotte, die nicht wert ist, den Namen
Christen und Deutsche zu tragen. Wie die Herren
wollen sie leben mit ihren Weibern, uneingedenk
jenes schönen für die Arbeiter bestimmten Bibel-
ivortes: Im Schweiße deines Angesichts sollst
du dein Brot essen.

Aufsässig sind sie geworden gegen ihre gütigen
Brotgeber, die ihnen ertragreiche Arbeitsgelegen-
heit gemährt haben. Schwelgend von den Streik-
groschen wollen sie ihre Tage verbringen in
Müßiggang, ihre» Kindern ein böses Beispiel
gebend. Doch der Herr läßt seiner nicht spotten.
Er hat die strafende Gerechtigkeit erweckt in der
Brust unserer hohen Obrigkeit, der wir untertan
zn sein haben, weil sie Gewalt über uns hat.
Wenigstens der heilige Weihnachtsabend soll nicht
entweiht werden durch gemeinsame Prassereien
des betörten Volkes und unflätige Reden der
Hetzer. Verboten ist der geplante sozialdemo-
kratische Weihnachlsradan. So manche verführte
Seele wird nun im stillen Kämmerlein Buße tun.
Beten wir, Geliebte im Herrn, mit echt christlichcni
Mitgefühl, daß ihnen da die Erleuchtung kommen
niögc über die Sündhaftigkeit ihres ganzen bis-
herigen Treibens!

Aber gedenken ivir auch gleichzeitig der gott-
gesegneten Organe der hohen Obrigkeit, der Herren
Gendarmen, denen die schwere Aufgabe zugcsallen
ist, in selbstloser Aufopferung den Geist des Auf-
ruhrs aus den Gassen von Crinunilschan zn ver-
scheuchen und sich auch in ihren« jetzigen Zivil-
verhältnis zu bewähren als das, ivas man ihnen
mit Recht in ihrer früheren militärischen Tätigkeit
nachgerühmt hat, als Stellvertreter Gottes auf
Erden. Möge ihr Wirken in dieser zuchtlosen
Stadt von Erfolg gekrönt sein, auf daß es auch
in Crimmitschau endlich heiße: Frieden aus Erden
und den Menschen ein Wohlgefallen!

Doch «venu das ordnungswidrige, göttlichen
mid menschlichen Geboten zuividcrlanfende Ge-
baren der niederen Volksschichten uns Seufzer der
Qual erpreßt, daß ivir in einem solchen sozial-
demokratischen Sodom und Gomorrha unsere
Seele vor Ansteckung bewahren müssen, so träufelt
doch das menschenfreundliche, von christlicher
Nächstenliebe durchglühte Verhalten der Arbeit-
geber lindernden Balsam in unser ivuudes Herz.

Welche Opfer bringen nicht die Crimmitschauer
Fabrikanten für die Bewahrung der Ordnung,
die Quelle allen irdischen Glücks! Auf Monate
hinaus verzichten sie auf den Geiviun, den ihnen
die Ansnntzung des sauer ersparten Kapitals in
den Fabriken cingebracht haben ivürde. Und nun
gar der Edelmut ihrer christlichet« und jüdischen
Mitbrüder, die ohne Unterschied des Glattbens
und der Partei treu zu ihnen stehen in ihren
patriotischen Nöten! Böse Mensche», die für
menschlichen Edelmut keine«« Sinn habe», be-
haupten, die auswärtigen Fabrikanten unter-
stützten ihre Criinmitschauer Kollegen und feuerten
sie an zun« Ausharren im Kampfe gegen die
Begehrlichkeit der Arbeiter, um daun die Kund-
schaft ivegzufauge«« u«>d selbst die Crimmitschauer
Profite z>« schlucken. Pfui über solche Verdäch-
tigung! Gla««bt den Lästerzungen nicht! Habe««
die Fabrikanten nicht selbst «vie bei einem Rütli-
schivur i«> Kottbus feierlich versichert, daß sie
keinen Vorteil ziehen «vollen von der Bedrängnis
der Crimmitschauer Fabrikanten? Wenn sie jetzt
Bestellungen auf Crimmitschauer Waren au-
nehmen, so tun sie das schweren Herzens, um
die Bestell««ugcn nicht i««s Ausland gehen z«>
lassen, Also reiner unverfälschter Patriotismus
ist es, ivas da bei diese«« hochherzigen Unter-
nehmern zu Tage tritt. Nachher, «venu der Auf-
ruhr gedämpft ist, «werben sie dem Kunden, der
«veiter Crimmitschauer Ware bei ihnen bestellen
will, entrüstet znrnsen: Hebe dich «veg von mir,
Versucher! Ja, »«eine verehrten Andächtigen, die
Liebe überwindet alles, auch die Verlock««ngeu der
Konkurrenz.

Darum verzaget nicht, Geliebte im Herr», die
Treue gegen Arbeitgeber, Obrigkeit und Kircbe
«vird den Sjeg behalten. Amen!
 
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