Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0037
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4260

Mlitärischer Beschwerde-Automat.

I. II.

Dackt-Ähargen.

Nach dem Beispiel, das Hauptmann v. Blum-
röder in Sigmaringen gab, sollen jetzt alle Offi-
ziershunde die Abzeichen militärischer Chargen
erhalten. Wer die Hunde nicht ihren Chargen
entsprechend militärisch begrüßt, wird erbarmungs-
los gehüssenert.

Der Lurra-Kchwimmer.

Daß zur Pflege des wahren Patriotismus stets
größere oder geringere Quantitäten von Flüssig-
keiten gehören, ist dem germanischen Volke von
alters her bekannt. Wenn die Begeisterung für
das Vaterland oder für das jeweilig angestammte
Herrscherhaus Wellen schlagen soll, so bedient sich
der schlichte Kriegervereinler dazu des Bieres,

während das feiner organisierte Mitglied eines
Klubs oder Kasinos zur Sektpulle greift.

Indessen haben die immer mehr sich häufenden
patriotischen Festlichkeiten, die unser tatendürsten-
des Heldenzeitalter gebiert, es leider schon zahl-
reichen gutgesinnten Mitbürgern unmöglich ge-
macht, noch weitere derartige Strapazen im Dienste
der Vaterlandsliebe ans sich zu nehmen. Die

Opferfreudigkeit hat keine Grenzen, aber die Tätig-
keit der staatserhaltenden Mägen und Verdau-
ungsorgane ist immerhin beschränkt.

Mit Freuden wird daher jeder Wohlgesinnte
die Kunde vernehmen, daß es einigen strebsamen
Trägern des nationalen Gedankens endlich ge-
lungen ist, eine fuselfreie Züchtung des
Patriotismus zu ermöglichen. Was bisher
nur der Alkohol vermochte, soll jetzt auch das
Wasser wirken.

Aber das Wasser allein tut es bekanntlich nicht.
Es galt vielmehr, durch einen richtigen Drill der»
Elemente, das bisher in loyalen Kreisen nur als
Grundlage für Marineforderungen geschätzt war,
die ihm anhaftende unpatriotische Nüchternheit zu
nehmen. Der Düsseldorfer Schw immver ein,

dessen „Paradeschwimmen" vor dem deutschen
Kaiser bereits vor einiger Zeit die Augen aller
Vaterlandsfreunde auf sich lenkte, hat jetzt durch
neue, vielverheißende Experimente den rechten
Weg gefunden. In den Bestimmungen für das
diesjährige Wettschwimmen des Vereins heißt es:

„Beim Ausbringen des Kaiserhochs haben sämt-
liche Teilnehmer eine stramme Haltung einzu-
nehmen, Arme 'runter und dreimal kurz und
scharf Hurra zu rufen. Die Schwimmwarte
haben das einzuüben."

Der Anfang ist gemacht, aber cs fehlt noch
viel zur völlig befriedigenden Ausgestaltung eines
wahrhaft zeitgemäßen, deutsch-nationalen Wasser-
sports. Wir erlauben uns daher, den Düssel-
dorfern und solchen, die es werden wollen, einige
Vorschläge für die Arrangements ihrer zukünftigen
Schwimmfeste kostenlos zu unterbreiten.

Zunächst gilt es, schon durch die Tracht der
Schwimmer auf de» patriotischen Charakter ihrer
Übungen unzweideutig Hinzumeisen. Die bisher
gebräuchlichen fleisch-
farbenen oder gar roten
Trikotbeinkleider sind
für loyale Demonstra-
tionen durchaus unge-
eignet, wenn nicht direkt
schädlich. Die vater-
lau d s f r e u n d l i ch e

Schwimmhose zeigt
auf weißem Grunde
an der Vorderseite den
Reichsadler, während
ihre Rückseite die charak-
teristischen Züge unseres
unvergeßlichen, großen,
eisernen Kanzlers trägt.

Ob sich als Zierde der loyalen Nabel und
Brustwarzen etwa für besondere Verdienste ver-
liehene Medaillen und Kokarden werden befestigen
lassen, möchten wir vorläufig dahingestellt sein
lassen. Ein Versuch da-
mit wäre jedenfalls
dankenswert,denn wenn
auch einige kitzliche An-
fänger auf dem Gebiet
des dekorativen Patrio-
tismus für die Ncue-
rung nicht zu gewinnen

sein sollten, so werden
doch die älteren, ab-
gehärteteren und dick-
häutigeren Patrioten
diesen schönen Schmuck
gewiß nicht entbehren
wollen.

Daß die Übungen
der loyalen Schivimmvereine bei der Anwesen-
heit hochgestellter Persönlichkeiten nirgends den
Charakter ebenso ehrfürchtiger wie begeisterter
Ovationen verleugnen dürfen, ist wohl selbst-
verständlich. Auch ein nur vorübergehendes Ge-
radestrecken des Rückgrates wäre in solchen Fällen
taktlos, das Schwimmen hat vielmehr durchweg

mit krummem Buckel stattzufinden. Auch ist
seitens der Schwimmwartc darauf zu achten,
daß beini Schwimmen auf dem Bauche gewisse
rückseitlich gelegene
Körperteile nicht
über dem Wasserspiegel
erscheinen — was sehr
leicht und wohl mit
Recht als Achtungsver-
letzung aufgefaßt wer-
den könnte.

Eine besondere Weihe würde den Übungen bei
solchen festlichen Gelegenheiten dadurch verliehen
werden, daß die Mitglieder beim Schwimme:!
ein taktmäßiges Heil- und Hurra-Plätschcrn,
oder beim Tauchen ein nicht minder sinniges und
kerniges Heil- und Hurra-Blubbern aus-
führten. Auch dürfte es dem perfekten Wasser-
künstler nach einigen
energischen Vorübun-
gen kaum schwer fallen,
die Nationalhymne oder
die Wacht ani Rhein un-
ter der kalten Dusche
mit Orchestcrbegleitung
abzusingen.

Wir müssen uns vorläufig auf diese wenigen,
dürftigen Fingerzeige beschränken, hoffen aber,
daß unsere Anregungen auf fruchtbaren Boden
fallen und den zahlreichen erprobten Kämpen
gegen den Umsturz einen neuen, nicht minder
wertvollen, in der Gestalt des patriotischen Hurra-
Schwimmers zuführen werden. o. s.
 
Annotationen