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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0045
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—. 4268

Der Sxuk in öer wilhelnrstrLrße. -Z-

Eine Kaschingsvision.

Der Michel ging zum Faschingsfest,

Rain in die Wilhelmstraße
Und steckte in des Kanzlers Hans
Die wißbegier'ge Nase.

Punschdampf erfüllt den hohen Saal,

Diel tausend Lichter glänzen,

Und schon beginnt mit Sang und Rlang
Der Tanz der Exzellenzen.

Voran springt Meister Harlekin —

Hui, wie die Pritsche saust —

Lin Grübchen hat er in den: Rinn,

Den Büchmann in der Faust.

Und hinter ihm zwei klein're Rlowns —
Man lachte sich halbtot
Beiin kreuzfidelen Purzelbaum
Des pofa und des pod.

Dann folgt ein Mann im Mönchsgewand
Mit arg zerzaustem Rragen,

Sein Bein ist lahm, verstaucht die Hand,
Lin Auge blau geschlagen,

Und aus der Nase träufelt Blut:

Sprich, was geschah dir, heil'ger Studt?
Lr seufzt: So ist das Leben!

Ich war in Weimar eben.

Als Hofhund naht der Haininerstein,
Schweifwedelnd und scharwenzend,

Lin Maulkorb schützt das Sprachorgan,
Von purem Silber glänzend.

Oer lange Möller kommt als Schlot,

And wie die winde blasen,

Schlägt bald nach links und bald nach rechts
Sein Blak uns in die Nasen.

Martialisch sieht von Linem aus —

Lr hat darin Routine
Blutdürstig schwingt er seinen Dolch
Als Fähnrich der Marine;

Doch als der Faschingswalzer tönt,

Da ist fein grimmes Herz versöhnt,

Lr reicht die Hand zum Ringelreihn
Dem Bilse und dem Bexerlein.

Da plötzlich fährt ein Wirbelsturm
Ums Haus, laut klirr'n die Fenster,

Ls dröhnt vom nahen Airchenturm
Die Stunde der Gespenster.

Stumm öffnet sich das Prachtportal,

Lin düstrer Mann betritt den Saal,

Das Haupt bedeckt von Asche,

Mit einer Riesentasche.

Und jähe Angst und Todesgraun
Ergreift die Herr'n Minister,

Und einer rannt dem andern zu:

Nimm dich in Acht, das ist er! —

Als Aschermittwoch schreckt er uns,

In seine Tasche steckt er uns,

Nun rette sich, wer kann:

Lukanus rückte an! j

Crimmitschau.

Bedingungslos!

Das ist das Los

Der Streiker von Lrimmitfchau,

Voll Zorn und Leid

Zur Arbeit heut

Ziehn sie im Morgengrau!

Stumpf, wie ein Tier,

Verhungert schier
Rinder, Mann und $rcut!

Der Brotherr siegt,

Dem Hunger fügt

Sich der Held von Drimmitschau!

Doch einmal spricht
Das Weltgericht
Bei jener Heeresschau!

Vergolten wird
Wie sich's gebührt,

Die Sünde von Lrimmitschau!

Koloniales.

Die Reichsregierung soll die Absicht haben, nach
glorreicher Niederwerfung des Aufstands in der
südivestafrikanischen Kolonie das Gebiet der Hereros
in ein Kronland umzuwandeln.

Wie wir hören, hat sich der alldeutsche Kolonial-
professor und frühere Reichstagsabgeordnete Hasse,
der sich in Kasfernkreisen einer großen Beliebt-
heit erfreut, bereit erklärt, die Regierung des von

ihn, so gepriesenen paradiesischen Sonnenlandes
zu übernehmen. Er wird den Titel eines Vize-
Wüstenkönigs führen. Ein Glückwunschtele-
gramm von: Kaiser der Sahara befindet sich be-
reits in seinen Händen.

Spiritus cactus.

Einen Protest gegen die Gewinnung von Spi-
ritus aus Fäkalien bereiten die agrarischen Fusel-
brenner vor. In einer Eingabe an den Minister
von Podbielski weisen sie darauf hin, daß diese
Art der Fabrikation „gegen die guten Sitten"
verstoße.

Sollte die Petition ohne Erfolg bleiben, so be-
absichtigen die Agrarier, wie uns von gut unter-
richteter Seite initgeteilt wird, im Reichstag den
Entwurf einer Reichs-Stuhlgang-Steuer
einzubringen, die der nicht ackerbautreibenden Be-
völkerung anferlegt und deren Ertrag zugunsten
notleidender ländlicher Brcnnereibesitzer verwandt
werden soll. Die Steuerkontrolle wird in die
Hände der Landwirtschaftskammern gelegt, j.s.

Piefke: Nu is der Weltfriede janz jewiß jesichcrt.

Lehmann: Woso? Ick denke, Japan un Ruß-
land wollen sich det Hauen kriejen?

Piefke: Aber Albert, der First von Monako
ristet ab! An'n ersten Juli wer'n die letzten
zehn Mann von seine Armee entlassen.

Lehmann: Nanu wird'sTag! Un wer beschitzt
die heiligsten Jieter von Albert'n seine Nation?

Piefke: Dazu wird de Friedensberta engagiert.
Wenn die in Monako de Bank hält, riefe» alle
inneren und äußeren Feinde aus.

Das Nilpferd.

Zwar bin ich nur ei» dummes Tier,

Doch Lob und preis gebühret mir.

Dieweil gleichsam in meiner Spur
Geht die germanische Kultur.

Ich biederer Hippopotamus
Bin aller Anfang, iltitte, Schluß
von Deutschlands Buhm im schwarzen Land,
Weit besser bin ich als bekannt!

Ja, meine Haut gilt mehr an wert
Als jene vom gemeinen Pferd;

Des Lfels Haut, das Pergament,

Ist nützlich wohl als Dokument;

Die Bücher schirmt des Schweines Hell,

Die Kalbshaut rufet zum Appell;

Das Bind enthäutet sich für Schuh,

Der Münchner lieft die „Haut der Kuh";

Der Iiege Leder wird zum Handschuh,

Doch meine Haut — die wird zum Kantschu,
Mit dem, ich sag' es ungefcheut.

Man deutscheste Kultur einbläut!

Drum sterb' ich gern für Deutschlands Ruhm
Und geh' als Epidermis um —

Ein Ailpferd, ist's auch lang' schon tot.

Bleibt stets ein deutscher Patriot! m. k.

Beyerleins „Zapfenstreich" hat den Militärbe-
hörden Anlaß zu mancherlei „Schwabenstreichen"
gegeben.
 
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