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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0168
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-- 4392


4# ^Oltfo K (Kirchenkau). H

Lin Sang von der gottcssürchtigen Pommernbank.

KltugltitgUitg! Der Kltugctbcntcl!
Greifet tu den Sack, ihr Leute,
Opfert, liebe Brüder, heute!

Seht die schliinme Kirchennot,

Sehet, wie das Bolle verroht.

Eine Fürstin hat Erbarmen,

Kirchen baut sie für die Armen.

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
Eine Fürstin hat Erbarmen,

Kirchen baut sie für die Armen,
Kirchen, stattlich, hoch und hehr,

Für die reine Lhristenlehr':

„Sollst nicht lügen und nicht stehlen,
Sonst wird dir der Oiuimel fehlen!"

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
„Sollst nicht lügen und nicht stehlen,
Sonst wird dir der Fimmel fehlen!"
Allsonntäglich dieses Wort
predigt man dem Bollee dort,

Seinen bösen Trieb zu zähmen,

Zeine arge Gier zu lähmen.
Klinglingling! Der Klingelbeutel!

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
Seinen bösen Trieb zu zähmen,

Seine arge Gier zu lähmen,

Braucht das Bolle der Kirchen viel.
Spendet für das edle Ziel!
pofmarfchall streckt aus die pände:
„Für die Kirchen eine Spende!"

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
Lfofmarfchall streckt aus die Hände:
„Für die Kirchen eine Spende!"
Christ und Jud und Atheist,

Denkt doch, welche Ehr' das ist,
Einem pofmarfchall zu geben;

Euer Anfeh'n wird das heben.

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
Einem Hofinnrschall zu geben,

Euer Anfeh'n wird das heben!
Solche fromme Exzellenz
Ist von großer Influenz.

Manchen! ist darob geworden
Schon ein Titel oder Orden.
Klinglingling! Der Klingelbeutel!

von Secundus.

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
Manchem ist darob geworden
Schon ein Titel oder Orden,
wenn das Geld im Kasten klingt
Auch dein Lob nach oben dringt,
wo das Geld du hergenommen,

Frägt man danach unter Frommen?

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
wo das Geld du hergenommen,

Frägt man danach unter Frommen?
pofmarfchall ist huldvoll, mild;

Du bekommst ein Wappenschild.

Nimm dir Geld zum Kirchengründeu!
Frommer Sinn tilgt alle Sünden.

Klinglingling! Der Klingelbeutel!
Nimm dir Geld zum Kirchengründen!
Frommer Sinn tilgt alle Sünden.

Sieh die arge Kirchennot,

Sieh nur, wie das Bolk verroht.

Stiehl das Geld zur reichen Spende...
Hofniarschall streckt aus die Händel
Klinglingling! Der Klingelbeutel!

vez Vergras Uecl.

(Nach bekannter Melodie.)

Ich bin vom Berg der Vberrat,

Lin preuß'scher Musterbureaukrat;

Dem Ziskus wahr' ich den Profit,
Saarabien ist mein Herrschgebiet;

Ich bin der Rat vom Berge.

Atein Akannesherz schlägt liberal,

Das zeige ich am Tag der Wahl,

Wenn ich mit Änuff und Tritt und Stoß
Zur Urne treib' den Sklaventroß.

Ich bin der Aat vom Berge.

Wer wagt es, wider mein Gebot
Zu wühlen schwärzlich oder rot?

Weh ihm! Wer Ärgernis erregt
Und nicht pariert, wird „abgelegt"!

Ich bin der Rat vom Berge.

Und wer ein freies Wörtlein sagt
Und aus der Schul' zu plaudern wagt,
Den llberliefre ich alsbald
Dem Büttel und dem Staatsanwalt.

Ich bin der Aat vom Berge.

Nimmt man mich vor Gericht beim Whr,
Schütz' ich ein Amtsgeheimnis vor;

Zu schweigen zwingt mich heil'ge Pflicht
Aus daß die Wahrheit komm' ans Licht!
Ich bin der Nat vom Berge.

So Knute, bis mein Arm erschlafft,
Saarabien ich mit Akut und Kraft.

Nutzt auch der Stumm im Totenschrein
Lieb Vaterland, kannst ruhig sein,

Dir blieb der Nat vom Berge! j.s.

v. sKelow-ADeitenburg an v. Ärmiu-
Schuodderheim.

Mein Allerwertester! Was Bestrafung von
kontraktbrüchigem Landarbeiterpack anbetrifft, bin
selbstverständlich ganz Ihrer Meinnng. Wenn
Humanitätskretins von schneidigerem Anfassen
der Bande nichts wissen wollen, gibt es sehr ein-
faches Mittel, um Kontraktbruch überhaupt un-
möglich zu machen. Staat muß im Anschluß
an befestigten Grundbesitz „befestigtes Grmid-
proletariat" einrichten, in dem sich Kontrakte
für alle Zeiten schlankweg von Eltern aus
Nachkommenschaft vererben. Dadurch werden
sündhafte Lohnerhöhungen, gottverfluchter Zug
nach Westen usw. ein für alle Mal aus
Welt geschafft. Leibeigenschaft ja leider über-
wundener Standpunkt, aber „Leutefideikommiß"
durchaus dem modernen Zeitgeist entsprechend.
Tropfen sozialen Öls dabei natürlich nicht zu
vermeiden: Gutsherr schreibt jeder Familie bc-
stinunten Kiuderzmvachs vor und ist verpflichtet,
wo Gottes Segen hapert, eventuell persönlich
oder durch erprobten Stellvertreter nachzuhelfen,
wodurch intimere Interessengemeinschaft zwischen
Kapital und Arbeit hergestellt und Leutenot un-
möglich geniacht wird. Kolossale Idee, was?
Stammt von nur. Habe Projekt auf letzter
Bundesversammlung vorgetragen und frenetischen
Beifall geerntet.

Berliner Weibervolk scheint inzwischen total
blödsinnig geworden zu sein. Las in Zei-
tung, daß Weltbund für Frauenstimmrecht ge-
gründet haben! Schauderbarer Gedanke, wenn
Ihre sehr verehrte Eufemia — bitte mich ge-
horsamst zu empfehlen oder meine liebe Jsa-
bella anfangen würden, Politik zu treiben! Hätte
allenfalls Sympathien für „Damenhaus", das
in Verbindung mit Herrenhaus tagen und sich
aus Friedrichstraße rekrutieren müßte. Güter
Witz! Aber stellen sich gefälligst mal Gang unserer

Töchter zu Reichstagswahlurne vor, wo bei mo-
derner Klosetteinrichtung noch nicht einmal ge-
trennte Abteilungen für Männer und Frauen
vorhanden sind. Einfach skandalös! Gewissenlose
Aufhetzung von weiblichem Geschlecht kann über-
haupt zu traurigsten Konsequenzen führen. Fehlt
bloß noch, daß Amor- und Blumensäle sich or-
ganisieren und Streik proklamiere» und so. Habe
wirklich ernsthafte Besorgnisse gehabt, die in
meinem Alter immer zu Verdauungsstörungen
führen. Einziger Trost ist noch, daß Anita
Augspurg nicht zu den Roten gehört und Welt-
bund vorläufig nur liberales Kaffeekränzchen zu
sein scheint. Hoffentlich nimmt sich v. Gerlach
recht bald der Sache an — dann können wir
vollständig beruhigt sein.

In diesem Sinne Ihr Below.

Aus der berliner Hochfinanz.

Einer der angesehensten Berliner Großindu-
striellen, der unter dem populären Namen „Pvcken-
Ede" int Kreise seiner Berufsgenossen weit und
breit bekannte Herr Eduard Schautenpickcr, ist,
wie uns aus der deutschen Reichshauptstadt
gemeldet wird, zum Hofbankier mit dem Titel
eines königlichen Kommerzienrats ernannt ivordcn.
Herr Kommerzienrat Schautenpickcr verdankt diese
Auszeichnung seiner ebenso diskreten wie uneigen-
nützigen Mitwirkung an der von gewissen hohen
Kreisen gepflegten christlichen Wohltätigkeit. Ein
großer Teil seiner zwar unregelmäßigen, aber oft
sehr beträchtlichen Einkünfte wurde von ihm dazu
verwendet, durch Beiträge zum Bau von Gottes-
häusern der in Berlin leider noch immer herrschen-
den Kirchennot zu steuern. Die ivohlverdiente
Standeserhöhung wurde in der Sommerwohnung
des Gefeierten — Wuhlhaidc, dritte Sandgrube
links — durch ein solennes Bankett festlich be-
gangen. Die Anwesenheit einer großen Schar
von Berufsgenossen und -genossinnen — wir bc-
 
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