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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0204
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- <. 4428

Amsterdam,

Sie kommen ohne Kronen,

Gefolg und Söldnerschaft:
Erwählte der Nationen,

Die Blüte ihrer Kraft.

Sie komnren aus Rebengauen,
Aus dem Gebranfe der Stadt
Und über die wogen, die blauen.
Zum großen Völkerrat.

So kommen sie zusammen
Rings von der Erde Rund,
Im Kerzen heilige Flammen
Und kluges Wort im Mund.
Der Völker tiefste Fragen,
Zur Lösung stehn sie hier
Und über ihrem Tagen
Fliegt blutrot das panier.

Sie tragen kein Gewaffen,
Nicht Stern noch Ordensband,
Sie säen und sie schaffen
Auf weitem Zukunftsland.

Sie führen keine Titel,

Die Fürstengunst verleiht,

Der blaue Arbeitskittel,

Das ist ihr Ehrenkleid.

Hier wird kein Krieg beschlossen,

Kein Friedensbund geleimt;

Der Arbeit weltgenossen
Haben noch nie geträumt.

Der Menschheit gilt's zu bauen

Lin sichres Haus, indeß

hoffende Völker schauen

Und grüßen den Kongreß. Ll-ra maller.

der üccr Staatsamualt.

Est nobis voluisse satis.
(Uns genügt, gewollt zu haben.)

Germanins Klage.

Du weißt, o Väterchen, wie ich dich liebe,
Mit welscher Glut und deutscher Linnigkeit,
Du kennst die Kraft und Zartheit meiner Triebe
Und meiner Neigung süße Innigkeit.

Ich diente dir, von Rücksicht frei und Reue
Und meine Küsse waren immer echt —
warum, o Zar, behandelst du die Treue,

Die makellose, jetzt so hundeschlecht?

Des Deutschen Reichs hochpreisliche Gerichte
Hast skrupellos aufs Glatteis du geführt
Und ohne Not die brenzliche Geschichte
In Königsberg uns Deutschen eingerührt.

Du gabst durch deine abgefeimten Spitzel,

Die da Komplotte schmieden dutzendweis.

Uns wochenlang dem fressenden Gewitzel
Der freien Presse ganz Europas preis.

Und als man uns verhöhnt auf allen Gaffen,
weil wir für Rußland uns ins Zeug gelegt,
Hast in der Tinte du uns sitzen lassen
Und keinen Kinger mehr für uns geregt.

Meinst du etwa, das wäre schön gewesen?

Du bist im Irrtum, wenn du solches glaubst.
Und indigniert — beinah — Hab' ich gelesen.
Daß meine Lchiffe du der Post beraubst.

was tat ich dir, o Häuptling der Kosaken,
Der Riemen oft aus meiner Haut sich schnitt.
Daß rücksichtslos auf den gebeugten Nacken
Dein plumper Stiefel mir tagtäglich tritt? r.l.

(Sin neues Verfahren.

Vorsitzender: Bekennen Sie sich der Tat
schuldig?

Angeklagter: Ich weiß von nichts.

Staatsanwalt (höhnisch): Haha ... der An-
geklagte will von nichts wissen!

Vorsitzender: Sie leugnen also?

Angeklagter: Ich möchte erst zur Kenntnis
dessen gelangen, was man mir vorwirft.

Vorsitzender: Das werden Sie schon recht-
zeitig aus dem Urteil erfahren, falls nicht der
Gerichtshof bis auf weiteres die Sache als Amts-
geheininis zu erklären befindet. Das Beweis-
verfahren ist geschlossen. (Nach der Beratungspause ver-
kündet der Vorsitzende dem Angeklagten, daß er schuldig ge-
sprochen sei.)

Die Anzahl der Jahre, die Sie werden ab-
brnmmen müssen, kann ich Ihnen vorläufig nicht
bekanntgeben. Vielleicht sind es zehn Jahre, viel-
leicht drei Monate. Sie werden cs sich ja beim
Verlassen der Anstalt selbst ausrechnen können.

Angeklagter: Kann ich vielleicht erfahren,
wieviel mir von meiner Untersuchungshaft auf
die Strafe angerechnet wird?

Vorsitzender: Bedaure sehr, — auch das ist
Anitsgeheimnis. Gcfänguisdiener, führen Sie
den Mann ab! m. e.

Lucanus: Nach den Dingen, die in Königs-
berg vorgekommen, muß ich Ihnen nahelegen,
Herr Justizniinister, daß Sie um Ihren Abschied
einkommen.

Schönstedt: Aber ich habe ja nur meine Pflicht
getan, so gut wie jeder andere Minister.

Lucanus: Wenn zivei dasselbe tun, ist
es nicht dasselbe!

An den Wahren Jacob!

„Gelogen wie telegraphiert" hat einmal Bis-
niarck gesagt, der sich auf beides ausgezeichnet
gut verstand. Und er hatte wahrlich recht! Heute
brachten die Zeitungen folgende Depesche:

„Kasan, 13. Juli. Das wundertätige Bild
der heiligen Gottesmutter von Kasan, welches
in ganz Rußland Gegenstand der größten Ver-
ehrung ist, wurde mit seinem unschätzbar kost-
baren, edelstcinbesetzten Rahmen aus dem
Kloster Bogodinski inmitten der Stadt ge-
stohlen. Die ganze Bevölkerung ist aufs
äußerste bestürzt. Die Diebe sind noch un-
entdeckt."

So eine ganz gemeine, aufgelegte, infame Lüge!
Die mächtige Kasansche Gottesmutter, die die
schrecklichsten Krankheiten im Handumdrehen heilt,
Jammer in Segen wandelt, und unmöglich scheinen-
des verwirklicht; die gewaltige Wundertüterin, die
Iwan deni Schrecklichen zur Eroberung der Stadt
verholfen und Napoleon den Schrecklicheren aus
Rußland hinausgeräuchert hat; die kräftigste aller
Madonnen wird sich so ohne weiteres stehlen
lassen! .... Die Sache verhält sich ganz anders.
Der Gebenedeiten konnte es nicht unbekannt
bleiben, daß Witte eines kleinen Pumps wegen
auf Reisen gegangen. Und noch dazu zu ganz
verfluchten Ketzern. Da flog sie den» mit ihrem
kostbaren Rahmen ins Finanzministerium, um ihn
dort zurückzulassen als Beitrag zu den Kosten des
Krieges gegen die noch verfluchteren gelben Heiden.
So verhält es sich und binnen kurzem wird dies
alle Welt erkennen. Du wirst sehen, das Mutter-
gottesbild wird sich eines schönen Tages wicder-
finden — die Diamanten aber niemals. Da wird
sich dann der schnöde Telegraphist schämen, solche
llnwahrheiten gedrahtet zu haben.

Dein sittlich entrüsteter Fritz.
 
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