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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0253
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4478

Die Liberalen

Ihr fühltet es schon bis zum Halse gehn,

Das Wasser stand gar hoch in eurem Pfuhle,

Da habt ihr euch nach Rettung umgefehn
And instinktiv verfielt ihr auf die Schule.

Nicht ungeschickt, nicht übel war die List
And da und dort kann sie euch wirklich nützen,
Denn da dem Volk die Schule teuer ist,

So hilft es dem, der willig, sie zu schützen.

And in der Tat, die Schule ist in Not
Im neuen Reich der Denker und der Dichter,
And mit Entmannung und Entnervung droht
von rechts und links das pfäffische Gelichter.
Doch ob nun grade ihr berufen seid,

Zu schirmen sie, wenn sich bedrohlich nahen
Die schwarzen Scharen all? Es tut mir leid —
Ich kann die Frage wirklich nicht bejahen.

Anzweifelhast sieht klar und deutlich ein
Den wert der Schule man in eurem Areise;

Sie soll geschützt, wohl selbst gefördert sein,

Doch alles das gilt nur — bedingungsweise.

und die Schule.

Ihr wißt sehr wohl, warum ihr Schutz gewährt:
Damit sich Räder drehn und Essen rauchen!

Jedoch ein Volk, das frei und aufgeklärt,

Könnt ihr so wenig wie die Pfaffen brauchen.

Ihr habt ein kleines, ganz bedingtes Ziel;

Es heißt: die Industrie und ihre Blüte!

Ihr fürchtet deshalb ewig ein Zuviel

And Bildung wollt ihr, aber — zweiter Güte.

von unfern Zielen trennt euch eine Kluft;

Nie wollt das Volk zur Freiheit ihr erwecken.
Die wahre Schule sprengt euch in die Lust,
wird euch wie auch den Schwarzen einst zum Schrecken.

Drum kann man wohl ein Stückchen mit euch gehn,
wollt mit den Schwarzen ihr ein Tänzchen wagen,
Doch muß man stets euch auf die Finger sehn
And auch die Fahne dürft ihr niemals tragen.
Im Ernstfall ist's mit eurem Wut vorbei,

Denn mit der Kirche seid auch ihr verflochten;
wir kämpfen, bis die Schule wahrhaft frei,
And dieser Aainpf wird gründlich ausgesochten.

^ Zweifel, es

Ach, bei diesen bösen Zeiten
Werd' ich wahrlich noch ganz dumm.
Mich beschleicht sogar der Zweifel
An dem Gottesgnadentum.

Bin ein treuer Untertans!

Zür den allerhöchsten Herrn
Auf dem angestammten Throne
Gab' ich Leib und Leben gern.

Herrlichkeit und Macht und Weisheit
ward zuteil von oben ihm,

Und die Gnade erbt sich weiter —
wenn die Zeugung legitim.

Aber ach, das Legitime,

Dieses ist das Zweifelswort!
wehe! Bon den Zürstenhöfen
Wandte sich die Keuschheit fort!

pflichtvergess'ne Prinzessinnen!
Mehrmals sah'n wir den Skandal.
Unentdeckt bleibt wohl manch andrer
Allerhöchste Sündensall.

Und bei solchen bösen Zeiten
Geht mir dies im Kopf herum:

Weiß denn, ob sein König echt sei,
Heutzutag' das Publikum? tzasio.

Kptilter.

Rußlands und Italiens Hoffnungen auf die
Zukunft stehen endlich auf je zwei Säuglings-
beinen. Deutschlands Zukunft liegt aber noch
immer auf dem Wasser.

Das baliische Geschwader der russischen Flotte
soll zwar erst im Dezember auf dem Kriegsschau-
platz eint reffen; es wird jedoch schon im November
im deutschen Reichstag auftauchen, um den Staats-
sekretär v. Tirpitz in der brennenden Frage der
neuen Auslandskreuzer zu unterstützen.

Äiuc Steuerreform.

Einer Prinzesfinnensteuer erfreut sich das glück-
liche Mecklenburg, wie ja dort sich noch so manche
Reste mittelalterlicher Herrlichkeit erhalten haben.
Das ist aber nicht eine Steuer, die von den
Prinzessinnen bezahlt wird, oder eine Steuer auf
Prinzessinnen, die von den Vätern dieser Damen
zu entrichten ist, sondern eine Steuer, die von dem
llntertau erhoben wird, wenn die Prinzessinnen
ihm dte Ehre antuen, sich mit einem Prinzen zu
verheiraten. Eigentlich ist diese Art der Steuer-
bezeichnung ganz praktisch. Der Untertan erfährt
doch so, für iveu er blechen muß. Es wäre ganz
nützlich, das im Deutschen Reiche nachzuahmen.
Da könnte man alle die indirekten Steuern je
nach ihren Verwendungszwecken umtaufen. Dann
bekämen wir Generalssteuern, Majorsstcuern,
Leutnants-, Admirals-, Schiffsfähndrichssteuern
und schließlich fiele der Löwenanteil auf die mit
Recht so sehr beliebten Junkersteuern, die dem
Volke mit jedem Bissen Brot abgeluchst werden.
Auch aus Mecklenburg kann also eine gute und
nachahmenswerte Einrichtung kommen.

Ährenbeweise.

Das deutsche Schiff „Thea" wurde von den
Russen in den Grund geschossen, weil sie dessen
Ladung Schiffsdünger als Kriegskonterbande an-
zusehen beliebten. In Anerkennung der demütigen
Ergebenheit, mit der die deutsche Reichsregierung
sich diese freche Verletzung des Völkerrechts hat
gefallen lassen — sie hat aus Dank dafür den
russischen Kreuzer Nowik aus dein Hafen Kiau-
tschau auslaufen lassen — wurde der Besitzer
des Schiffes, der Reeder Diedrichsen, zum russischen
Konsul in Kiel ernannt. Herr Diedrichsen rechnet
sich das offenbar als hohe Ehre an, womit denn
sich abermals die Wahrheit des Jinmermannschen
Wortes bestätigt: „In Deutschland gedeihen die
Bedienten am besten."

Übrigens hat das Verfahren der russischen
Regierung bereits begeisterte Nachahmung in
Deutschland gefunden. Die Herren Schulz und
Nomeick wollen allen durch die Pommernbank
Geschädigten eine Anzahl von Ehrenposten als Por-
tiers, Kutscher, Lakaien, Stallknechte, Stiefelputzer
zur Verfügung stellen, und Freiherr v. Mirbach
wird sie, je nach ihrer Konfession, als Küster,
Kantor oder Vorbeter in der Synagoge geeigneten
Ortes in Empfehlung bringen. Pommernbauk-
aktionäre, die Anspruch auf solche Stellungen zu
haben glauben, können sich je nachdem in Plötzen-
see oder Potsdaui melden.

Undankbar.

Herr Ballin hat es verstanden, die preußischen
Behörden für die Haniburg-Amerika-Linie als Zu-
treiber auszunützen. Alle armen Juden aus Ruß-
land, Polen und Galizien, die über die preußische
Grenze kommen, werden „aus sanitären Grün-
den" wieder zurück expediert, wenn sie sich nicht
schleunigst durch Erstehung einer Paffagierkarte
der von Herrn Ballin geleiteten Hamburg-Amerika-
Linie nach Amerika einen alle obrigkeitlichen An-
sprüche befriedigenden Gesundheitszustand erkaufen.

Eigentlich ist das von Herrn Ballin nicht hübsch
gehandelt. Hätte eine solche Einrichtung zu der
Zeit bestanden, als seine Vorfahren aus Galizien
mit den Peies an den Schläfen nach Deutschland
hineinschlurfteu, so würden sie sicher aus sanitären
Gründen heimgeschickt sein und Herr Ballin könnte
heute weder mit einen, galonnierten Lakaien aus
dem Bocke herumsahrcn, noch sich einen kaiser-
lichen Flügeladjutanten als Aufsichtsratsdekoration
leisten. ,

Piefke: In Sachsen sind de Mannevers ab-
jesagt worden. Sollten det Flottenmannever sind?

Lehmann: Wie kommste denn dadrnff?

Piefke: Na, weil se doch wejcn Wasser-
mangels abjesagt sind!
 
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