Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0341
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
■ • 4566 » •

Kühne Behauptungen.

Talleyrand hat einmal gesagt: „Man schafft
Tatsachen, indem man sie behauptet." Nach
diesem Rezept wolle» wir kühnlichst folgende
Behauptungen aufstellen:

Deutschland steht gegenwärtig im Zeichen
der Sozialreform.

Die künstlerische Ausschmückung von Berlin
erregt das Entzücken der gebildeten Welt.

Unsere koloniale Politik bewirkt zu gleicher
Zeit die Hebung des Kulturzustandes der Ein-
geborenen wie die unseres Nationalreichtums.

Die Majestät ist viel zu erhaben, um von
Betrunkenen beleidigt werden zu können.

Das deutsche Militärstrafgesetz gewährleistet
die moralische und physische Ausbildung des
Kriegers bis zur denkbar höchsten Vollkommen-
heit. Die Militärstrafprozeßordnung ist das
scharfsinnigste, juristisch geradezu unübertreff-
lichste, was menschlicher Verstand je geschaffen.

In unserer Armee haben die tauglichsten und
fähigsten Soldatenerzieher das tonangebende
Wort.

Der Reichskanzler bietet durch seine Nacken-
steifheit nach oben die Garantie eines stetigen,
zielbewußten Regierungskurses.

Deutschlands Haltung gegenüber Rußland
ist das direkte Gegenteil von Unterwürfigkeit,
Speichelleckerei und hündischer Demut.

Unsere Rechtsprechung deckt sich in einfach
idealer Weise mit dem allgemeinen Rechts-
bewußtsein des Volkes.

Unsere Militärjustiz hat niemals Grund,
das Licht der Oeffentlichkeit zu scheuen und
versteckt sich nie hinter verschlossenen Türen.

Es gibt kein zweites Forbach.

Die Einsicht unserer Regierung weiß der
zügellosen Habgier des Junkertums energisch
eine Schranke zu setzen.

Die Gefängniseinrichtungen in Deutschland
sind zweifellos dazu geeignet, durch Humanität
und Zweckinäßigkeit eine Besserung auch bei
dem verstocktesten Sünder herbeizuführen.

Der Arbeiter erfreut sich hierzulande einer
gesicherten Existenz.

Bei Würdigung der Ansprüche des Molochs
und der Kulturforderungen hat sich die Weis-
heit unserer Staatslenker noch stets den letzteren
zugeneigt.

Die „Edelsten und Besten der Nation" sind
genau das, was der Name besagt.

Das preußische Herrenhaus ist der Inbegriff
gesetzgeberischer Fortgeschrittenheil und eine
Abschaffung dieser segensreichen Institution
würde einen unwiederbringlichen und schmerz-
lichen Verlust bedeute».

August Scherl bietet in seinem bedruckten
Papier eine wahrhaft geistveredelnde, allem
Klatsch und Spießertum abholde Nahrung.

Das Zentrum ist der unerschütterliche, zu-
verlässigste Hort der Volksrechte.

usw. usw.

Jetzt bleibt uns nur noch der eine Wunsch,
daß Talleyrand nie Lügen gestraft werden
möge.... W.

„Lntschuldigen Lie, meine Herren,

Öhtütmrf eines Konlraklbruchgesehes
für Kleinbauern und ländliche Arbeiter.

Material für den Parteitag der preußischen Sozialdemokratie.

§ 1. Das Dienstverhältnis beginnt mit dem
Antritt und endet ein Jahr nach dem Verlassen
der Arbeit. Wer innerhalb dieser Zeit bei einem
anderen Herrn in Dienst tritt, wird wegen Kon-
traktbruchs bestraft.

§ 2. In Streitfällen entscheidet das Hof-
und Mistgericht, bestehend ans drei Ochse», mit
dem Gutsbesitzer als Vorsitzenden.

Z 3. Lohnforderungen der Arbeitnehmer
gegen die Herrschaft verjähren nach sechs
Wochen. Schadenersatzansprüche der Herrschaft
gegen Arbeitnehmer wegen Verlaffens der Ar-
beit können noch nach vierzig Jahren gellend
gemacht werden.

§ 4. Als Normalarbeitszeit gilt der vier-
nndzwanzigstündige Arbeitstag, doch können von

und lassen Lie sich nicht stören!"

der Herrschaft auch Unterstunden gegen ent-
sprechende Lohnrückvergütung bewilligt werden.

§ 5. In der Erntezeit sind die bereits ein-
mal entlaufenen Arbeiter an der Leine zu führen.

§ 6. Verführung des Gutsherrn durch länd-
liche Arbeiterinnen wird als Notzucht mit An-
schmiede» an den Pflug nicht unter drei Jahren
bestraft.

8 7. Kleinbauern und Arbeitern steht ein
Anspruch auf eine Unfallrente nur soweit zu,
als die Rente durch Lohnersparnisse der Arbeit-
nehmer gedeckt ist. Li. e.

ÄrkennungSMchen.

„Ich glaube nicht, daß der König heute noch
hier vorbeikommt."

„Woraus schließt du das?"

„Man sieht ja iveit und breit keinen Schutz-
mann."

„Das ist ja ein toller Spektakel, da scheinen betrunkene Arbeiter zu sein —"

„Wenn zwei dasselbe tun —"
 
Annotationen