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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0006
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-- 4574

modernes (Uintermärcben.

In Preussen und in Mecklenburg,

Da herrscht jetzt eitel UJonne,

Da glänzt das platteste Gesiebt
(Die Speckscbwart’ in der Sonne.

Die Jreude ist berechtigt, denn
6s wird bald Rochzeit geben,

Mit Braten, Schaumwein und Konfekt
Und Reden auch daneben.

Prinzesseben wird Stau Königin,

Das heisst: natürlich später!

Der Söhne Königtum beginnt
Grst bei dem tod der Uäter.

Gleichviel: es gilt, die Dynastie
In Ghren fortzupfianzen;
einstweilen wird die Hochzeit sein
Mit Schmausen und mit Lanzen.

Prinzesscben bringt viel Sachen mit
In Kisten und in Cruhen;

Sie ist gerüstet und versorgt
Mit Röckchen und mit Schuhen.

De Landesinudder ohne Gin-er.

In den Nuster-
ländchen Lachsen,
Da bassieren
de dollsten Kaxen.
Wemmer alles
iwwerlegd,

Ward mer fermlich
uffgeregd.

Zwar, de The war geschieden.

Doch das Land gam »ich zum Frieden;
Kerne war se, awwer doch
Lebde Krau Lawise noch.

Jeder hat bei sich gedachd:

„Wennse nur nich Lchdreeche machd
Butz'ger Art!" An siehe da!

Mas mer ahnde, das geschah.

Aus Klorenz, wo se geweild,

Is nach Lachsen se geeild.

An in Lchnellzug Dag un Rachd
Is nach Leibzig se gemachd.

tzier in Leibzig angegomm,
tzat se 'n Anwald mitgenomm.

Denn ihr midderliches Wesen
Drieb se schdandebeh nach Diesen.

Dort begab aus ihr'n Hodelle
Lich Lawise uff der Lchdelle

Den» Mecklenburg weiss, was sich schickt,
Und kargt nicht mit den Calern;

Die zieht der Gxekutor ein
UJobl von den Steuerzahlern.

Das ist das gute alte Recht
Im Land der Obotriten:

Prinzesschens Mitgift schaffen da
Durch Umlag’ die Zensiten.

Ja, solch’ direkte Steuer bringt
Stets Uolk und 5iir$t sich näher.

Die Liebe zu dem Fürstenhaus
(Dird durch die Pfändung zäher.

In Preussen wird in andrer JIrt
Die Hochzeit ausgerichtet,

Und zu direkter Steuer ist
Man keineswegs verpflichtet.

Dort wird nur „angeregt“; dafür
Bat man ja Selbstverwaltung,

Und den bekannten Männerstolz
Bornssischer Gestaltung.

Diefverschteierd vorsch BaläH —

Etwas dreiste, awwer zäh!

Doch de sehre vigilanden
Domesticken se ergannden.

An die fingen an zu schrei'n:

„Aee, hier darf Zie 8eener 'rein!"

Lämdliche Minister draden
Gleich zusamm, um zu beraden.

An Lchandarm, 'ne ganze Nasse,
Zchdanden Wache uff der Gasse,

Um's Angdreh zu'n Genigsgindern
Lehr energisch zu verhindern.

De Lchandarm un Bohlezisten
Lein in Lachsen schlimme Lhristen,

Wie's an eegen Leiwe sahn
Lchaudernd viele Underdan.

Au, weeß Gnebbchen, ging es oo so
Der Krau Gräfin Nontignoso!

v. Netow-^leitenburg

an v. Arnim -Zchnodderheim.

Mein Allerwertester! War zweifellos sehr
gute Idee von Ihnen, durch umfangreiche
Entlassungen von Arbeitergesindel vor dem
Fest den Etat für Weihnachtsgratifikationen
auf erträgliches Niveau herabzudrücken. Werde
nächstes Jahr Jhrern Beispiel folgen. Dies-
mal mußte leider noch in saures Obst beißen
und sündhaften Mammon ausspucken. Aber
es darf nicht so weiter gehen. Bande fängt
an, mir zu klug zu werden — dank der gott-
verdammten Verhetzungen der roten Halunken.

Hatte übrigens wieder in drei Arbeiter-
häusern Typhus. Junger Lümmel von Arzt
erklärt, Trinkwasser, das zufällig mit Abort
in Verbindung steht, wäre schuld. Hat mich
mit diesem Blödsinn schon vor Jahr und Tag

Der Bürgermeister und der Schulz'
erklären, man gedenke
Des frohen 5ests im Herrscherhaus
Jim besten durch Geschenke.

Und dazu nickt der weise Rat;

Man lässt sich doch nicht lumpen,

Und müsste man das schnöde Geld
Beim Manichäer pumpen.

Doch das tut gar nicht not, man spart
Das wohl am andern Gnde,

Und wenn ein armer Ceufel kommt,

Zeigt man ihm leere Hände.

In Preussen und in Mecklenburg,

Da wohnen brave Leute,

Die lieben ihre Fürsten sehr,

Besonders aber heute.

Denn wenn Prinzesscben Hochzeit hält
Und wenn der Prinz geht freien,

Dann müssen sie den Beutel zieh»

Und dürfen Hurra schreien. secundus.

ennuyiert, als ich die große Epidemie unter
Arbeitervolk hatte; bin aber leider auf frechen
Bengel von neumodischem Mediziner ange-
wiesen, da verständiger alter Kreisarzt, der
kostspieligen Bazillenschwindel nicht mitmacht,
vier Meilen entfernt wohnt und selbstverständ-
lich Fuhrwerk so weit nicht schicken kann.
Hatte diesmal fünf Begräbnisse auszurichten
und war über Unbequemlichkeiten so ver-
ärgert, daß vor dem Fest zur Erholung nach
Berlin fuhr.

Leider hatte Emmy mich am ersten Nach-
mittag wieder mal versetzt. Ging daher zur
Zerstreuung in unser braves Abgeordneten-
haus, was wahrhaftig nicht bereue. Minister
v. Hammerstein gab nämlich gerade prächtige
Zoten über russische Anarchistin Bärson zum
besten. Ist sonst — unter uns. gesagt —
phänomenal langweilige Exzellenz, aber solche
Sachen versteht er, wie schon von früherer
Bekanntschaft ans Kasino her weiß, brillant
zu erzählen. Haben uns gewälzt vor Ver-
gnügen, und ganzes hohes Haus wieherte.
Wenn nur nicht mal anfängt, pikante Schwänke
aus unseren Kreisen zu erzählen. Was? Ach
du Donnerwetter! Haben uns bei Minister-
rede jedenfalls beinahe besser amüsiert als
nachts in Amorsälen, obwohl dort prächtiger,
unverwüstlicher Konsistorialrat v. Jtzenplitz

— kennen ihn wohl noch von Aachen her? —
wieder Großartiges im Schweinigeln leistete.

Am anderen Tag graues Elend mit Orchester-
begleitung. Ließ mich durch Jtzenplitz für den
neugegründeten „Volksbund zur Bekämpfung
des Schmutzes in Wort und Bild" anwerben

— den übrigens auch Ihnen dringend empfehle.
Unmoral in moderner Kunst und Literatur muß
mit eisernem Besen beseitigt und gesunde Scham-
haftigkeit dem Volke erhalten werden. Adel
und Geistlichkeit für diesen Kampf die ge-
eigneten Faktoren.

Inzwischen ^

Dorch de Gron-
brins-Lheerrung
Gam gans Lachsen
in verwerrung,
Gans besondersch awwer schrie
's Weibsenvolk so laud wie nie.
 
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