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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0010
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457»

Winterszeit.

*

In Schnee und Eis starrt ringsum die Dafür,

Der kalte Nord pfeift durch die kahlen Zweige;
Hon Duft und Blumen nirgends eine Spur,

Spät graut der Cag und früh geht er zur neige.

Still und verlassen liegt der weite Wald,
entblättert, trauernd stehen alle Bäume
Und keines Uögleins lustig Liedchen schallt
Im Jubelton durch seine toten Räume.

Doch schlummernd unter kalter eis’ger plle
träumt Mutter Erde neuer tust entgegen
Und harrt der Zeit, wo sie in goldner Julie
Uns spendet ihren ewig reichen Segen.

Wohl ist der Winter hart und lang,

Bringt manchem Sorge und Beschwerden;

Doch hofft und seid nicht trüb und bang,

6inst muss es wieder Jriibling werden!

* * *

fluch auf dem Uolke liegt noch Winterzeit,

Der Schnee des Elends lagert auf den Massen;
wann kommt der Jrühling, der einst weit und breit
Des winters Qualen wird verschwinden lassen?

Der uns erscbliesst der Erde 0riin und Pracht
Und jedem spendet ihre reichen Baben?

Wann endlich wird die kalte Winternacht
Uon Morgenrot und Sonnenlicht begraben?

Schon dämmert’s leise in des Uolkcs Schichten
Der Freiheitsdrang beginnt sich stark zu regen;
Einst wird die Dunkelheit sich strahlend lichten
Und mutig sehn der Zukunft wir entgegen.

Wir stehen fest und wanken nicht,

Und wie des Frühlings harrt die Erde,

So hoffen wir voll Zuversicht

Dass es einst Uölkerfrühling werde! y. e.

A*

Ein Notschrei.

Hochverehrter Herr Redakteur! Ich kenne Ihr
geschätztes Blatt nicht und habe es nie geseheti.
Aber der Titel hat für mid) etwas so anhei-
melndes! „Der wahre Jacob!" Sie haben sich
gewiß den fromitten Mann zum Vorbilde ge-
nommen, der dem Laban vierzehn Jahre lang

in Fleiß, Treue und Gehorsam biente und dafür
würdig befunden wurde, der Schwiegersohn seines
Brotgebers zu werden.

Ja, sagte ich mir, „der ivahre Jacob" wird
dich verstehen, denn in seiner Redaktion herrscht
offenbar aufrichtige Frömmigkeit. Ich befinde
mich in sehr peinlicher Lage und weiß ich mir
allein keinen Rat. Wie sollen sich, so frage ich
Sie, die gutgesinnten Staatsbürger in diesen
schlimmetr Zeiten vor dieser furchtbaren Sozial-
demokratie schützen?

Mein lieber Sohn Traugott ist jetzt soweit,
daß er einen Beruf ergreifen soll; was aber an-
fangen, um ihn vor den alles vergiftenden Ein-
flüssen der roten Rotte zu bewahren? Ursprüng-
lich sollte der gute Junge die Rechte studieren,
um bereinft als Staatsanwalt für Ordnung und
Sitte zu kämpfen; aber seit die Geschichte in
Meiningen passiert ist, habe ich alles Zutrauen
zu den Juristen verloren.

Soll Traugott nun Pfarrer werden? Neiir, auch
nach den Dienern des Herrn steckt Satanas seine
Krallen ans und zieht sie in die Reihen der Roten.
Bei den Philosophen findet man immer merk-
würdigere Ansichten und die Mediziner sprechen
von Darwin, Haeckel und solchen Lenken. Dann
hatte ich an die Offizierskarriere gedacht, aber
denken Sie nur an Pirna, Forbach, — oh! Wie
kamr ich meinen Traugott in solche Gesellschaft
geben! Auch die Lehrer haben seit der Rebellion
in Trakehuen allen Kredit bei mir verloren und
ans Beamte irgendwelcher Art ist erst recht kein
Verlaß; hat doch ein ganz simpler Magistrats-
hilfsarbeiter jahrelang gegen seine Vorgesetzte Be-
hörde, den Berliner Magistrat, prozessiert.

Der Kaufmanns- und Handwerkerstand ist
natürlich bereits völlig verseucht. Was also tun,
um das Kind vor dem Untergang zu bewahren?
Könnten Sie, mein hochverehrter Herr Redakteur,
Traugott nicht beschäftigen? D^"" wüßte ich ihn
doch in sicheren Händen. Er ist ein lieber Junge,
hat eine sehr schöne Handschrift und hat für ein
hier erscheinendes Blättchen für innere Mission
schon zwei Geschichten geschrieben ...

Oh, rvie will ich Ihnen danken, ivenn Sie
mir behilflich sind, meinen Traugott vor der
ihn auf allen Seiteir bedroheirden Gefahr zu
beschützen!

Mit allerausgesuchtester Hochachtung

Ihr Leberecht Knutschke,
Rentier in Kleinbimmelsburg.

Ärleknifse des A rüder Ktraukinger

im Jahre des tzeils 1904 im heiligen Deutschen Reiche.

In Berlin, in der Siegesallee,

Kriegt' ich plötzlich stark die Diarrhöe.

Kam ein Schutzmann an,

Sagte: Lieber Mann,

w ir dulden hier keine oppositionelle Aufführung.

Ist ja auch keine Aufführung, sondern eine
Abführung.

Zu Köln, am grünen Rheinesstrand,

Ich sehr nette junge Damen fand.

Liefen hin und her.

Kokettierten sehr,

hatten aber wegen des Sittlichkeitskongresses
die Preise erhöht.

In Mecklenburg, o großes Glück,

Gab mir einer ein Zehnpsennigstück.

Kam gerannt herbei
Stracks die Polizei,

konfiszierte 10 Prozent als Prinzessinnensteuer.

Zu Oldenburg, der Residenz,

Macht' ich einem Bürger Reverenz.
Sprach; Mein lieber Herr,

Ach, verzeih'n Sie sehr,
welches ist hier wohl die belebteste Straße?
De Rnhstraat, de is bannig betreten!

Zu Detmold an dem Werrafluß
War ich in großem Schwulibus.

Nahm der Herr Schandor
Heimlich mich beim Ohr,
fragte: Was halten Sie von dem Telegramm
an unfern Fürsten von Lippe?

Tippe nich an Lippe, du olle Zippe!

In Trakehuen, ivo man Hengste kürt.
Ist nrir eitr kurioser Fall passiert.

Kanr eirr Bauersmann
Mit 'ner Mistfuhr' an,

sagte; Nehmen Sie gefälligst Platz, Herr
Schulmeister!

Zu Norderney, im Nordseebad,

Sah ich 'neu preuß'schen Geheimderat,
Sanft umspült' die Well'

Das feudale Fell,

tat sich aber sogleich am Strande brecherr.

Zu Forbach, in dem Ellensaß,

Hatt' ich einen großen Spaß.

Kam ein Leutenatrt
' Krampfhaft angerannt,
schrie: Sagen Sie mir um Gotteswillen, rvo
kauft man hier einen Zylinderhut?

In Klein-Tschirne in dem Schlesigen
Bin ich ebenfalls gewesigen,

Dresch' er tüchtig, Sohn,

Ans den kleinen Kohn,
sagte der Dreschgraf väterlich zu mir.

Werde sofort einen Flegel zur Hand nehmen,
— dabei gab ich ihm die Rechte. Uno.
 
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