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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0024
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Russische Wohltätigkeit.

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Der schwarre CocL

Dort im Dsten, rvo die Völker
Grimmig aufeinander schlagen,

Wo der Tod und die Verwüstung
Werden durch das Land getragen -

Dorten feh' in stnstern Nächten
Lin Gespenst ich sich erheben,

Dessen Pest- und Seuchen-Atem
Läßt die Menschheit tief erbeben.

Wenn es schreitet durch die Lande,
Jedes Antlitz muß erbleichen,

Denn es häuft auf seinem Wege
Leichen tausendweis auf Leichen.

Keiner steht so hoch und mächtig,

Sei er auch so fest wie Lisen,

Daß nicht dies Gespenst ihn könnte
In das Grab Hinunterreißen.

Wahl- und ziellos mit des Todes
Sense niedermäht die Massen
Dies Gespenst und will den Höchsten
Wie den Niedersten erfassen.

Also reißt es cm die Schranken,
Die der Hochmut aufgerichtet,

Und zerstört das Vorrecht, das der
Title Mensch sich angedichtet.

Grause Gleichheit in dem Tode
Nach der Ungleichheit im Leben!
Gholera! Sie läßt die Sichel
Über allen Häuptern schweben!

Hütet euch, daß nicht aus Asien
Wiederum hervor sie breche
Und den Übermut der Großen
An der ganzen Menschheit räche! a.t.

Im Laufe der Zeit bat man so ziemlich alles
erblich gemacht: Die Throne und Kronen, die
Namen und Würden, das Geld und den Grund-
besitz. Nur zwei Dinge lassen sich nicht ver-
erben -Verstand und Gemüt. Und au diesen

beiden werden einmal alle Erblichkeiten zerschellen.

Ein „gemachter Mann" ist ein solcher, der
nichts macht. ,

Richten heißt rächen. Rächen heißt ungerecht sein.
Der größte Strom ist klein im kleinsten Meere.

Handwerk hat goldenen Boden — für den
Unternehmer. ,

Wie tief sinkt mancher, um empor zu kommen!

Der Sündcnfall mar die Brautnacht der
Menschheit. „

Frömmigkeit, Grausamkeit und Unzucht sind so
innig miteinander verbunden, daß man ihnen
heutzutage immer öfter in den Gerichtssälen be-
gegnet.

Ein Stand, der nur seine Standesehre kennt,
ist kein Ehrenstand.

Winter.

Das ist der Winter, die fröhliche Zeit! —
Die Marmortreppen, so weiß und breit,
Schimmern in blendendem Lichterglanz,

And drüber wogt zu Spiel und Tanz
Die Menge, lachend und sorgenbefreit.
Entgegen de» Freuden der Winterszeit.

Das ist der Winter, die lustige Zeit! —
Prinz Fasching naht im Schellenkleid.

Die Sinne taumeln düfteberauscht.

Lüsterne Blicke werden getauscht;

Den Saal durchbraust die Freude laut.

Bis fahl der Morgen durchs Fenster graut.

Das ist der Winter, die herrliche Zeit!

And wenn das Herz nach Sonne schreit.

So träumt sich's im Süden wundersacht.
Wenn hinter ben Bergen, sturmentfacht.
Das Wetter über die Halden schneit
Zur fröhlichen, lustigen Winterszeit.

* ... *

Das ist der Winter, die böse Zeit! —
Endlos dehnt sich, weiß und weit.

Die Arbeitsstätte tot und leer.

And lauernd schleicht das Elend her
And pocht, liegt rings verweht das Land,
Ans Tor mit harter Knochenhand.

Das ist der Winter, die bange Zeit! —

Ihr ist die Armut schlecht gefeit.

Sie kauert blaß am kalten Herd,

Hungernd, frierend, sorgenbeschwert.

Indes der'Tod durchs Fenster blickt
And grinsend harrt und lauernd nickt.

Das ist der Winter, die harte Zeit,

Wo Leib und Seel' nach Wärme schreit;
Wo wimmernd die Kleinen in Lumpen gehn.
Da sieht man's schwarz am Tore stehn.

And langsam geht's dem Friedhof zu.

Zum Süden der Armut - zur Grabesruh".
 
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