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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0035
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Noch glorreicher.

4603

B-ic.

Der

Jirnungsvorstand

Vrehetmüsser.

„Herrgott von Mann-
heil»! Ick könnte alle
Sozialdemokraten uin-
bringen — wenn ick dann
nur »ich selber arbeiten müßte."

„Japaner mit Einnahme von Port Arthur das neue Jahr wirklich
glorreich begonnen!"

„Ah bah! Können an uns »ich tippe»! Wir haben Port Arthur nicht
cinjenommen und trotzdem vier Jeneralfcldmarschälle zu Neujahr bekommen!"

Äine, die's versteht.

Pfarrcrsköchitt (liest in einem Vcrsammlnngsbericht etwas über das Zölibat
der Lehrerinnen): „O mei, lvie die armen Frauenzimmer so a Leben nur
acht Tag' aushalten können..."

Die Verfassung kies Deutschen Reiches.

Im Sinne der christlich-agrarischen Weltanschauung
revidiert von v. Arnim-Schnodderheim.

§ 1. von den Reichsangehörigen.

Die Bevölkerung, des deutschen Vaterlandes
zerfällt in „Freie" und „Unfreie". Zu den
ersteren zählen die Edelsten der Nation, sowie
diejenigen Kreise des Bürgertums, welche die
Zuverlässigkeit einer reichstreuen Gesinnung
durch ein jährliches Mindesteinkommen von
25000 Mark nachzuweisen imstande sind. Die
Unfreien zerfallen in den „Mittelstand", das
„Fahrende Volk" und die „Sklaven". Zum
Mittelstände gehören alle Schichten des Bürger-
tums, deren Jahreseinkommen die Summe
von 25000 Mark nicht erreicht und bei denen
ein unbedingter Patriotismus daher nicht
garantiert erscheint. Das Fahrende Volk setzt
sich zusammen, aus den Angehörige» der so-
genannten geistigen Berufe: Seiltänzer, Musi-
kanten, Ärzte, Maler, Dichter, Marktschreier,
Universitätsprofessoren, Schauspieler, Hau-
sierer, Menageriebesitzer, Philosophen, Zahn-
reißer, Journalisten usiv. Die Sklaven be-
stehen aus den Proletariern und den Juden.

§ 2. von Sen pflichten Ser Freien.

Den Freien liegt die patriotische Pflicht ob,
alle besser besoldeten Stellen in der Verwal-

tung, in der Justiz und im Reichsheer mit
Angehörigen ihres Standes zu besetzen, sowie
in Verbindung mit dem Reichstage (vergl. § 6)
die Gesetze zu geben und die Steuern auszu-
schreiben.

8 3. von Sen Rechten Ser Unfreien.

Die vornehmsten Rechte der Unfreien sind:
das Reichstagswahlrecht (vergl. § 6) und das
Steuerrecht. Das erstere haben sic mit den
Freien gemein, das letztere kommt ihnen aus-
schließlich zu.

§ 4. Von den Steuern.

Die Steuern sind von dem fahrenden Volk
und den Sklaven aufzubringen. Bei besonderen
patriotischen Anlässen, ivie Parade», Sedan-
festen, Flottenvermehrungen, Hochzeitsge-
schenken für hochgestellte Persönlichkeiten,
Generalversammlungen im Zirkus Busch, wer-
de» außerordentliche Steuern — sogenannte
„Jubelabgaben" — von den Angehörigen des
Mittelstandes erhoben.

8 5. Von den Organen der Reichsregierung.

Die Reichsregiernng liegt in den Händen
des Bundes der Landwirte, dessen Präsidium
die Pflicht hat, sämtliche Beamte, sowie die
Offiziere und Unteroffiziere des Heeres zu er-
nennen und abzusetzen.

§ 6. Vom Reichstag.

Die Wahl zum deutschen Reichstag findet
nachMaßgabe des allgemeinen, gleichen, direkten
und geheimen Wahlrechtes statt. Die Reichs-
regiernng (vergl. Z 5) seht den Termin der
Wahl fest und ernennt für jeden Wahlkreis
einen Kandidaten. Jeder wahlmündige Reichs-
angehörige hat das unbeschränkte Recht, diesem
Kandidaten seine Stimme zu geben. Auf andere
Kandidaten fallende Stimmen sind ungültig.

8 7. Von der Rechtspflege.

Die gesamte Justiz wird durch die adeligen
Mitglieder des Großgrundbesitzes mit Unter-
stützung der niederen Polizeiorgane nach freiem
Ermessen gehandhabt. Für zweifelhafte Fälle
der Strafgerichtsbarkeit, der übrigens nur die
Unfreien unterliegen, ist die „PeinlicheGerichts-
ordnung Kaiser Karls V." und die „Preußische
Gesindeordnung" maßgebend.

8 8. von Ser Selbstverwaltung.

Das Gebiet der Selbstverwaltung umfaßt
die Straßenreinigung, den Nachtwachdienst
und die Müllabfuhr. Die dafür geeigneten
Organe aus seinen Kreisen zu wählen, ist das
ausschließliche Recht des Mittelstandes.

8 9. Vom Reichsheer.

Die Verwaltung des Reichsheeres kann so
bleiben, wie sie ist. o. 8.
 
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