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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0047
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>- Der steifnackige Reichstag.

„La, Verräter! Wo sind die vielen Millionen geblieben, die du widerrechtlich verausgabt hast?
Sprich oder es geht dir an den fragen!"

„Verzeihung, Exzellenz, für Ihr so liebenswürdiges Entgegenkommen sagen wir untertänigsten Dank!"

~s> Streift! <5~

stoch die Jäckel! Sie leuchte mit grellem Schein
ln die tiefen der Erde, ins Koblengestein!

Die dort fronden bei spärlichem grubenlicht,
Männer und Knaben mit magerm, blassen Sesicht,
Stets von der Lücke schlagender Wetter umdroht:
wer gleich ihnen erwirbt sich so schwer das Brot?
wer nimmt stündlich dafür den Cod in Kauf?
Glück auf!

stoch die Jäckel! Erhellt Palast und Saal,

Drin sie hausen bei üppig prangendem Mahl,
Drin sie ruhen, gemästet von Bergmannsscbweiss,
Jaule Bäuche, mit ihrer Sippe Gescbmeiss!

Die sich dünken als protziges „Berren“-Gescblecbf,
Denen vom stimmet verlieben allein das Recht,

Zu vollbringen in tust den Lebenslauf!

Glück auf!

stoch die Jäckel! Ihr Runderttausende, lasst
stammer und Schlegel, und seid bei dem tag zu Gast!
Jreut euch der Sonne, die ihr so lang entbehrt,
Sitzet zu Lisch und ruht am Jamilienberd! [Blut,
Jüblt euch, Männer, als Menschen von Jleiscb und
Lasttiere sonst — euch wächst im Streike der Mut!
Streik die Losung! Sie schar’ euch einig zu staut':
Glück auf!

stoch die Jäckel! Sie leuchte mit blutrotem Schein
In das Elend der Unterdrückten hinein!

Die die werte schaffen mit reger stand,

Tn der Liefe, zu Lag auf Meer und Land:

Dimmer soll’n Sklaven sie sein dem Kapital,

Dem gefrässigen, unersättlichen Baal!

Jäckel, o leuchte den glücklichen Lagen vorauf:

Glückauf! h. s.

VMsefMhung.

„Dein Volke muß die Religion er-
halten werden" — sagte jener Leipziger
Unteroffizier und befahl seinen Rekruten, vor
ihm niederzuknien und ihn mit erhobenen
Händen anzubeten.

Lin Jeffungsörief des Nßnrirh Küffener.

Lieber Kamerad! Ich empfinde es hart,
daß man mich zur Strafe für die photo-
graphische Aufnahme in Ehrenbreitstein nach
Weichselmünde versetzt hat. Hier ist es ein-
fach nicht zum Aushalten! Schon am frühen
Morgen kommt mein Kerkermeister und nötigt

mir ein Fläschchen Danziger Goldwasser auf,
dasich auf seine Gesundheit leeren muß, wenn
ich's mit ihm nicht verderben will. Um neun
Uhr muß ich beim Festungskommandanten an-
treten, der mich ein für allemal zum Früh-
stück befohlen hat. Kaum ist das Frühstück
zu Ende, so kommt der Arzt und verordnet
mir zehnstündige Bewegung, weil mir das
viele Sitzen nicht gut tut. Ich lasse mich nach
Danzig hinüberrudern, um mich dort unter
Standesgenossen zu bewegen. Aber Du kannst
es glauben, daß ich mich immer nach meiner
Gefängniszelle zurücksehne, denn die Hoteliers
und Gastwirte verlangen dort unverschämt
hohe Preise, wenn man in Damengesellschaft
ein separiertes Zimmer benützt, während die
Zelle gar nichts kostet. Es gibt hier wenig
Abwechslung. Die paar Dutzend Brauereien
Danzigs habe ich schon mehrmals durchgekostet,
und die Theaterdamen kenne ich schon in- und
auswendig wie mein Portemonnaie. Mit dieser
Versetzung hat man mir, um es kurz zu sagen,
die ganze Gefangenschaft verekelt, und ich
werde es mir überlegen, noch einmal einen
Untergebenen, wenn er auch mein bester Freund
wäre, totzustechen.

Dein tiefbetrübter Hüssener.
 
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