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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0324
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4894 —

4895

die mit ihrem hellgelben Haare und den sam-
tenen Kleidchen aussahen — wie Tante Ella-
Fritz, einen Säbel umgegürtet, einen Helm
auf dem Kopfe, machte mit seiner Trornmel
einen Heidenlärm. Das einjährige Mädchen
hatte den Bajazzo an einem Beine gepackt und
schlug damit unaufhörlich auf den Boden.

Strahlenden Gesichtes erzählte die kleine
Dreijährige der Tante Ella, das Christkindchen
sei da gewesen. „Klingelingeling hat's gemacht.
Dann sind wir in die Kammer gegangen. Und
dann hat es alles auf den Tisch gestellt. Gelt,
Mama?" fragte es, sich zu ihrer Mutter
wendend, aber dann im Erzählen fortfahrend:
„Schöne goldene Kleidchen hat auch das Christ-
kindchen an! Das kommt auch vom Himmel,
gelt, Mama?" , ,

Verstummt waren die Glocken des Domes,
als Ella das Haus wieder verließ. Das „Christ-
kind" hatte keinen roten Heller mehr in der
Tasche. . . .

Nun schritt es in die kalte Winternacht
hinaus, der Zeil zu — Menschen zu suchen.

_E.F.

Der TDörder und der Priester.

Gin Mörder, der zum tod verurteilt war,
erhielt in seiner Zelle den Besuch
Des Pfaffen, dass er beichte und sich würdig
5ür seinen Gang zum Balgen vorbereite.

Der Mörder hatte unterdes mit Jleiss
Und llutzen in der beil’gen Schrift gelesen,
im neuen Testament, das jener vorher
Ihm zur Grbauung selbst gegeben batte.

Und er, der nie das Mort des Herrn gehört,

Cas froh-erstaunt die Botschaft nun der Liebe,
Woraus das heil uns komme, wie der Meister
(Jon Uazaretb erbarmend-liebend einst
Der Welt verkündet hat und dafür blutete.

Gr wusste nun: wie gross auch sein Uerbrecben,
Dass weitaus grösser das der andern ist,

Die alle Macht in Händen halten und
So gut als Leben ihrer nächsten zehren,

Den Geist so knebeln wie den Leib bedrücken.
Sein war die Cat— doch sie die Schuldigen.

Getröstet und mit sich im Reinen sass
Gr also da, ein grosses Licht ging ihm
Tm Innern auf, und frei war seine Seele.

Als nun der Pfaffe kam und salbungsvoll
Zu reden anbub von der Sünd’ und Busse,

Der Hölle und dem Gottes-Strafgericht,

Da lächelte er heiter; doch als jener
Zum Beichten und Bekennen seiner Sünden
Auffordert ihn und mit Uerdammnis droht,
Uerfinsterte sich sein Gesiebt zum Grnst
Und zu dem Priester sprach der Mörder streng:

„Wie darfst du lehren, darfst du richten mich?!

6s predigt ja die Liebe, das Uerzeib'n,

An dessen Statt du hier zu stehen vorgibst.

Gr selbst verurteilt, die sich überheben
Und alle die durch Reichtum, Macht und Härte
Des Herzens herrschen, die Gewalt behaupten.

Wohl steht geschrieben auch: Du sollst nicht töten!
Ich tats im Zorn, ich durft’s auch tun aus Dot,

Aus hass und Rache, kurzum wie ein der,

Das seinem Triebe folgt und war ein Tier,
ihr aber kennt und lehret das Gesetz
Und tötet trotzdem — ohne Leidenschaft,

Kalt überlegt — den, der sich eurer Herrschaft
Dicht fügt und das Gesetz verletzt, so mich.

Dun, warum übertretet ihr, dazu
Doch unter seinem Damen, das Gebot
Des Herrn und tut’s bewusst?! Ihr tötet mich,
Und du, der sich den Stellvertreter nennt
Des Mannes, der die Liebe, nicht Uergeltung,
Doch lehrt’ und übte, du bereitest mich
Zum Code vor und du geleitest mich
Zum Mordwerkzeuge, stehst dabei und hältst
Das Bild desjenigen empor, dem du
So furchtbar widersprichst, indem du selbst
Den Mord an mir gutheissend unterstützt!

Wie kommst du, sprich, mit dem Gekreuzigten
Als Blutgebilf’ des Henkers zu dem Galgen?
Erklär’ mir das, denn dies begreif ich nicht;

Und deine Sünde ist’s, die mich empört,

Und deine Seele ist’s, die mir der Gnade
Bedürftig scheint! Glich allen, Henker, sei
Um eure Cat, ums heil der Seele bange,

Dicht mir!“

Der Pfaffe stand betroffen und verwirrt
Und schwieg bedrückt, als jener weiter noch
Das Wort des Herrn ihm aus der Schrift erklärte,
Begeistert, wie erleuchtete es tun.

Und als die Stunde um war, hatte jener,

Dicht dieser, ein verlor nes Schaf bekehrt.

Der Pri.ster ging, wohl für den Augenblick
Gebessert und wohl dauernd klüger, fort,

Den andern aber — hing man unbussfertig.

Johannes IDendelin.

Berechtigter Einwand.

Mars, der Kriegsgott, erklärte sich bereit,
den Frieden vor allen drohenden Angriffen zu
beschützen..

Das ist sehr lieb von dir, meinte der Friede
dazu, aber wenn du das immer mit dem ge-
ladenen Gewehr in der Hand tust, so befürchte
ich, daß ich bei dem nächsten Angriff von dir
als erster erschossen werde.

Antwort.

Wie Brandung schlug an eines Schlosses Tor
Der Schrei des Volks ums teure Brot empor
And in die Bitten mischte sich das Fluchen.
Nur dem Prinzeßchen wollte diese Not
Nicht in das Spatzenköpfchen: „Fehlt's an

Brot,

Ja, warum ißt man denn da keinen Kuchen?"

Der Schrei des Volkes um die Fleischnot schrillt
And mit des Sturmes Dröhnen überschwillt
Er See und Wald, die Berge und die Äügel.
Der truthahnköpf'ge Junker aber spricht:
„Paßt euch der Preis des Schweinefleisches

nicht.

So kaust Forellen euch, Wild und Geflügel!"

Die Königswahl.

Das norwegische Volk hat bekanntlich seinen
bisher funktionierenden König plötzlich ent-
thront und entlohnt. Die Monarchisten aller
Länder waren mit Recht empört über dieses
Vorgehen, denn die Entlassung fand ohne Rück-
sicht auf den üblichen Kündigungstermin statt,
und trotz langjähriger Dienste wurde sogar die
Ausstellung eines Führungsattestes verweigert.

Jedenfalls standen die loyalen Norweger nun
vor der bitteren Notwendigkeit, sich einen neuen
König mieten zu müssen. Da solche Stellungen
meistens die Vorzüge einer auskömmlichen Be-
soldung, guten Behandlung und sehr geringen


Dezemberabend.

Von Ll. Fiebiger, München.

geistigen und körperlichen Anstrengung in sich
vereinigen, so war es kein Wunder, daß täglich
zahllose Bewerbungen um den vakanten Posten
in dem norwegischen Thronvermietungsbureau
entlaufen. Besonders stark war das Angebot von
seiten beschäftigungsloser europäischer
Prinzen, in deren Kreisen ja der Mangel an
aktiver Betätigung der vorhandenen Talente
stets als besonders drückend und beschämend
empfunden wird.

Bei der engeren Wahl gewann ein gewisser
Karl aus Kopenhagen die meiste Aussicht auf Be-
rücksichtigung seiner Offerte. Allerdings waren
— jedenfalls durch unlautere Konkurrenten —
allerhand beleidigende Gerüchte über gewisse
körperliche Fähigkeiten des Kandidaten ver-
breitet, aber ein Attest des Kopenhagener
Hofarztes, das dem norwegischen Minister
Michelsen vorgelegt worden ist, hat alle diese
häßlichen Gerüchte glänzend widerlegt. Von
gut unterrichteter Seite ist uns der Inhalt
dieses Attestes zur Kenntnis gebracht worden
und wir halten es für angemessen, die hoch-
wichtigen Tatsachen, die es mitteilt, einer

breiteren Öffentlichkeit zu übergeben: Karl
verfügt also nach dem ärztlichen Befund über
eine ungemein muskulöse Zepterfaust, und
seine Schädelknochen besitzen die zum Tragen
der schweren Krone unerläßliche majestätische
Widerstandsfähigkeit. Da er einen leiblichen,
ehelichen Sohn bereits selbständig erzeugt hat,
so erscheint auch ein gesegneter Bestand
der Dynastie garantiert. Nach diesen Rich-
tungen hin dürften also keinerlei Einwände
gegen die erhabene Person des neuen Mon-
archen erhoben werden können. Dagegen war es
anfänglich nicht gelungen, eine andere, nicht
minder wichtige Frage zu befriedigender Ent-
scheidung zu bringen. Die erwähnte ärztliche
Untersuchung hatte nämlich leider keinen defini-
tiven Aufschluß darüber gegeben, ob Karl auch
richtig von Gottes Gnaden ist. Da die
medizinische Wissenschaft in dieser Hinsicht
versagte, hat sich, wie wir hören, das nor-
wegische Ministerium alsdann an die theo-
logische Fakultät der Universität Christianiä
mit der Bitte um ein diesbezügliches Gut-
achten gewandt. Der Bescheid der Fakultät

lautete: Der liebe Gott habe sich über die
Frage noch nicht schlüssig werden können; er
wolle die Entscheidung, ob Karl von seinen
Gnaden sein werde, erst treffen, nachdem die
norwegische Volksabstimmung vollzogen wor-
den sei. Werde Karl vom Volke gewählt — der
liebe Gott hegte darüber anfänglich sehr skep-
tische Ansichten—,so sei er zweifellosvonGottes
Gnaden; fällt er durch, so ist er es eben nicht.

Schließlich mag noch ein Punkt erwähnt
werden, der geeignet ist, die Persönlichkeit
des in Rede stehenden Karl seinen neuen
Untertanen als besonders verlockend erscheinen
zu lassen. Karl ist ein Schwiegersohn des
bekannten Eduard von England — ein Um-
stand, der für die auswärtige Politik Nor-
wegens von den allerheilsamsten Folgen sein
dürfte. Denn angesichts des in souveränen
Häusern traditionell herrschenden, den
Untertanen stets als leuchtendes Muster vor-
geführten pietätvollen Familiensinns
müssen, dank der nahen verwandtschaftlichen
Beziehungen des zukünftigen norwegischen
Staatsoberhauptes zu dem erlauchten Träger

der englischen Krone, zum Beispiel irgendwelche
kriegerischen Verwicklungen zwischen
England und Norwegen als ebenso absolut
ausgeschlossen betrachtet werden, wie etwa
zwischen England und Deutschland, deren
Beziehungen aus dem gleichen Grunde be-
kanntlich stets die denkbar besten und freund-
schaftlichsten sind und bleiben werden. Z. S.

Er kennt ihn.

Professor vr. Kräkelbein, eine national-
liberale Parteigröße, war beim Verlassen einer
Sitzung des Flottenvereins dieTreppe hinunter-
gefallen.

Während sich alles um ihn bemühte, lief
der Präsident ans Telephon, den gemeinsamen
Hausarzt anzuklingeln:

„Um Gotteswillen, Doktor, kommen Sie
schnell! Der Herr Geheimrat hat anscheinend
das Rückgrat gebrochen."

„Unsinn!" schallte es zurück, „behandle Pro
fessor Kräkelbein seit zwanzig Jahren. Er hat
nie eins gehabt!!"
 
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