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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0341
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4912

Angewandte Naturgeschichte.

(Zu nebenstehendem Bilde.)

Er war vom Lande. Was besagen
will, daß er mit Viehzeug umzngehen
ivußte, wie nur einer. Er hielt dem Ge-
ineindebullen sein rotes Taschentuch vor
die Nase, um ihn wütend zu machen, klet-
terte dann rasch auf den nächsten Baum
und lachte ihn aus. Denn er war ein
Spaßvogel.

Aber er hatte auch Forschungstrieb.,
Er wollte gerne wissen, ob das auf
Menschen auch so wirkt. Da mußte er
nach der Stadt zur Musterung. Auf der
Hauptstraße zog er sein Tuch und fuch-
telte damit herum. Bald kam der Erfolg.
Ein Schutzmann sprang auf ihn zu. Das
war ganz wie beim Gemeindebullen, und
Jochen kletterte auf die nächste Laterne.

Der Schutzmann umkreiste sie lauerw
den Blickes:

„Sie . . . kommen Sie runter da, Sie
— Mäuneken!"

Aber Jochen wollte nicht. Er'fürchtete
sich vor der Helmspitze.

Man mußte schließlich die Feuerwehr
holen. Jochen wurde der Militärbehörde
als Sozialdemokrat überwiesen.

Regenten-Sorgen.

Dem wegen seiner Weisheit und Her-
zensgute allgemein beliebten greisen Herr-
scher eines vielsprachigen Reiches hielt
sein Ministerpräsident Vortrag über die
unabweisbare Notwendigkeit, das allge-
meine Wahlrecht einzuführen. Mit
derselben wohlwollenden Aufmerksamkeit,
mit der der Monarch eine Woche früher
— ehe die Drohung des Generalstreiks
aufgetaucht war — einem Vortrag des-
selben Ministerpräsidenten über die un-
abweisbare Notwendigkeit, das allgemeine
Wahlrecht zu versagen, gelauscht hatte,
hörte er auch diesmal zu, setzte dann
seine Brille auf und Unterzeichnete freund-
lich lächelnd die Kabinettsordre, die den
Ministerrat zur Einbringung der betreffenden
Regierungsvorlage ermächtigte. Und das
wichtige Dokument dem Ministerpräsidenten
reichend, sagte er: Aber um aans mueß I
Eahnen bitten, liabcr Baron Plausch. Wann
jetzt dös Woahlrecht ganz allgemein wird und
I alsdann aa wähln gehn muaß — nachher
sans so guat und sagns nier a jedsmal, wem
I wähln soll. Denn, meiner Seel, in dera
Politik kenn' I mi scho lang nimmer aus!

—Fritz.

Hamburg b. St. Pauli,
Dezember 1905.

Werte Redakschon!

Indem es sich so ge-
hören tut, komme ich
auch mit meine herz-
lichste Gratulatschou
zu dem neuen Jahre,
was aber kein leerer
Wahn ist, sondern auf-
richtig gemeint, wie
schon Schiller sagte.
Und indem ich hier
neben und bei die Gelegenheit einen Blick
werfen muß auf alles, was im abgelaufenen
Jahre passiert ist, so muß ich schon sagen,
schön war's nicht, versteht sich mit Ausnahme
von dem „Jacob", ivo immer schöner wird,
wenn nur der Rata Langa nicht immer den

... und Zöchen kletterte auf die nächste Laterne.

deutschen Bauern, wo er malt, italjensche
Köpfe aufsetzen täte, und so.

Jedoch was meinen Kopf betrifft, so steht
der noch richtig und wird nur mal schiver, aber
das ist unzertrennlich vom Gewerbe eines Köm-
Insulaners und nehme ich mit Ergebung hin,
wie ich auch von der werten Redakschon hoffe.

Denn wenn man nicht bei die Zeiten ab-
wechselnd mal einen nördlichen Grog nimmt,
so geht einem regulär die Puste aus. Ich
denke nämlich so au die Fleischnot und die
Schweinenot und an die Pod-Not, und so;
doch davon abgebrochen.

Als befahrener Mann will ich nämlich jetzt
von die nautische Zukunft sprechen und von
die Schiffe, wo wir kriegen, denn daß die der
Reichstag bewilligt, „dor kannst op speien",
wie wir an de Waterkant uns bildlich auszu-
drücken belieben. Also bekommen tun wir sie
schoil; aber behalten — „ne, min godeu Mann!"
Denn warum? Daß der Eugelschmann sie
wegkapert, glaub' ich nicht und hat er auch
nicht nötig, weil unsere Kriegsnautiker immer
so'n paar haben, wo die ollen Schuten hübsch
sachte zu Grund bringen und dann natürlich
nichts davor können, denn sie haben alles so
gemacht, wie das int Buche steht, und die
Matrosen sind ersoffen. Was aber die deutsche
Industrie ist, nämlich der Krupp und der
Blohni und Boß und der Vulkan, die wird
allemal gehoben, wenn ein Schiff sinkt, denn
natürlich muß ein neues dafür gebaut wer-
den, dalnit >vir nicht wehrlos sind, und so.

Die werte Redakschon sollte aber doch
mal Herkommen und ihren Augen-
merk auf den Nordostseekanal richten,
wo mit der Flotte innig zusammen-
hängt, denn da muß sie durch., Das
ist nämlich ein Wassergraben und links
und rechts stehen die Ochsen und fressen
Gras und heben die Köpfe auf, wenn
ein Panzerschiff durchgeht, und grüßen
die Kriegsnautiker ganz kameradschaftlich,
denn sie sind auch ganz natschonale
Ochsen. Aber, was nämlich die eigentliche
Sache ist, der Wassergraben ist viel zu
schmal für die Schiffe, wo gebaut werden
sollen, und muß natürlich verbreitert
iverden. Und nun soll die geehrte Redak-
schon aufpassen, denn jetzt verrate ich
ein staatsmännisches Geheimnis, wo un-
ser Bernhard im Sommer schon in Flott-
beck einer alten Frau anvertraut hat, wo
auch bei mir reinmacht, weil ich Witwer
bin. Nämlich die Regierung sagt gar
nichts in ihrem Etat vom Kanal und was
das kosten tut, wenn man ihn verbreitert
und rechts und links die Mauern um 'n
paar Meter zurücklegt und so den Ochsen
wieder ein Stück ihrer natürlichen Nah-
rung nimmt. Und warum die Regierung
nichts sagt, das ist eben das staats-
1 männische Geheimnis vom Flottbecker

» Bernhard. Der hat sich näinlich die Sache
* mit dem bekannten Obernautiker, wo

immer so famose Einfälle hat, überlegt,
und da haben sie einen Plan gemacht
— oha! Die Verbreiterung kostet nichts,
gar nichts, und der Obernautiker besorgt,
sie allein und macht sich seine Sommer-
pläsier daraus, anstatt einer Reise. Wie-
so? Einfach und schneidig-- äh! äh!

Also der erste Kasten wird gebaut,
stark gepanzert natürlich, so'n 750
Millimeter-Stahlblech voin seligen König
Stumm. Und dann der Obernautiker
drauf, auf die Kommandobrücke natür-
lich, und nach Brunsbüttel. Schleuse wird
passiert — Kleinigkeit! Aber nun
kommt's. Nach ein paar Minuten Fahrt
beginnt der Kanal. Zu eng natürlich, um
zwei oder drei Meter. Und da zeigt sich, was
ein Schenieh uns an Kosten sparen kann. Der
Obernautiker gondelt also zurück, grad so, wie
wenn ein Junge einen Anlauf nimmt. Als-
dann kommandiert er: „Volldampf voraus!"
und mit seinen vierzig- oder fünfzigtausend
Pferdekräften rennt das Panzerschiff mang die
Mauern. Krach! Und die Schute sitzt ein-
geklemmt zwischen die Mauern. Aber sie würgt
sich wieder los und geht zurück. Neuer An-
lauf mit Volldampf! Und allemal werden 'n
Dutzend Meter Mauern um 'n paar Meter
ins Land hineingedrängt, denn der Klügere
gibt nach, und das ist natürlich das Ufer-
land. So drei, vier Tage Rammen hält ein
moderner Panzer schon aus; dann ist er hin
und gibt neue Arbeit für die natschonale Indu-
strie. Der Obernautiker nimmt eine zweite
Schute, eine dritte und so weiter, bis er den
ganzen Kanal längs die Mauern auseinander
gezwängt hat.

Daraus kann die geehrte Redakschon sehen,
daß erstens der Dreizack in der richtigen Faust
ist und zweitens der Bernhard alle Sparsam-
keitspläne mit Freuden begrüßt. In der Hoff-
nung, daß auch den verehrten Lesern, wo die
neuen Kasten mit Tabak- und Biersteuer be-
zahlen müsse», somit eine rechte Neujahrs-
freude beschoren wird, schließe ich in diesem
Sinne als der Redakschon achtungsvoller
Claus Swartmuul
befahrener Nautiker und Fleegenwirs.
 
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