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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0054
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— 4964

Zöllners Lrnteöanklied.

Blüh' und wachse, Bauerntreue,

Die in unfern Kerzen schlief,
wachs' und blüh'! Ls weckt' aufs neue
Heute dich der Zolltarif!

Frohsinn herrscht inr Bauernherzen,
Das noch jüngst von Unmut schwoll,
Seinen Kummer, seine Schmerzen
Sänftigt der Getreidezoll.

Mäßigt, Brüder, das Geschimpfe —
Unsre Saat ging herrlich auf:

Ueber proletarierrürnxse
Nehmen wir den Siegeslauf!

was uns trutzte, liegt in Banden,
Nieder brach, was uns bekriegt';
Schlot und Ünote ward zuschanden,
Und der Flegel hat gesiegt!

Unsres Winkes harr'n die Fronten
Der Minister, dienstbereit,

Die uns früher „sonst was konnten",
Meißen Bundesbrüder heut!

Jubel folgt dem gift'gen Hohne
Und des Aufruhrs Stimme schweigt,
Nimmer wackeln mehr die Throne,
Seit das Vieh im Preise steigt.

Unter nationaler Führung
Stehen wir, als Schirm und Schild,
Fest und treu zu der Regierung,

Die uns unsre Taschen füllt.

Darum heut am Erntefeste
preist mit uns den lieben Gott,
Oertel mit der weißen Weste,

Bülow und den edlen pod!

Blüh' und wachse, Bauerntreue,

Die in unfern Kerzen schlief,

wachs' und blüh'! Ls weckt' aufs neue

Heute dich der Zolltarif! 3.3.

Jn der SträflingsjacHe.

Motto: An einen Tolstoiübcrfetzer.

Du bist dem Deutschen nicht gewachsen,
Doch jetzo, denk' ich, lernst du's bald,
Sibirien übersetzt man Sachsen,
Stznod, das heißt der Staatsanwalt,

„Lin Jahr neun Monat — Bombenelement!
Doch halt! Zn Sachsen ist es ja verboten,
Sich zu verwundern — freilich nurden Roten!
Sonst sagt'ich: Wahrlich! Dieses Parlament
Hat ein Gewissen — nun, was sagen wir.
Daß wir nicht auch —? Run, wie ein Stück
Papier!

Ls braucht ja grade nicht gan; weiß zu sein.
Und welchem Zweck es dient, wird nicht ver-
raten,

Gb draufgeschrieben wird, ob ganz im stillen
Man es verwendet zu verschwiegnen Taten,
Die keiner sehen darf/' „Um Gottes willen.
Halt ein! Sonst kommt er wieder!" „Wer
denn? Wer?"

„Was fragstdu lang? WirssndinSachsen!Lr!"
„Ach so! Zetzt weiß ich, wen du meinst —
den Mann,

Der von Amts wegen sich entrüsten muß,
Wenn man die Wahrheit sagt, und der es
kann!

„Wer Pfeife raucht, braucht einen Zidibus,
Sie anzuzünden, und der Vater Staat
Ist — glaub es mir — ein starker Raucher,
Drum

Hat er gar viel-ich bitt'dich, Zreundchen:

Rat

Mal selber, was ich sagen wollte! Krumm
Sind meine Worte heute; denn die graden.
Sie führen schnurstracks — in die Sommer-
frische,

Ganz recht. Man kann sich dort auch manch-
mal baden —

Man muß sogar. Und von dem kleinen Tische

Blickt man empor —ich weiß es noch genau —
Und steht ein winzig Stückchen Himmelblau,
Und — daß der Staatsanwalt das nicht
verbot! —

Am Abend wird das Stückchen Himmel rot!

„Doch Scherz beiseite! Wenn die Toren
glauben,

Sie könnten uns damit die Freiheit rauben,
So muß ich lächeln. Wenn das Lisentor
Ins Schloß fällt — 0, noch klingt mir leis
im Dhr

Der hohle Ton! — so schwört ein jeder neu
Den Zahneneid: „Der Zreiheit bleib'ich treu!"
Weil ihr zum Dieb und Mörder uns gesteckt.
Meint ihr, auch unsre Ehre sei befleckt!
Ihr Toren! Ach! Wie habt ihr euch genarrt!
Seht ihr, wie plötzlich Schande Lhre ward?

„Das ist der Weltgeschichte bester Witz:
Zum kleinen Nietzsche wurde die Justiz,
Umwerter aller Werte — wie gescheit!

Die Sträslingsjacke ward zum Ehrenkleid
Rur weiter so! Und macht uns alle stumm!
Dann geht als Ge i st die Zreiheit nächtlich um,
Zn tausend neuen Köpfen spukt sie — Ach!
Und dann, ihr Herrn, dann kommt der
große Krach!

Und wer ist schuld daran? Wiretwa? Wir?
G nein, ihr Herrn, die Schuldigen seid ihr!"

Helvelicus.

Eiir guter Fang.

„Herr Kommissar — wir haben ihn!"
„Gott sei Dank! Na, es war auch hohe Zeit!
Er hat wohl erst noch feste um sich geschossen?"
„Nee, er ging ganz ruhig mit."

„Was Sie nicht sagen . . . dieser abgefeimte
Raubmörder??"

„Nee, der sozialdemokratische Flugblatt-
verteiler!"

Der Mensch ist, was er ißt.

Im Zirkus Busch hat der dicke Ortet vom
Bund der Landwirte seine heurige Fasten-
predigt gehalten: „Die grüne Internationale
gegen die rote: Bauernstand gegen Sozial-
demokratie!"

Die rote Internationale nennt sich bekannt-
lich nach dem Morgenrot der Freiheit, die sie
erstrebt.

Und die grüne vermutlich nach dem Klee,
den sie frißt.

Der Reichs„kater".

Heurigen Aschermittwoch gab's sehr viel
Katzenjammer. Das größte Katertier von ganz
Berlin jedoch kratzte frühmorgens unter kläg-
lichem Miau an der Tür zum Reichskanzler-
palais, wo die Reinemachefrau es vergebens
zu vertreiben suchte. Fürst Bülow sah aus
dem Fenster und meinte: „Lassen Sie ihn nur,
liebe Frau — er geht doch nicht weg. Und
schlagen Sie ihn nicht so, sonst kriegt er am
Ende noch Junge!"

Zirkus Blisch.

Welch sonderbarer Anblick bot
Sich dar: sie leiden keine Not!

Man hört nicht die Agrarier schrein
Wie sonst — ja kann das möglich sein?
Zufrieden sind die Nimmersatten?

Wie ging das eigentlich von statten?!

Pst! Pst, dem Frieden ist zu traun
Mit nichten! Sie verdaun und kann.

Sie schmatzen noch am Zollbukett;
Vorläufig ist ihr Wanst komplett!

Es kommt die Zeit, da er geleert.

Worauf die Weise wiederkehrt.

Und von der „Not des Landwirts" schrein
Körst du sie laut — tagaus tagein! Ei.
 
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