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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0014
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-• 5298

Das etnläutcn flcr Kcichztagzwahl.

Vagei Bülow — Vagei Bülow — vagel Bülow!

ver Eroberer.

(Ion Semler, dem liberalen Rclden,

(U erden einst Dichter und Sagen melden:

€r hätte mit Schläue und Bedacht
Beinahe Fernando Po gebracht!

Zu unsrer kolonialen Pracht!

€in Farmer — ein Konsul — ein niedlicher
Putsch —

Durra! Und die spanische Flotte ist futsch.
Die eiserne Faust des Michel droht
Und über der Insel — Schockschwerenot,
UJebt dann die Flagge schwarz--wei$$=rot!

Die nationalliberale Fraktion
Beratet über ein Denkmal schon:

(Deit in die Lande soll es blinken,

Reld Seniler wird von oben winken,

Den Arendt zur Rechten und Paasche zur
Linken. p.e.

Hamborg bei St.Pauli,
Ende Dezember.

Werte Redakschon!

Indem ich mich als
freiwilliges doppeltes
Agitationsbüroh kon-
sterniert habe, ist auch
das mit die Zeit 'n
btißchen knapp gewor-
den, aber was sein
muß, muß sein. Wer
die Wahl hat, hat die
Qual, und wir Hamborgers haben sie doppelt,
denn wir wählen proportschonal für die Bürger-
schaft, was unser partiekoloristisches Parlament
ist, und für den Reichstag, wo noch das sinn-
gulare Wotum maßgebend ist. Die fremden
Wörter muß die Redakschon ergebenst ent-
schuldigen; aber ich bin jetzt so mittenmang
im Wahltechnischen und muß das jeden Tag
den Gästen auseinanderpuhlen, wobei ich
immerlos in die gehobene Ausdrucksweise
hineinkomme und am Stammtisch mächtig
importiere. Aber fein wird's, und wenn sie
die Urnen (wo aber hier viereckige Kisten sind)

umkippen und sich den Schaden besehen, dann
kiekt liebsterwelt mit höhnischem Grinsen die
rote Gefahr heraus und der öberste von die
Senators telegraphiert nach Berlin: „Majestät,
Sie werden entschuldigen, aber wir haben
uns hier in die Nesseln gesetzt, welches kein
angenehmes Gefühl ist." Und dann denken
die Senators nach, womit sie Majestät doch
noch 'ne kleine Freude machen könnten, und
dann kommen sie natürlich darauf, als Pang-
dang zum steinernen Bismarck den Bülow
auszuhanen, und weil der Platz doch schon
'n büßchen knapp ist, ihn wie so'n Koloß
von Rhodus mit gespreizten Beinen vor den
neuen Hauptbahnhof zu stellen mit die zarte
Hindeutung auf ein Kaiserwort: „Drunter
durch, nicht drüber weg!" Nämlich die Züge,
wo zivischen die Kanzlerbeine durch müssen,
zum gerechten Abscheu für das Publikum,
wenn es an dem Bahnhof noch nicht genug
hat.

Nach dieser Abschweifung komme ich wieder
auf die Wahlen. Also was das reichstreue
Wahlkomitee ist, das wollte die Agitatschon
mit Lichtbildern und lebende Photographien
betreiben und hat den Doktor Semler auf die
Platte gekriegt, wie er die Flinte in die Hand
nimmt in Südwestafrika und nach die Hotten-
totten ausschaut und furchtbar martzialisch ist.
Er soll nämlich den Hanseaten markieren, wo
Kolonien braucht und verteidigt, und sollte
ein Beispiel sein für den vaterlandsliebenden
Bürger. Bei Sagebiel saß der ganze Reichs-
tagswahlverein und wohnte die Probe an und
freute sich, daß der Doktor Semler so gut ge-
troffen ist und die Landschaft so exotisch und
die Hottentotten so grausam. Und alles be-
weglich. „Doch mit des Geschickes Mächten
ist kein ew'ger Bund zu flechten", und auf
einmal lachte der ganze Reichstagswahlverein.
Warum? Der vorderste von die Hottentotten,
auf den der Doktor Semler eben sein Schieß-
gewehr anlegte, griff in diesem dramatischen
Momang in die Patrontasche und holte sich
einen deftigen „swarten Krusen" heraus, und
rein in die rechte Backe achter de Kufen, nach
dem alten Hamborger Wahlspruch:

Wer Gott vertraut und Tabak kaut.

Hat immer dicke Backen!

Wodurch natürlich der ganze Effekt und die
ganze Kolonialbegeisterung zerstört war, denn
jetzt war es deutlich, daß die Hottentotten
nur angestrichene Hopfenmarktslöwen sind,
wo sich zu dem glorreichen Abenteuer von
Doktor Semler hergegeben haben für fünfzig
Pfennig.

So ist das reichstreue Komitee unr seine
- Agitatschon gekommen und muß sich jetzt mit
dem gesprochenen und geschriebenen Wort be-
gnügen, und das letztere hat schon ein Sieb
verstopft, indem die Hamborger natschonales
Papier immer hinterlistig anwenden und unsere
Kanalisation auf solchen Massenandrang nicht
eingerichtet isst.

Jetzt wollen sie es noch probieren und ihre
Kontorjungen in Schutztrüppleruniformen niit
gelben Stiefeln zur Entzündung des Furor
teutonicus herumlaufen lassen, aber die Bengels
können keinen Grog vertragen und die Schul-
kinders sind hinterher und singen: „Bring'
dat Swien na'n Swienmarkt hen — he! —
he! — he!" Womit der Zusammenbruch der
Kolonialpolitik komplett ist.

Zur demnächstigen doppelten Siegesfeier
ladet die Redakschon ein

Claus Swartmuul,
Köhminsulaner

mit doppelter Agitatschonskrast.
 
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