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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0026
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)

Gin Zweifler in den Rinterwäldern.

Mein Berz ist schwer und kummervoll:

Ich weiss nicht, wen ich wählen soll.

Das Zentrum wird mir lebhaft empfohlen,
fluch rühmt man mir die tilgend des Polen;
Mit mächtigen Morten glänzen und prahlen
Die vortrefflichen nationalliberalen,

Und neulich am Stammtisch traf ich zwei.

Die gehörten zur freisinn’gen Uolkspartei,
Sie priesen begeistert, voll und ganz,

Den Dernburg als Retter des Uaterlands,

Sie sprachen von Kolonialbilanz

Und sangen „Reil dir im Siegerkranz“. —

Dagegen raten dringend und warm
Das Kreisblatt, der Landrat und der Gendarm,
Ich solle den frommen und kreuzfideien
Konservativen alten Grafen wählen,

Der schon seit lange eifrig und mit
Erprobter Kraft den Mahlkreis vertritt.

Doch habe ich leider in allen den Jahren
Die etwas von seinem Mirken erfahren,

Und ich vermute, er sitzt bei Bier
Und Mein in Berlin genau so wie hier
Auf seinem verschuldeten Rittergut,

Mo er nichts als prügeln und saufen tut. —

Uott den Roten hab’ ich manches vernommen,
Dochistmirnoch keiner vorflugen gekommen:
Jim Dorftor schon nimmt der Gendarm sie fest
Und schleppt sie gebunden in den Jlrrest —
Ulan liest das später im Mahlprotest,

ÜJenn die Sache sich nicht mehr ändern lässt.
Und im Kreisblatt steht, dass ein braver Mann
Durchaus keinen Roten wählen kann,

Meil der unser Geld uns rauben will
Und an keinen Gott nicht glauben will,

Und Lag und Dacht nur danach strebt,

Dass die christliche Ehe er untergräbt,
fluch hat er in seinen Ulussestunden
Die Rindspest und die Crichinen erfunden. —

Kurzum: Mer kann meine Zweifel heben?
Giern soll ich meine Stimme geben?

Mer wird mein Kandidate sein?

Da, plötzlich, fällt mir etwas ein!

Ich las vor kurzem von einem Beiden,

Uon dem alle Blätter nur rühmliches melden,
Der in der Jetztzeit trüber Dacht
Des Frohsinns Leuchte angefacht,
niedagewesenes vollbracht,

Das Uaterland berühmt gemacht,

Uon dessen Laten die Spalten voll.

Jetzt weiss ich, wen ich wählen soll!

Ich tret’ an die Urne mit stolzem Blick
Und wähle — den Bauptmann von Köpenick!

, 3- S-

Prophezeiungen für das Jahr 1907.

Die Roten überbringen ei» Geburtstags-
geschenk von vier Millionen — Stimmen.

Erzberger bestellt Myrrhen für die Zen-
trumsleiche.

Bllloiv wird in den Grafenstand zurück-
versetzt, bleibt aber Kanzler.

Die preußische Regierung verspricht zur
Erzielung besserer Stichwahlen, für je einen
gewählten Ordnungskandidaten ein Schwein
über die Grenze zu lassen.

Die Wähler haben jedoch die Schweinerei
satt und wählen gegen die Regierung, der da-
für der Trost bleibt, daß der Sultan von
Marokko seinen Gegenbesuch in Berlin macht.

Der Berliner Tiergarten und die Linden
werden dazu geheizt. Die Schulen haben frei.

In Zarskoje Sselo explodiert eine Höllen-
maschine. Der Zar kommt auf diese Weise
auch einmal an die Luft.

Ein neuer Hohenzollernprinz wird geboren.

Zentrum und Freisinnige beantragen darauf-
hin, die Zivilliste zu verdoppeln. Lasker und
Windthorst drehen sich im Grabe herum.

Bülow kriegt den Fürstentitel wieder.

Peters wird Kolonialdirektor und erhält
eine Ehren-Nilpferdpeitsche mit goldenem Griff
und Brillanten.

Arendt wird Missionsdirektor in Süd-West.

Die serbische Regierung bestreitet, daß der
Kronprinz Karageorg den Verstand verloren
habe, mit der einfachen Erklärung, daß er
nie einen besessen. ,

Es wird festgestellt, daß Biewald sich selber
die Hand abgehackt hat, um die Breslauer
Polizei zu kompromittieren. Er wird verhastet.

In Westpreußen wird ein Volksschullehrer
gefunden, der Über einen Zentner wiegt.

Bülow hält eine donnernde Rede gegen
Grenzverletzungen seitens — Luxemburg und
droht mit dem Einmarsch einer preußischen
Kompagnie.

Zentrum und Freisinnige jubeln am lautesten
und erhalten die Erlaubnis, die neuerdings
verliehenen Regierungs-Livreen zu tragen.

Lasker und Windthorst drehen sich noch ein-
mal im Grabe herum und liegen nun wieder
richtig.

Die Firma Krupp berechnet ihren Rein-
gewinn auf 100 Millionen Mark. Zur Feier
des Tages wird ein Telegramm nach Berlin
geschickt und den Arbeitern ein zehnprozentiger
Lohnabzug mitgeteilt.

Bei dem feierlichen Einzug des Fürsten von
Monako begeht Kirschner die Taktlosigkeit,
zum Schluß seiner Rede: „Ressieurs, l'aites
votre jeu“ zu sagen.

Stöcker pumpt den Fürsten um 60000 Mark an.

Die Berliner Schulen erhalten zur Feier frei.

P. E.

Büloius Peil).

Die Bondelzwart, die Bondelzwart,

Die haben sich ergeben . ..

Sie taten nie was dümmeres
In ihrem schwarzen Lxben.

Man hat so überzeugungstreu,

Man hat so schön gesungen:

„Wir lassen nimmermehr im Stich
Die braven deutschen Jungen!"

„Gen schwarze Wehr für deutsche Lhr!"
Schrie Zarmer und Minister.

Ls kriegte eine Gänsehaut
Lin jeder Reichsphilister.

Welch' neuen Schwindet schreiben wir
Run aus die Wahl-Standarten?

Konnten die schwarzen Lsel nicht
Bis — nach den Wahlen warten??

vergeben will ich gern, daß sie
Ausstanden eigenmächtig.

Doch daß sie meine Wahl verpfuscht.
Das find' ich niederträchtig . ..

Man sollt' nach guter deutscher Art
Die schwarze Brut versohlen!

Die Bondelzwart. die Bondelzwart,

Die soll der Teufel holen!! p.r.
 
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