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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0029
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5314 .

den, wie man uns müteilt, politisch nicht ganz
zuverlässige Rekruten abwechselnd zum Ordo-
nanzdienst bei' den LiebesMahlen und Jeu-
abenden des Offizierkorps' abkommandiert.
Einzelne dieser Leute sollen bereits erklärt
haben, sie hätten sich bei diesen Gelegenheiten
eine solche Fülle wertvoller Kenntnisse er-
worben, daß sie nunmehr auf die Lektüre auf-
reizender Schriften verzichten würden. I.

An einen Unzufriedenen.

Was willst du nur? Was murrst du noch?
Gibst du dich nie zufrieden?

Last du nicht Rechte schon genug
And Freiheit auch hinieden?

Doch abseits stehst du und erkennst
Nicht dankbar an das Gute —

Bedenke, deine Väter noch
Die seufzten unter der Knute.

Die Scholle der Leimat hielt sie fest
Mit klammernden Organe» --
In harter Fron um karges Brot
Verkümmerten deine Ahnen.

Da schufteten sie, tagein, tagaus
In strenger Reglementierung —

Wie aber hat sich's gewandelt seitdem
Durch Gottes gnädige Führung!

Der unerträgliche Druck und Zwang,

Nichts ist von ihm geblieben —

Den Ort, wo du verhungern willst.

Den wählst du dir heut nach Belieben!

Du wanderst in die Welt hinaus.

Soweit nur dich tragen die Füße —':

Ein freier Bürger, atmest du
Die Freiheitslust, die süße.

Die Freiheit ist ein köstlich Gut,

Weit besser als Reichtum ist sie —

Im deutschen Vaterlande hat
Der Jude und der Christ sie.

Du darfst, wie dir der Schnabel wuchs.

Frei deine Meinung sagen.

Das keckste Wörtlein sage dreist,

Du kannst es furchtlos wägen.

Vom Emir von Afghanistan
Behaupte, daß er ein Schuft ist.

And sage, daß dir die Religion
Der — Botokudcn Luft ist.

Kein Richter und kein Staatsanwalt
Wird dich deshalb bestrafen -
Weil uns die Freiheit gesichert ist
In gesetzlichen Paragraphen.

Doch ist es ratsam und hat sich bewährt.
Die Stimme ein wenig zu schonen.

Wenn du — vom Vaterlande sprichst
And seinen Institutionen.

Zieh' über die Botokuden los
And Türken und Leiducken —

Was du über Deutschland zu sagen hast,
.Versuch' es hinunterzuschlucken!

Zwar — Gott sei Dank! — es weht bei uns
Der Freiheit belebender Lauch noch.

Doch haben wir — vergiß das nicht! —
Zuchthäuser und Festungen auch noch!

Sprich frei von der Leber, niemand wird
Daran dich hindern — — ich dacht' es!

Denn duldsam ist der preußische Staat-

Nur sage von ihm nichts Schlechtes! A. D.

Pariser Leben.

Hochwürden und seine Tochter in Differenzen, die zur Abtötung der Fleischeslust stark beitragen werden.

Kommiß-Politik.

Neuerdings sind aus militärischen Kreisen
mannigfache Stimmen laut geworden, die ans
die iinmer dringender werdende Notwendigkeit
Hinweisen) den sozialdemokratischen Uintrieben
im Heere durch eine angemessene dienstliche
BelehrungderSoldaten zu begegnen. In
sozialpolitischen Jnstruktionsstunden soll der
Rekrut über die Vorzüge der gegenwärtigen
Gesellschaftsordnung, über die Fürsorge des
Staates für die arbeitenden Klassen und über
die volksverderbenden Endziele der Sozial-
demokratie gründlich aufgeklärt und so der
revolutionären Propaganda ei» für alle Mal
der Boden abgegraben werden.

Wir begrüßen dieses Projekt mit aufrichtiger
Genugtuung. Schon lange haben wir auf das
lebhafteste bedauert, daß die in den Kreisen
unserer Leutnants vorhandenen Reichtümer an
volkspädagogischer Begabung und politischer
Bildung bisher meistens nur in dem exklusiven
Kreis des Kasinos zur Geltung kamen und nur
in einzelnen, durch schadenfrohe Indiskretion
veröffentlichten Genieblitzen das geistige Leben
der Nation befruchten durften. Dem soll jetzt
abgeholfen werden. Die in den Leutnants-

gehirnen aufgespeicherten Weisheits sch ätze wer-
den hinfort nicht mehr brach liegen undwirkungs-
los verkümmern, sondern in breitem Strome
sich über das deutsche Kulturleben der Gegen-
ivart ergießen; und dank diesen Einflüssen wird
dem dürren Boden des Kasernenhofes eine
neue überraschende Fülle köstlicher Blüten ent-
sprießen.

Wie wir aus sicherer Quelle hören, hat man
in einem vornehmen Regiment bereits die ersten
Versuche mit einer solchen dienstlichen Belehrung
in sozialpolitischen Jnstruktionsstunden ange-
stellt. Der orientierende Vortrag, den der Leut
nant v. Tachtelmeyer seiner Schwadron über
„Die Theorie der schmerzlosen Ohrfeige" hielt,
blieb zunächst ohne merkbaren Erfolg. Dagegen
sollen die moralphilosophischen Erläuterungen,
die derselbe Offizier zu dem volkstümlichen
Thema „Elternliebe und moderne Schießvor
schriften" gab, einen außerordentlich tiefe» und
nachhaltigen Eindruck auf die Empfindungen
der jungen Mannschaft ausgeübt haben. Mit
diesem theoretischen Unterricht ist dann eine
mehr praktische Erziehung Hand in Hand ge-
gangen, indem man den Leuten die Gelegen-
heit zum unbefangenen Studium mustergültiger
Vorbilder erschloß. Zu diesem Zwecke wur-
 
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