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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0033
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5318

Die „zweite Majorität".

Der schöne Bernhard ist ein Diplomat.

Er munkelte mit den geheimen Räten,

And er gelangte zu dem Resultat:

„Das, was uns fehlt, sind zwei Majoritäten.

Die mit dem Zentrum war verläßlich nicht.
Obwohl sie oftmals nützlich und ersprießlich;

Auf Mitregierung war es auch erpicht
And so was ärgert einen Kanzler schließlich.

„Ich hatte soweit ja das Zentrum gern.

Bis aus gewisse radikale Mucken.

Da hilft es nichts: man muß den schwarzen Herrn
Einmal mit Nachdruck in die Suppe spucken.

Wenn einen kleinen Dämpfer sie erlebt
Bekommt man ihre Dienste billig.

And wenn die Stimme ernsthaft man erhebt.

So findet man gefügig sie und willig.

„Seit ich die Junker kugelrund gemacht.

Sind sie gewillt, mir blindlings zu vertrauen.

In ihren Reihen wird nicht viel gedacht.

Stört man nicht ungeschickt sie im Verdauen.

Die Nationalen Hab' ich stets im Sack
And weiß bei ihnen alles zu erreichen.

Sie sind und bleiben stets Bedientenpack
And grinsen dumm sogar nach Backenstreicher:.

„Verstärken wir ein wenig ihre Neihn,

Genug, sie aus der Ohnmacht zu erlösen.

So werden sie wie Stiefelputzer sein.

Zum Guten stark genug, zu schwach zum Bösen.
Zeigt man dem Fortschritt etwas Huld von fern.
So wird er schleunigst Morgenlüfte wittern —

Das „Mannesherz" der „unentwegten" Herrn
Wird wie ein Lämmerschwanz frenetisch zittern.

„Wird aufgewärmt der nationale Kohl,

Wird von den Drein der Landsturm aufgeboteu.
Ergattern wir die paar Mandätchen wohl.

Wenn von den Schwarzen nicht, dann von den Roten.
And meinen Dernburg ruf ich dann herbei.

Der da in Zahlen lügt, wie ich in Worten;
Geschwindigkeit ist keine Hexerei —

Die zweite Mehrheit steigt aus den Retorten!"

Mtzaratzimelaungm.

Berlin.- Da am 25. Januar die Ration noch nicht
altes getan hat, was sie tun sollte, darf bei den Slich-
wahlen nunmehr auch das Militär wählen. Der zu wäh-
lende Abgeordnete wird im parolebefehl tags zuvor be-
kannt gemacht. Die Stimmen werden korporalschafts-
weise durch ein lautes „Iawoll" abgegeben, zu Bataillonen
vereinigt und für den Wahlbezirk gezählt, wo die Kaserne
liegt.

Posen. Ich erfahre soeben, daß Hänge-Peters in den
preußischen Staatsdienst übertreten will. Preußen braucht
für seine liebste Kolonie einen tatkräftigen Gouverneur.

Portsmouth. Im Marine-Arsenal brach wiederum
ein rätselhafter Brand ans, der für b Millionen Mark
Schaden fertig kriegte. Rach dem amtlichen Berichte ist's
die Ratz' gewesen. Sie hat die Lampe umgeschmissen. —
Dieselbe Ratz', die neulich vom ,/Cerrible" das Signal-
buch in Lee warf!

Tanger, Hier sind zwei deutsche Offiziere angelangt,
um „vergnügenshalber" nach Kez zu röisen und zu sehen,
ob sich wirklich nichts mehr machen läßt. Die deutsche
Regierung hat vorläufig damit nichts zu tun. Sie
will sich erst mal ihren neuen Reichstag angucken.

Petersburg. Lin sehr glaubwürdiger russischer
General versicherte einem Berichterstatter, daß der russische
Hof sehr fromm ist. Man blicke in Peterhof von früh
bis spät zum Himmel hinauf, weil man immer befürchte,
es möchte ein lenkbares Luftschiff kommen und Ballast
herunter werfen.

Teheran. Der neue Schah ließ seinem Bruder — weil
er ihm wohl will — zu besserer Gesundheit zweinnd-
dreißig Zähne ziehen. Als gebildeter Monarch holte er
sich dafür erst die Erlaubnis seines Parlaments ein.

Tsingtau. Kaisers Geburtstag wareine herzerquickende
Heier. Kein Mißklang trübte die Begeisterung, denn außer
hnndsdummen Ghinesen gibt es nur Soldaten und Be-
amte hier; und der einzige Zivilist dazwischen ist frei-
sinnig, war also schon viel eher besoffen.

Retmanshoop (durch Heliograph). In vorgerückter
Stunde am 27. Januar erhielt die Lchutztruppe das A)ahl-
refultat. — „Ra, Kinder", meinte ein braver Major, „wir
bleiben hier! Und sobald^der Krieg erklärt ist,
marschieren wir auf Rapstadt!!"

Der starke Präsident.

Kröcher (zu sbüIoto): Wat, ne neue Vorlage?
Js nid). Erst mal für Gardelegen neue Knöppe
an den Feuerwehr-Uniformen stiften! Dann
können Sie mit Ihrem lumpigen Etat wieder
mal vorsprechen!

Für fünfzehn Mark.

Wer gern sid) vergnügt an Braten und Wein
Und würdigen Reden obendrein.

Der werf' sid) in Lack und Frack und geh
Ins koloniale Aktionskomitee.

Dort gibt's ein Diner mit Rotspohn und Sekt,
Nach dem man fick) später die Finger beleckt,
Zigarren und Mokka — für den Quark
Von lumpigen blanken 15 Mark.

Äcrr Dernburg malt an die weiße Wand
Das afrikanische Zauberland.

Und alles jubelt bei Brate» und Wein:

Das Vaterland muß größer sein!

Am näck)sten Morgen wird es dann klar.
Daß aller Zauber — ein fauler war.

Dann, fürck)te ick), tun nock) mit der Zeit
Den meisten die 15 Märker leid.

Ein graues Zukunftsbild ich schau:

Brick)t einst zusammen der ganze Bau,

Dann konstituiert man sich wieder (o je!)
Als koloniales — Auktionskomitee... P. e.

Der entrüstete Konservative.

„Nu Hab' ick) euck) Kerls mit dem Automobil
abgeholt, habe acht Runden Bier ausgegeben
und jedem von euck) die schmierige Pfote ge-
drückt. Und jetzt lauft ihr mit roten Stimm-
zetteln ins Wahllokal?!"

„Ja, Sie haben doch gesagt, es sei ganz
egal, wen wir wählen — die Hauptsache sei,
daß der Sozi nicht mit in die Stichwahl komme!
Und da wollten wir ihn gleich beim ersten
Wahlgang durchbringen."

Der Herr Pfarrer auf der Kanzel.

„Ein sck)warzes Schaf ist zwisck)en euch —
das hat liberal gewählt. Wenn es sich frei-
willig meldet, dann soll's ihm vergeben sei».
Sonst kriege ich's ja doch nod) bei der Beick)te
heraus!"

Koloniale Wunder.

Böswillige Leute behaupten, daß Dernburg
bei seiner Sckiilderung der Vorzüge Südwest-
afrikas übertrieben habe. Das ist aber nicfjt
wahr. Spezialberichte, die uns zugegangen
sind, stellen Dernburgs Erzählung von der so
ertragreich gewordenen umgekippten Dattel-
kiste noch weit in den Sck)atten. So wurde
uns mitgeteilt, daß ein deutsck)er Soldat vor
zwei Jahren einen Zigarrenstummel wegwarf.
Jetzt ist dort bereits eine große Tabakpflan-
zung entstanden. Eine vergessene Seltersflasche
entwickelte sich in derselben Zeit zu einem
reichhaltigen Sauerbrunnen, ein verlorener
Slmilibrillant aus einem Hemdknopfe zu einer
Diamantengrube. Eine altbackene Salzstange,
die ein Europäer wegwarf, brachte ein Salzberg-
werk und eine Anlage Stangenspargel hervor.

Dock) die großartigste Geschick)te berichtete
uns der Telegraph aus Kubub. In dieser
schönen Gegend war eine Kiste Bleisoldaten
liegen geblieben, die das Oberkommando zu
seinen Kriegsspielen gebrauck)t hatte; und wie
man nun zufällig mal wieder vorguckte —
da war da ein ganzes, funkelnagelneues In-
fanterieregiment und biwakierte!!

Welch ein herrliches, paradiesisches Land!

Hoffentlick) packen die Kolonialschwürmer
sobald wie möglich ihre Koffer und reisen nach
diesem Paradiese ab.

Hauptmann Zappel hat seinen Burschen
nach Herzenslust geohrfeigt; und weil dabei
ein Trommelfell geplatzt ist, kommt die Ge-
sck)ichte zunl Klappen. Der zu Hilfe gerufene
Oberstabsarzt fragt:

„Sind Sie Alkoholiker, Herr Hauptmann?"

„Nee... wenigstens nich außerjewöhnlich!"

„Erblick; belastet?"

„Oock) nich."

„In Afrika gewesen?"

„Ja!" —

„Gott sei Dank, Herr Hauptmann — nun
werden Sie bombensicher freigesprochen."
 
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