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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0037
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5322


Nach der Wahl.


Veimlingz 5iege8taten.

Der Deimling schrie: »Hurra, hurra!
Drauf auf die Hottentotten!" —

Dann zog er hin nach Afrika,

Die Schwarzen auszurotten.

Daß er ein Feldherr comme il saut,

Das wollte er beweisen,

Und so begann er, tatenfroh,

Die Schwarzen einzukreisen.

Doch fand, so oft er auch den Ring
Ganz tadellos geschlossen,

Lr keinen Hottentotten-King.

Das hat ihn schwer verdrossen.

Lr stülpte auf den Feldherrnhut
Und ließ zum Sammeln blasen.

Die Hottentottenrottenbrut,

Die machte lange Rasen.

»Dreihundert Schwarze! — Sapperlot! —
Ls ist zum rasend werden!"

Der Deimling schilt, der Deimling droht
Mit finsteren Gebärden.

Rach langem Harren endlich ward
Erfolg noch seinem Streben:

Linhundertfünfzig Bondelzwart,

Die haben sich ergeben.

Doch Hunger bracht' sie zur Räson
Und nicht des Deimlings Kreisen;

Dem Hunger zollt den Siegeslohn,

Richt Deimlings Blut und Eisen.

Und grad zur ungelegenen Zeit
Ward dieser Sieg beschieden:

Die Bülow-Garde kqmpfbereit —

Der Hottentott macht Frieden! L. 8-

Wenn die Bombe platzt...

Drei Jahre schon regierte der König von
Tahiti „konstitutionell"; und dabei hatte er sich
die Gicht in die Beine geärgert, was für einen
so kreuzfidelen Papua schon etwas heißen will.
Aber er hielt aus, denn er war ein moderner
Monarch.

Bis seine Ausdauer belohnt wurde. Es kam
der Tag, wo er zum erstenmal seine Thron-
rede mit Freude von Stapel ließ, denn er
hatte jetzt ein Parlament, das überreden
Spazierstock sprang.

Das vorige, zum Teufel gejagte, war der
reine Hohn gewesen: heuchlerisch zuvorkom-
mend — dann wieder kratzlustig wie eine
Katze. Doch wie der Krug zu Wasser geht,
bis er bricht, so war man auch hier in der
Sünden Blüte über den Stein des Anstoßes
gestolpert.

Gestolpert über einen leibhaftigen Stein;
ein Korallenriff von Q'/a Quadratkilometern,
halbwegs zwischen Tahiti und Neuseeland
gelegen. Fünf glaubwürdige Kokospalmen
wuchsen drauf, und der hingeschickte Assessor
hatte dort sogar einen waschechten Kakadu ent-
deckt — nur konnte er ihn selbst durch glän-
zende Versprechungen nicht bewegen, sich anzu-
siedeln. Er (der Kakadu) flog ivieder fort, aber
seine hinterlassene Visitenkarte lag im frisch-
gegründeten Ministerium der Kolonien bei
Akt 27 c III/5309.

Denn Tahiti plante Großes mit dieser Perle
des Ozeans. Sie war ja ein Stück „Groß-
Tahiti"; felsgewordene, greifbare Wirklichkeit
— nicht mehr bloß so ein süßer Traum, wie
man ihn nach reichlichem Sektgenuß träumt.
Ihr kristallharter Kalk diente als Schwung-
brett zur Weltmacht. Das war schon blutige
Opfer, Schweiß der Edlen wert! Und so
pumpte sich die weitblickende, ihrer Pflichten
vollbewußte Staatsregierung bei den Nachbar-
staaten sechs Milliarden Kaurimuscheln, denn
so hoch war der feste Preis für jenes Kleinod.

Hat man nun Worte?? Statt nach Gottes
Gebot der Obrigkeit untertan zu sein und „Ja"
zu sagen, erklärte die jetzt verflossene Volks-
vertretung alles für kompletten Blödsinn und
verweigerte Anleihe wie Ankauf!! Da sieht
man aber von neuem, was es für einen Zweck
hat, so eine Lausebande überhaupt zu fragen ...

Und so wurde der Stein, den die Bauleute
verivorfen hatten, zum Eckstein, weil die
„nationale Frage" dran klebte.

Sie lautete etwa so:

„Unsere rasch steigende Volkszahl verlangt,
daß wir uns fremder Länder bemächtigen und
den Segen unserer Kultur über sie ausschütten,
ivas in diesem Fall nicht ,Stehlen' heißt,
sondern ,Expansion'. Kleine Sachen kann man
ja am Ende auch kaufen — größere muß man
dem, der zuerst gekommen ist, wegnehmen.
Dazn braucht man eine starke Flotte mit recht
viel Kanonen. Alles für den Weltfrieden!" —

Das zog! Friedliebend taten die Untertanen
von Tahiti ihrer Regierung den Gefallen und
wählten nur stubenreines Personal.

Und das zusammengetretene Parlament be-
willigte alles: Kähne, Kanonen und Kolonien.
Für Friedenszwecke.

Der Kriegsminister schmunzelte. DerFinanz-
minister stand auf und teilte dem Hause mit,
daß er gezwungen sei, wegen des Weltfriedens
eine neue äußere Anleihe von sechs Milliarden
Kaurimuscheln aufzunehmen. Das Haus schrie:
„Nehmen Sie lieber gleich acht!" —

Er bekam sie übrigens zu verhältnismäßig
günstigen Bedingungen: Verpfändung der
Steuern und Zölle an die Nachbarstaaten für
drei Jahre.

Dann erhob sich ein Professor. Er war aus
Versehen mit hineingewählt, trug rote Schlipse,
kämmte sich die Haare nicht und vertrat die
Opposition. Er stellte die Behauptung auf,
daß die frischerworbene Koralleninsel nichts
wert sei, weil sie auf vulkanischem Gebiet liege
und langsam versinke. . .

Weiter kam er nicht. Seinen trauernden An-
gehörigen lieferte der Portier gegen Abend
das, was noch von ihm vorhanden war,
grinsend aus.

Und nun hatte der Patriotismus freie Bahn.
Die junge Kolonie verschlang ein Heidengeld,
 
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