Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0109
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6394

waren, daß es gar manchmal zu Tätlichkeiten
kam, und da wider Auer besonderer Haß
herrschte, nicht ganz ungefährlich. Aber Furcht
kannte Auer nicht. Er ging also am nächsten
Sonntag ganz allein in die Lassalleanische
Versammlung, wo er Grottkau wußte. Zu
Handgreiflichkeiten kam es allerdings nicht,
wohl aber zu lebhaften persönlichen Ausein-
andersetzungen nach der Versammlung. „In
Halberstadt haben eure Leute mich verhauen",
hielt ein Lassalleaner Auer entgegen. Nazi fand
es in Erinnerung an Vorkommnisse in Berlin
nicht für angebracht, die Eisenacher von Halber-
stadt zu desavouieren. „Gelt, 's tat weh",
antwortete er gelassen. . ..

Sein erfolgreiches Wirken in Berlin blieb
dem Parteiausschuß nicht verborgen. Und so
veranlaßte dieser Anfang 1873 Auer, nach Dres-
den zu übersiedeln, wo in der Parteimitglied-
schaft arge Zerrüttung eingerissen war. Ob-
gleich seine bajuvarische Derbheit mit de» säch-
sischen Umgangsformen in erheblich stärkerem
Kontrast stand, als mit der Art und Weise der
Berliner, war er nach verhältnismäßig kurzer
Zeit bei den Dresdener Genossen ungemein
populär. Er bemühte sich namentlich, in die
Verwaltung des dortigen Parteiorgans „Der
Volksbote" Ordnung zu bringen, dessen Expe-
dition er zeitweilig für ein ungemein beschei-
denes Gehalt leitete, und als ich im Herbst
1873 wegen einer Versammlung nach Dresden
mußte, konnte ich mich selbst überzeugen, wie
beliebt Auer auch bei den Kolporteuren des
Blattes war. Indes, die gute Expedition allein
tat es nicht, und nachdem Auer in der Organi-
sation des Wahlkampfes in Sachsen für die
Reichstagswahl vom 10. Januar 1874 sein or-
ganisatorisches und taktisches Geschick glänzend

bewährt hatte, kehrte erAnsang 1874 wieder nach
Berlin zurück und nahm von neuem als Sattler
Arbeit, bis er dem Ruf in den Parteiausschuß
Folge leistete und nach Hamburg übersiedelte.
Dann kam die Vereinigung der Eisenacher init
den Lassalleanern, und Auer wurde mit Karl
Derossi Sekretär der vereinigten Partei.

Bald indes sollte Berlin ihn wieder beher-
bergen, und zwar gleichfalls als Ordnungs-
stifter. In der 1876 gegründeten „Berliner
Freien Presse" waren zwischen Redaktion und
Verwaltung Mißhelligkeiten entstanden, die
immer bösartigeren Charakter anzunehmen
drohten, und so wurde Auer vom Vorstand
nach Berlin geschickt, die Dinge ins Geleise
zu bringen. Er trat in die Redaktion der
„Berliner Freien Presse" und in die Leitung
des Geschäfts ein, und seinem Einfluß gelang
es in der Tat, ein erträgliches Verhältnis her-
zustellen. Allerdings mußte dazu auf Johann
Most, der den Posten als erster Redakteur der
„Berliner Freien Presse" innehatte, nicht selten
ein sanfter Druck ausgeübt werden. Dazu >var
aber gerade Auer der rechte Mann. Er bekam
es fertig, Most kategorisch zu erklären, daß
von diesem geschriebene Artikel nicht ins Blatt
kämen, ihm gleich einem Schuljungen wegen
seines leichtfertigen Umspringens mit der Wahr-
heit den Text zu lesen, und dann, wenn Most
schäumte, ihn mit den Worten znm Nachgeben
zu bringen: „Sei ruhig, Hans, setz dich hin
und schreib jetzt einen anderen Artikel. Du
bist ja doch der Chefredakteur und ich dein
Untergebener." Und Most tat wie ihm ge-
heißen.

Im Verhältnis von Auer und Most trat der
Gegensatz zwischen einer starken Persönlichkeit
und eineni undisziplinierten Talent aufs greif-

barste in die Erscheinung. Das zerfahrene
Wesen Mosts, seine Geneigtheit, von einem
Extrem ins andere zu fallen, waren dem so
innerlich gefesteten Auer tief zuwider, so daß
er darüber Mosts Begabung etwas zu niedrig
einschähte. Er war ein Gegner aller Über-
treibung, aller Phantasterei. Da er dieser
Gegnerschaft den schärfsten Ausdruck zu geben
liebte, erschien er oft als eine grundnüchterne,
kalte Natur. Das war er aber nicht. Er konnte
sehr tief enipfinden. Wiederholt habe ich ihn
über Dinge, die ich ziemlich leicht nahm, voll-
ständig erschüttert gesehen. Was er gar nicht
vertragen konnte, war leichtfertiges Zurück-
setzen der Parteiinteressen hinter persönlichem
Streit oder doktrinären Liebhabereien. Hierin
wie auch in anderen Dingen war er der
wahre Erbe August Geibs, der mit seinem
ruhigen, milden Wesen überhaupt einen großen
Einfluß auf seine geistige Entwicklung aus-
geübt hat und dessen Tod er mir seinerzeit
in den bewegtesten Worten mitteilte. Auch auf
Geibs Grab würde die Inschrift passen, die
Auer auf dem Lübecker Parteitag für sich
reklamierte und auch redlich verdient: „Auers
Bemühen und Bestreben ist es gewesen,
Gegensätze,'die in der Arbeiterbewe-
gung sich geltend machten, auszuglei-
chen, sie zu überbrücken." Er tat es auf
andere Weise, seinem Charakter und Tempera-
ment entsprechend, hinter sarkastischem Witz
und derbem Spott oft die wärmste Teilnahme
verbergend. Mancher verkannte ihn darob,
aber allmählich lernten alle ihn verstehen, und
verstehen hieß bei diesem bedeutenden Mann,
diesem unbeugsamen Kämpfer und genialen
Politiker nicht ihm verzeihen, sondern ihn
hochschätzen und lieben. Ed. B.

Maientraum.

Äier wohnt die Fei, es kann nicht anders sein,
Waldeinsamkeit, von der ich oft geträumet —
Am Bergeshang das mosige Gestein,

Es ist der Grenzwall, der ihr Reich umsäumet.

Äier lebt sie, fern der Außenwelt,

Ein wunderbar geheimnisvolles Leben
Voll Glanz und Duft—das Dämmerdunkel hellt
Die Sonne nur, Goldfunken einzuweben.

Wie scheu das Brönnlein aus dem Felsen quillt.
Wie ernst die dunklen Tannenbäume ragen.
Von Flechtenbart und Ranken eingehüllt,
Wie alle Stämme Runenzeichen tragen.

Äier ist der Ort, der stille Waldesdom,

Den sie zum Aufenthalte sich erkoren,

Äier lauscht der Elf ihr und der graue Gnom
Im Wurzelwerke und Geklüft verloren.

Die Sage, die von Merlin uns erzählt
Und von dem Zauber, der ihn hält ge-
Kunden,

Sie hat sich auch wohl solchen Ort gewählt,

Wie ich ihn hier im Tanennwald gefunden.

Kein Laut ringsum — es ist der Platz
gefeit.

Ob dem die Bäume ihre Kronen breiten,

Und wenn im Dickicht fern ein Äabicht

schreit, >—Z

So scheint's an dieser Stille abzugleiten. ! //

And daß, wie es zuzeiten wohl geschah.

Sie will den Dichter in das Traumland führen.

O sei es drum — ich träume ja so gern
Von Ländern, wo die Wunderpalmen stehen.
Der Lotos blüht — mir aber ewig fern —
Waldeinsamkeit, laß sie im Traum mich sehen.

—So. K.

Der Streber.

Äier will ich ruh'n — vielleicht daß sie
mir nah.

Daß ihre Lustgewande mich berühren.

Glossen.

Der Reichsverband forderte Thüringer
Unternehmer auf, ihm die Adressen ihrer Ar-
beiter zu geben und hinter die der „reichs-
treuen" Arbeiter ein Kreuz zu machen.

Hinter die nicht reichstreuen Arbeiter wer-
den vermutlich drei Kreuze gemacht. ...

Gegen den sozialdemokratischen Redakteur
Markewitz in Saalfeld hat Fürst Bülow persön-
lich Strafantrag wegen Beleidigung gestellt.

Fürst Bülow ist, wie wir erfahren, in sei--
nein Gerechtigkeitsdrange noch weiter ge-
gangen: er hat gegen sich selbst Strafantrag
ivegen der Beleidigung des Genossen Ditt-
mann in Frankfurt gestellt, die er im Reichs-
tag beging, aber bisher nicht widerrief!

„Cicero, Schopenhauer, Kant und Nietzsche habe ich intus -
noch die Reden Bernhard Bülows, dann kann es mir an

Neues von Serenisssmlls.

„Sie, Kindermann, äh, wie war doch die
Geschichte von dem Kerl, dem Kolumbus,
und dom, äh, Ei?"

as, „Das konnte keiner aufrecht hinstellen,
Durchlaucht, bis Kolumbus drankam und
die Schale einknickte. Und da. . ."

„Weiß schon, weiß schon, lieber Kinder-
mann: da ist dann, äh, Amerika heraus-
gekrochen!" .

„Sie, Kindermann, warum sitzt auf den
Depeschen, die ich aus Berlin kriege,
immer so'n roter Zettel?"

„Weil sie als Staats-
telegramme mit Vorrang
gehen, Durchlaucht!
„Verstehe,verstehe, aber
sagen Sie mal, äh, wird
der Zettel denn schon in
Berlin draufgeklebt!?"


- nun fontmen
nichts fehlen."
 
Annotationen