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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0296
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5582 --

—s Der Oberreichsanwalt, s-

Ein Ritter ohne Furcht und Tadel,

Des leichten Sieges sich bewußt.

So trabte er in die Manege,

Die Brust geschwellt von Kampfeslust.

And auf der Ordnung strenger' Luter
Blickt zuversichtlich Jung und Alt,

Die höchste Gnadensonne lächelt
Dem stolzen Oberreichsanwalt.

Lei, wie die Plempe schneidig sauste
Am großen Tage des Gerichts,

Die Kühnheit blitzt ihm aus derr Augen,

Denn zu riskieren war da nichts!

Bald liegt zu Füßen ihm der Sünder,

Den seine Lippe „ehrlos" schalt.

Schon schlingt den Strick ihm nur den Nacken
Der tapfre Oberreichsanwalt.

Doch ach! was sehen meine Augen?
Die Plempe knickt, es reißt der Strick:
Die Prügel, die er wollt' erteilen.

Sie fallen schwer auf ihn zurück!

Der Bau, den er verschmitzt errichtet,
Zn Trümmer sinkt er, ohne Lalt,

And aus den Trümmern sitzt belämmert
Der kluge Oberreichsanwalt.

Den er in's Zuchthaus schicken wollte,
Schickt ihn nun selber auf den Leim —
Kleinlaut, wie ein begoff'ner Pudel,
Kehrt er aus dem Turniere heim:

And fürchterlich in seinen Ohren
Der Roten Lohngelächter schallt!

Ach, wärst du Armer nie geboren.

Du armer Oberreichsanwalt!

vlltzürahinachrichten.

Berlin. Staatssekretär v. Tschirschky wurde als
lästiger „Auswärtiger" nach Wien abgeschoben. Das
auswärtige Amt wurde ver-Lchön-ert.

— Die Heuer bei Hofe grassierende Lpidemie fordert
immer neue Dpfer. Arankheitserreger scheint ein 8-för-
miger Bazillus zu sein.

— Fürst Bülow empfing eine etwas stürmische Depu-
tation hiesiger '„Königinnen des Trottoirs" und versprach
ihnen die Wiedereinführung des Talers.

— Bei anhaltender Flottenfreundlichkeit des Zentrums
sollen die von ihm zu bewilligenden Panzerkähne gut
katholisch getauft werden.

Leipzig. Lin Alaun, der laut genießt hatte, beging
Selbstmord, da er der Vorbereitung zur Vorbereitung
eines Versuches, die Reichsverfassung gewaltsam um-
zustürzen, hinreichend verdächtig erschien.

Posen. Um weiterer Vermehrung einer so polizei-
widrigen Ration vorzubeugen, will die preußische Re-
gierung zu Anfang Rovember sämtliche polnische Rlapper-
stärche verhaften lassen.

München. Der jetzt mit freiem Auge sichtbare Aomet
von (90? hat schweres Unheil über Bayern gebracht:
der Bierpreis steigt!!

Landau (Pfalz). Beim hiesigen Landgericht schweben
64 Weinpantscherprozesse. Der hohe Gerichtshof freut
sich schon darauf, die 64 „weine" hintereinander pro-
bieren zu müssen.

Haag. von der ganzen Friedenskonferenz ist bloß
noch der Weltfriede hier. Lr sitzt in seinem Hotel,
schrubbt sich mit Bimstein und schämt sich, weil man
ihn so mit Tinte begossen hat.

Der lvcchsewalg.

potzsackerment! Herr Bernhard spricht:
Jetzt muß ich etwas machen!

Ls soll das ganze Reich doch nicht
Des Paarungskanzlers lachen.

Ich muß was zeugen, sackerment,

Ls sei nun, was es wolle!

Sonst heißt es, ich sei impotent
Und kann nicht, wie ich solle.

Hm ja! Doch brauch' ich guten Rat,
Wie ich mich da verhalte,

Daß sich der Rkühe Resultat
Auch annehmbar gestalte.

Herr Bernhard ruft Gevattern her;

Die Blockgesellen kommen,

Und sie beraten lang und schwer
Zu Bernhards Ruß und Frommen.

Dann sagen sie: Rkach's so und so!
verfuch's! Ls wird schon gehen.

Und zur gegebnen Zeit wirst froh
Beim Taufschmaus du uns sehen.

Ra, Kur; und gut: Ls ist geglückt!

Herr Bernhard kündet's heute;

Zur Taufe lädt er hochentzückt
AU die Gevatterleute.

Und alle, alle kommen sie,

Lrbieten sich zu Paten,

Sowohl die preußenjunker wie
Die Schwabendemokraten,

Und rühmen Bernhards Kindlein baß,

Das Wunderkind der Paarung,

Und finden ohne Unterlaß
Für neue Wonnen Rahrung.

Gewiß, in diesem Kindlein trat
Die Blockidee ins Leben!

Der sämtlichen Gevattern Rat
Hat ihm die Form gegeben:

Der Wasserkopf zeugt deutlich von
Dem liberalen Linfiuß;

Die langen Dhren — ohne Hohn —

Die sind des Freisinns Einschuß;

Doch die Kalmückennase weist
Auf preußenjunkermache.

Und die Baschkirenäuglein dreist
Sind Polizeiersache. —

Herr Bernhard, dessen Kind es ist, —

Der legitime Vater

Ist der, der in bestimmter Frist

verkehrte, und das tat er, —

Herr Bernhard spricht: Dem süßen Kind,
Der ersten Frucht der Lenden,

Dem müssen wir doch wohl geschwind
Den rechten Ramen spenden.

Gevattern! Welchen Ramen soll
Zch nun dem Blockkind geben?

Denn klingen muß er schön und voll:

Lr bleibt fürs ganze Leben. —

Lin Wunder! Hört! Das Kindlein schreit
RAt breitem TNaulausreißen:
versammlungs-unövereinssreiheit,
So will ich Monstrum heißen. Secundus.

Splitter.

„Preußischer Landtag" heißt noch lange nicht,
daß es im preußischen Lande Tag werden soll.

Das internationale Konzert geht leicht aus den
Fugen, weil jeder die erste Violine spielen will.

Warum verurteilt man einen „hochverräte-
rischen" Schriftsteller nicht einfach zu zwangs-
weiserLektüre von sechs Bänden „Reichsgerichts-
Eutscheidungen"? Dadurch gewöhnt er sich doch
an ein Deutsch, das späterhin ganz staatsunge-
sährlich ist, weil's kein Mensch mehr versteht!

Ministerwechsel.

Der hat 'nen Stern und der 'nen Stern;
Der kommt und der geht wandern.

Was tut's? Es gleichen sich die Herrn,
Als wie ein Ei dem andern.

Der Herr v. Tschirschky reist nach Wien,
Wo weiland Phili koste,

Und Herr v. Schön kommt nach Berlin
Zu Bernhard Bülows Tröste.

Er kommt aus Rußland, wo der Zar
Die Freiheit niederknutet.

In Preußen wird seit manchem Jahr
Ins selbe Horn getutet.

An Wahlrechtsschmerzen leidet man
In allen beiden Ländern,

And hier wie dort ist man daran.

Ein bißchen was zu ändern.

Gewiß, was man versprach, man hält's;
Nur heißt's bei solchen Sachen:

Vorsichtig wasche man den Pelz,

Doch ohn' ihn naß zu machen.

Das russ'sche Wahlrecht in Berlin —
Welch herrlicher Gedanke.

Der Freisinn rutscht auf beiden Knien
And über schäumt die Pauke.

Der ganze liberale Block
Beginnt zu delirieren.

O hätt' ich einen Knotenstock,

Ich wollt' dazu taktieren! Crt-Cri.
 
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