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-- 5634


„Welch Glück!"

Die Residenzstadt ist erwacht;

Das Leben flutet, die Sonne lacht.

„Grüß Gott, .Herr Nachbar! Ein schöner Tag,
Nicht wahr?" — Da tönt ein Kanonenschlag:

„Herr Hoflieferant, was glauben sie woll.
Was die Schießerei da bedeute» soll?"

„Wie, Schießerei? — Na, hören Sie mal.
Sie sind wohl so'» heimlicher Sozial- "

„Herr Hoflieferant, was denken Sie nur!
Nein, so was — i, gar keine Spur!"

„Na also! Ich weiß es ziemlich genau:

Der Zustand der allerhöchsten Frau
„Zu guter Hoffnung berechtigt hat."
„EinPrinz! EinPrinz! Kauft's Extrablatt!"
„La'm Sie's gehört?" spricht der Hoflieferant,
„Ein Prinz... Welch Gliickfür das Vaterland!"

In derselbe» Stadt, am selbigen Tag
Vernahmen auch sie den Kanonenschlag.

Sie hoben die Köpfe, sie schreckten auf
Und achteten weiter nicht darauf.

In ihre Kammer so ärmlich und klein
Kein einziger Sonnenstrahl drang hinein.
Dem Manne bebte das Herz im Leib,

Es stöhnt auf dem Lager das kranke Weib.

Und des Mannes Blick in die Ecke starrt.
Wo die kleine Leiche geborgen ward.

Es traf dies Kind schon im Mutterschoß
Entbehrung, des Proletariers Los.

Ein Junge!... Wie hatten sie sich schon gefreut.
Trotz all ihrer Sorg' für die kommende Zeit.
Jetzt krochen der Tod und das Elend heran —
„Was willst du?" Sic sah ihn verlangend an.

Wild wogte ihr Busen im Schmerzessturm,
Und sie flüstert: „Welch Glück für das arme
Wurm ..." R. c. G.

Splitter.

Das Reich der Neichen lebt nur durch den
Arm der Armen.

Vorübergehend.

Trostworte der sächsischen Regierung.

Die Not ist nur vorübergehend,

Iir ein paar Wochen hört sie auf;

Es lohnt sich nicht, daß rückwärts drehend
Man hemmt der Weizenpreise Lauf.

"Acht Tage, höchstens vierzehn Tage,
Vielleicht ein Monat oder zwei,

Gewesen ist dann alle Plage
Und aller Kummer ist vorbei.

Und hungerst du schon eine Woche,
Bedenk', das stärkt den Appetit,

Der Riemen wird am letzten Loche
Geschnallt — das macht die Sache quitt. E>.

Zn der Septembersonne.

Von Alwin Rudolph.

Helle lachende Septembersonne liegt über
dem großen Spielplatz im Park, der von vier
Reihen hoher Bäume unigrenzt wird. Ein
leiser ivohltuender Wind weht.

Mühsam hat sich die Sonne erst durch die
Nebel Bahn brechen müssen. Doch jetzt ist ihr
Sieg entschieden. Nur die Ferne ist noch durch
einen leisen Dunstschleier verhüllt.

Schon haben sich einige Klassen einer Volks-
schule eingefunden. Froh und guter Dinge
tummeln die Mädchen sich und bieten ein
buntes bewegtes Bild auf dem grünen Platz.
Und der Wind trägt die lustigen Weisen ihrer
Lieder herüber. Später treffen auch Kinder-
mädchen mit ihren Schützlingen ein und setzen
sich in den wärmenden Sonnenschein.

Nur wenige männliche Personen sind zu
sehen. Es ist ja Werktag heute. Dort hustet
ein Kranker regelmäßig in kurzen Abständen-
Er fühlt sich wohl in der Sonne. Vielleicht
denkt er gerade daran, >vie lange es noch
dauern wird. . . .

Ein anderer geht vorüber, der eine ver-
bundene Hand hat. Nur Kranke und Kinder
haben heute Zeit, sich an der Natur zil erfreuen.

Die Sonne steigt höher. Nahe am Wege auf
dem R^sen der Böschung liegt ein Straßen-
bahner lang ausgestreckt. Aus der kurzen Pfeife

im Munde bläst er dicke Rauchwolken von sich.
Weiter hinten liegt ein junger Bursche, ganz
in die Lektüre einer Schauergeschichte ver-
tieft.

Ein Kindermädchen kommt den Weg entlang
und Heini, der Bub, sagt zu jedem Vorüber-
gehenden „Guten Tag". Aber die Uniform des
Straßenbahners scheint ihn; ganz besonders zu
imponieren. Zu ihm geht er hin, nimmt die
Mütze ab und ihm die Hand reichend grüßt er
mit einer Verbeugung. Das Kindermädchen
setzt sich auf die andere Seite des Weges und
spielt Ball mit Heini. Plötzlich aber fällt der
Ball ganz in die Nähe des Straßenbahners.
Nun spielen alle drei und sind davon befriedigt.
Frohes helles Lachen tönt von ihnen herüber.
Die Sonne scheint immer wärmer und die
Nebeldünste der Ferne sind ganz entschwunden.
Nur in der weiten schattigen Halle der Bäume
weht eine kühle Herbstluft.

Die Mittagszeit ist herangekommen. Klassen-
weise ziehen die Schulkinder heimwärts und
ihr lauter Gesang schallt durch den Park. Auch
die anderen Besucher rüsten zum Aufbruch.
Heini und das Fräulein gehen mildem Straßen-
bahner gemeinsam ihren Weg zurück. Fast ganz
vereinsamt liegen die Wege da. —

Bunt ist das Bild des Parkes zur Herbstzeit.
Zwischen dem noch grünen Laube sieht man
in den verschiedensten Schattierungen die schon
gelben, roten und rotbraunen Blätter. Der
Wind weht immer neue Blätter herab und
macht den Weg zu einem bunten Teppich.
Besonders stechen die Ahornblätter hervor.
Jedes einzelne gibt verwelkt mit den schwarzen
Punkten darauf ein besonderes Bild, kknd
zwischen den Bäumen hindurch fällt die Sep-
tembersonne auf das bunte Laub und zeichne;
kleine runde, zitternde, schillernde Kringel.

Die Mittagszeit ist vorüber und der Park
belebt sich wieder. Die Besucher setzen sich auf
die Bänke, die den Spielplatz umsäumen. Schwer
und schleppend kommt ein Arbeiter den Weg
entlang. Ermüdet läßt er sich mit einem
Seufzer auf eine Bank fallen.

„Guten Tag auch", sagt er zum Nachbar.

Es ist ein großer und starker Mensch und
noch in den besten Jahren. Schlecht ernährt
ist er, hat wenig Fleisch auf seinen starken
 
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