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Schmerzlich ist es mir und peinlich,
Zn berichten, was geschah
Einem kolonialen Leiden
Jüngst in Deutsch-Ostafrika.
Plaudernd und nichts böses ahnend
Saßen froh beim Löwenbräu
Zu Mombaffa drei Touristen
Von der Deutschen Neichspartci.
Doktor Arendt, der dabei war,
Latte, wie sich das gehört.
Auf des Busenfreundes Peters
Wohl schon manches Glas geleert.
Preisend rühmt er sich der Tate»,
Die er für den Freund vollbracht.
Als zu München vor dem Kadi
Wütete die Petersschlacht.
Knochen. Mißmutig vor sich hin sehend, streng
und starr sitzt er da, als möchte er das Schick-
sal mit seinen Fäusten packen.
,,'n bißchen ansruhen", sagt er wieder.
Er sieht nicht die Schönheit der Natur um
sich her. Er sieht nicht den Helle», lachenden
Sonnenschein und nicht das schöne farbige
Bild des Herbstes.
„'s ist doch ein barbarisches Stück Weg
immer von Adlershof nach Berlin. Alle Tage
so drei Stunden und dann wieder zurück."
Mühsam und schwerfällig kommen die Worte
heraus. Aber er muß es sagen können, er
muß es mitteilen können, was ihn bedrückt.
Das erleichtert doch etwas.
„Müde und lahm, ganz kaputt wird man
dabei. Aber was will man machen. Draußen
ist nichts zu kriegen. Nun läuft man den
ganzen Tag in Berlin 'rum. Und da find't
man auch nichts, 's ist keine Arbeit aufzu-
treiben."
Kurz und abgebrochen kommt es aus seinem
Munde.
„Weiß nicht, was das ist. Sind nun schon
drei Wochen, daß ich nichts habe. Gar nichts
ist aufzutreiben. Ist mir mein ganzes Leben
noch nicht passiert, so lange keine Arbeit zu
haben! Lauf' nun den ganzen Tag 'rum und
kriege nichts. Wollte noch sagen, wenn ich mir
keine Mühe geben würde. Aber so ..."
Er ereifert sich immer mehr mit seinen
Reden.
„Ist mir noch nie passiert, so lange zu
bummeln. Weiß nicht, Hab' immer bald wieder
Arbeit gekriegt... Und jetzt sind es schon drei
Ein Abenteuer in Mombaffa
Wie er Kahsers Witib fällte
Mit Geschossen, fein und scharf.
Und wie er den Leutnant Bronsart
Ungestraft mit Dreck bewarf.
Lorch, da dringen eil'ge Schritte
Plötzlich an des Redners Ohr,
Und aus diisterm Palmendickicht
Tritt ein fremder Mann hervor.
La! Welch Schreckgespenst der Lölle!
Eine Peitsche in der Land,
Vor dem tapfern Doktor Arendt
Bronsart steht, der Leutenant!
And mit schweren Invektiven
Fällt den höchst bestürzten Mann,
Der nicht weiß, wohin sich wenden.
Jetzt der grimme Gegner an.
o o o-
Wochen! Man wird ganz mißgestimmt. Man
traut sich gar nichts mehr zu unternehmen.
Und die Frau zu Hause denkt schließlich ganz
was anders. Ihre erste Frage ist bloß, wenn
ich komme: ,Hast du Arbeit?' ,Nein.' Na, und
dann sind wir fertig. Sie glaubt das gar nicht,
wenn ich ihr das alles so schildere."
Der Platz wird immer belebter. Aber welch
anderes Bild, als am Vormittag. Jetzt kommen
Mütter mit ihren Kindern. Oder größere Kinder
mit ihren Geschwistern. Sie setzen sich unter
die große weite Halle der Bäume oder unten
auf den Rasen in die wärmende Sonne, ver-
zehren ihr Vesperbrot und trinken aus der
Kanne oder Flasche den mitgebrachten Kaffee.
Der Arbeiter achtet kaum auf seine Um-
gebung. In Gedanken vor sich hinblickend sitzt
er da. Wenn sich aber zu viel in ihm ange-
sammelt hat, wenn es ihm zu drückend wird,
muß er es von sich geben. Das erleichtert, es
würgt nicht so. Und wie leicht wird ihm, wenn
er Verständnis findet für seine Betrübnis.
„Ja, ja. Es ist auch keine Kleinigkeit, vier
Kinder zu Hause! Die wollen satt gemacht
sein. Da wird alle Tage ein Fünfgroschen-
brot gebraucht. Ach, das reicht jetzt gar nicht
weit."
Wieder eine kleine Pause.
„Ich bin Drechsler von Beruf, aber ich nehme
an, was ich kriegen kann. Ja, da komme ich
heut' auf eine Stelle, eine Glühlichtfabrik. Da
war ich zu alt! Was sagen Sie dazu? Hätte
gleich anfangen können, gebe mein Kranken-
buch ab und die Jnvalidenkarte. Der gibt sie
mir wieder und sagt, ich bin zu alt. Er darf
Ach, wie wurde unserm Arendt
Mies und todesangst und bang.
Als der Bronsart um die Ohren
Ihm die Nilpferdpeitsche schwang!
Kläglich war er anzusehen.
Wie er nun die Flucht ergriff.
Während um des Volksvertreters
Linterteil der Kantschu pfiff. —
Auf dem Tische stand das Seidel,
Das zur Lälste nur geleert.
Von ihm selbst hat in Mombaffa
Man seitdem nichts mehr gehört.
Abends aber sah man eine
Schwarze, welche tief im Busch
Mit Gebärden des Entsetzens
Arendt seine Losen wusch.
nur Leute unter vierzig Jahre einstellen. Ist
ihm vom Direktor befohlen. Sehn Sie, 43 Jahr
bin ich und da bin ich schon zu alt. Ist doch
sozusagen noch das beste Alter!"
Er ist auch wirklich ein ganz rüstiger, kräf-
tiger Mensch. Nur etwas schlecht aussehend
durch die Arbeitslosigkeit und das tagelange
Laufen nach Arbeit. Auch ganz ordentlich und
sauber gekleidet, und schon zu alt!
Doch nun scheint er alles gesagt zu haben,
was sein Herz erfüllt. Er schweigt und starrt
eine ganze Weile vor sich hin. Plötzlich gibt
er sich einen Ruck.
„Haben Sie nicht 'n bißchen was übrig be-
halten, so zu essen? Bin schon den ganzen Tag
unterwegs, bloß mit einer Stulle. So, so!
Ich dachte bloß. Manchmal behält man doch
so was übrig. Man kriegt so Hunger im Leibe.
„Nein, nein! Das nicht, das... Nein. Ich
dachte bloß, weil man so'n Hunger hat. Manch-
mal bleibt doch was, wenn man so nicht alles
aufißt.
„Na, wolln man wieder weiter!" Er steht
auf und macht steifbeinig ein paar Schritte
hin und her.
„Ganz steif wird man, wenn man nach so
langem Laufen erst 'ne Weile gesessen hat.
Na, adieu auch."
Er geht schnell vorwärts und bald ist er
hinter den Bäumen verschwunden.
Vom Spielplatz herüber tönt ein Gewirr
von Ausrufen des Spiels und der Freude.
Klar scheint die Septembersonne auf das
prächtige bunte Herbstbild des Parkes.
Welch ein Herbst...
Schmerzlich ist es mir und peinlich,
Zn berichten, was geschah
Einem kolonialen Leiden
Jüngst in Deutsch-Ostafrika.
Plaudernd und nichts böses ahnend
Saßen froh beim Löwenbräu
Zu Mombaffa drei Touristen
Von der Deutschen Neichspartci.
Doktor Arendt, der dabei war,
Latte, wie sich das gehört.
Auf des Busenfreundes Peters
Wohl schon manches Glas geleert.
Preisend rühmt er sich der Tate»,
Die er für den Freund vollbracht.
Als zu München vor dem Kadi
Wütete die Petersschlacht.
Knochen. Mißmutig vor sich hin sehend, streng
und starr sitzt er da, als möchte er das Schick-
sal mit seinen Fäusten packen.
,,'n bißchen ansruhen", sagt er wieder.
Er sieht nicht die Schönheit der Natur um
sich her. Er sieht nicht den Helle», lachenden
Sonnenschein und nicht das schöne farbige
Bild des Herbstes.
„'s ist doch ein barbarisches Stück Weg
immer von Adlershof nach Berlin. Alle Tage
so drei Stunden und dann wieder zurück."
Mühsam und schwerfällig kommen die Worte
heraus. Aber er muß es sagen können, er
muß es mitteilen können, was ihn bedrückt.
Das erleichtert doch etwas.
„Müde und lahm, ganz kaputt wird man
dabei. Aber was will man machen. Draußen
ist nichts zu kriegen. Nun läuft man den
ganzen Tag in Berlin 'rum. Und da find't
man auch nichts, 's ist keine Arbeit aufzu-
treiben."
Kurz und abgebrochen kommt es aus seinem
Munde.
„Weiß nicht, was das ist. Sind nun schon
drei Wochen, daß ich nichts habe. Gar nichts
ist aufzutreiben. Ist mir mein ganzes Leben
noch nicht passiert, so lange keine Arbeit zu
haben! Lauf' nun den ganzen Tag 'rum und
kriege nichts. Wollte noch sagen, wenn ich mir
keine Mühe geben würde. Aber so ..."
Er ereifert sich immer mehr mit seinen
Reden.
„Ist mir noch nie passiert, so lange zu
bummeln. Weiß nicht, Hab' immer bald wieder
Arbeit gekriegt... Und jetzt sind es schon drei
Ein Abenteuer in Mombaffa
Wie er Kahsers Witib fällte
Mit Geschossen, fein und scharf.
Und wie er den Leutnant Bronsart
Ungestraft mit Dreck bewarf.
Lorch, da dringen eil'ge Schritte
Plötzlich an des Redners Ohr,
Und aus diisterm Palmendickicht
Tritt ein fremder Mann hervor.
La! Welch Schreckgespenst der Lölle!
Eine Peitsche in der Land,
Vor dem tapfern Doktor Arendt
Bronsart steht, der Leutenant!
And mit schweren Invektiven
Fällt den höchst bestürzten Mann,
Der nicht weiß, wohin sich wenden.
Jetzt der grimme Gegner an.
o o o-
Wochen! Man wird ganz mißgestimmt. Man
traut sich gar nichts mehr zu unternehmen.
Und die Frau zu Hause denkt schließlich ganz
was anders. Ihre erste Frage ist bloß, wenn
ich komme: ,Hast du Arbeit?' ,Nein.' Na, und
dann sind wir fertig. Sie glaubt das gar nicht,
wenn ich ihr das alles so schildere."
Der Platz wird immer belebter. Aber welch
anderes Bild, als am Vormittag. Jetzt kommen
Mütter mit ihren Kindern. Oder größere Kinder
mit ihren Geschwistern. Sie setzen sich unter
die große weite Halle der Bäume oder unten
auf den Rasen in die wärmende Sonne, ver-
zehren ihr Vesperbrot und trinken aus der
Kanne oder Flasche den mitgebrachten Kaffee.
Der Arbeiter achtet kaum auf seine Um-
gebung. In Gedanken vor sich hinblickend sitzt
er da. Wenn sich aber zu viel in ihm ange-
sammelt hat, wenn es ihm zu drückend wird,
muß er es von sich geben. Das erleichtert, es
würgt nicht so. Und wie leicht wird ihm, wenn
er Verständnis findet für seine Betrübnis.
„Ja, ja. Es ist auch keine Kleinigkeit, vier
Kinder zu Hause! Die wollen satt gemacht
sein. Da wird alle Tage ein Fünfgroschen-
brot gebraucht. Ach, das reicht jetzt gar nicht
weit."
Wieder eine kleine Pause.
„Ich bin Drechsler von Beruf, aber ich nehme
an, was ich kriegen kann. Ja, da komme ich
heut' auf eine Stelle, eine Glühlichtfabrik. Da
war ich zu alt! Was sagen Sie dazu? Hätte
gleich anfangen können, gebe mein Kranken-
buch ab und die Jnvalidenkarte. Der gibt sie
mir wieder und sagt, ich bin zu alt. Er darf
Ach, wie wurde unserm Arendt
Mies und todesangst und bang.
Als der Bronsart um die Ohren
Ihm die Nilpferdpeitsche schwang!
Kläglich war er anzusehen.
Wie er nun die Flucht ergriff.
Während um des Volksvertreters
Linterteil der Kantschu pfiff. —
Auf dem Tische stand das Seidel,
Das zur Lälste nur geleert.
Von ihm selbst hat in Mombaffa
Man seitdem nichts mehr gehört.
Abends aber sah man eine
Schwarze, welche tief im Busch
Mit Gebärden des Entsetzens
Arendt seine Losen wusch.
nur Leute unter vierzig Jahre einstellen. Ist
ihm vom Direktor befohlen. Sehn Sie, 43 Jahr
bin ich und da bin ich schon zu alt. Ist doch
sozusagen noch das beste Alter!"
Er ist auch wirklich ein ganz rüstiger, kräf-
tiger Mensch. Nur etwas schlecht aussehend
durch die Arbeitslosigkeit und das tagelange
Laufen nach Arbeit. Auch ganz ordentlich und
sauber gekleidet, und schon zu alt!
Doch nun scheint er alles gesagt zu haben,
was sein Herz erfüllt. Er schweigt und starrt
eine ganze Weile vor sich hin. Plötzlich gibt
er sich einen Ruck.
„Haben Sie nicht 'n bißchen was übrig be-
halten, so zu essen? Bin schon den ganzen Tag
unterwegs, bloß mit einer Stulle. So, so!
Ich dachte bloß. Manchmal behält man doch
so was übrig. Man kriegt so Hunger im Leibe.
„Nein, nein! Das nicht, das... Nein. Ich
dachte bloß, weil man so'n Hunger hat. Manch-
mal bleibt doch was, wenn man so nicht alles
aufißt.
„Na, wolln man wieder weiter!" Er steht
auf und macht steifbeinig ein paar Schritte
hin und her.
„Ganz steif wird man, wenn man nach so
langem Laufen erst 'ne Weile gesessen hat.
Na, adieu auch."
Er geht schnell vorwärts und bald ist er
hinter den Bäumen verschwunden.
Vom Spielplatz herüber tönt ein Gewirr
von Ausrufen des Spiels und der Freude.
Klar scheint die Septembersonne auf das
prächtige bunte Herbstbild des Parkes.
Welch ein Herbst...