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5656 —

Ein WeihnachtsLranm.

Es lag ein reicher Mann im Traum,

Er träumte von dem Weihnachtsbaum,
Wie er so fromm den Blick gesenkt,

Und seine Kinder reich beschenkt.

And dabei sprach er: Freuet euch.

Daß euer Vater ist so reich.

Ich hinterlaff', so rechn' ich schon.

Für jedes cine-Million! —

Drauf richtet er hinaus den Blick,

Das Laar hängt tief ihm ins Genick.

Er singt, so wie's geschrieben ist:

"Ach, komm zu uns, Lerr Jesu Christ!

Da gibt es einen lichten Schein,

Es tritt der Leiland selbst herein.

Ein Schiffstau hält er in der Land,

So dick, als man nur je eins fand.

„Du", spricht er sanft zum reichen Mann,
„Bist einer, der wohl beten kann.

Doch darauf seh' ich gar nicht sehr.

Auf deine Werke um so mehr.

„Sieh nur auf dieses Schiffstau her.

So wenig durch ein Nadelöhr
Lindurch du dieses ziehen magst.

Wie immer du darum dich Plagst,

„So wenig komnfft bei allem Schein
In's Limmelreich du einst hinein,

Wenn du nur stets dich selber liebst
And deinen Nächsten gar betrübst."-

Dem Träumer wird es kalt und heiß.

Er fährt empor, bedeckt mit Schweiß,

And scheu sein Blick zur Seite fliegt.

Ob dort nicht noch — das Schiffstau liegt.

L. Fl.

Die gewissenhafte Neichspost.

Ich bin fromm und schrieb deshalb zu Weih-
nachten an das Christkind, das; es niir was
schenken sollte, denn ich wünschte mir ein
elektrisches Klavier.

Bald darauf erschien der Briefträger. Er
brachte kein Klavier, sondern einen Brief. Und
zwar meinen eigenen Brief, der als unbestell-
bar zurückkam, mit Strafporto belastet, weil
das Himmelreich im Ausland liege. e. t.

Proletarische Weihnachtsfreude.

„Du, Vatter . . ■ kommt morjen bet Christ-
kind durch 'n Ofen durchjerutscht?"

„For det Christkind is de Röhre zu eng",
dummer Bengel!! Da durchzurutschen, det
kriegt bei uns bloß det Biest von Klapperstorch
fertig!" ■■ . ■

Die Talenter find verschieden.

Serenissimus, dem sein Leib-Medikus emp-
fohleil hatte, allerlei körperlichen Sport zu
betreiben, ließ sich durch den verschwiegenen
Kindermann ein Paar Schlittschuhe besorgen
und begab sich eines schönen vormittags an
den zugefrorenen Schloßteich. Der getreue
Kindermann schnallte seinem hohen Herrn die
sonderbaren Dinger an die Füße und ließ ihn
dann mit vielen weisen Ratschlägen das tückische
EiS betreten.

Als Serenissimus zum dritten Mal binnen
einer Minute auf seinem Allerwertesten saß,
fragte er voller Entrüstung:

„Sie, Kindermann . . . äh . . . gibt's denn
nu überhaupt tatsächlich Kerle, die mit so
was . . . äh .. . laufen können??"

„Aber freilich, Durchlaucht!"

„Na, Kindermann," tröstete sich der tief-
gekränkte Serenissimus, immer noch in seiner
wenig majestätischen Positur verbleibend: „Die
können.aber dafür jedenfalls nicht regieren!!"

Wohltäter.

Den Kindern der Ärmsten bescheret heut'
Die edle Gräfin von Pyritz,

Mit ihr Geheimrätin Wohlgemut
And auch die Baronin von Kyritz.

Die armen Kinderchen strömen herein.

Die Not tat hierher sie lenken.

Sie sind geblendet vom Kerzenschein
And von den gehäuften Geschenken.

Es fehlt dabei am Nützlichen nicht.

Viel Röckchen gibt es und Löschen,

Neue und alte; zu essen auch gibt's
In Schächtelchen und in Döschen.

Viel Püppchen und viele Bajazzi auch.

Die Zeit sich damit zu vertreiben.

Wenn von der traurigen Lausarbeit
Noch traurige Zeit mag bleiben.

Manch blasses Gesichtchen rötet sich leicht.
Die Augen funkeln vor Freude;

Den ärmsten Kindern ein großer Tag
Ist dieses Christfest von heute.

In Betrachtung versunken die Gräfin spricht:
„Die Szene ist wie zum Malen!

Man sieht hier des Volkes Begehrlichkeit
So recht aus den Augen strahlen!"

And lebhaft stimmt die Baronin zu:

„Ich fühle es fast erbittert.

Wie übermütig der Pöbel wird.

Wird er nur reichlich gefüttert!" 21. T.
 
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