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5658

Agrarische Weihnachten.

Die Kuchen duften, von knusprigem Glanz
Zimtfarbig und weiß überzogen.

Vorm Fenster baumelt die glitschrige Gans,
So schwer hat noch keine gewogen.

Der Spiegelkarpfen auf spiegelndem Eis
Larrt friedlich der brodelnden Pfanne,
Derweilen schwarzbrau», aromatisch und heiß
Der Kaffee sich setzt in der Kanne.

Die Schüsseln im Schranke füllt mürbes Konfekt
Nebst Äpfeln mit blutrote» Backen,

Mit Mandeln, Rosinen, Kastanien bedeckt
Ist des Tisches hell schimmerndes Laken.
Bereitet ist alles fürs heilige Fest,

Die Küche strotzt und der Keller,

Denn das Christkind liebt ein behagliches Nest,
Wünscht volle Gläser und Teller.

Es ist kein blasses, ätherisches Kind
Mit sinnenden Träumerblicken,

Für materielle Genüsse blind

Nein, 's Christkind gehört zu den dicken.

Den pfaffenbäuchigen Engelein,

Die Freunde vom Festen und Feuchten,

Mit Wänglein, die kupfern vom feurigen Wein
Gleich Borsdorfer Äpfelchen leuchten.

Es ist ein jovialer, gemächlicher Kerl,

Nur ist es nicht allzu bescheiden.

Es kann, wie die „Woche" von August Scherl,
Armeleutegeruch nicht recht leiden.

Auch Schulden und Knappheit und trockenes

Brot,

Die stiehl es wie höllische Geister.

Dort weilt es nicht lang, wo Frau Sorge droht
Und Schmalhans ist Küchenmeister.

Ein Leller dem Bettler und, weil es der Brauch
So fordert, ein schmales Präsentchen
Dem Kinde des Armen, dem hungernden Gauch
Ein paar Nüsse ins frierende Ländchcn;

Als billigsten Trost den Besitzlosen all,

Daß sie still sind, das Märchen vom Summet,
Zweitausend Jahr alter Schalmerenschall
Nebst Friedensglöckchengebimmel!

Dann rasch in des Neichen gastliches Laus,
Gemütlich das Fest zu begehen.

Wie schaut's da so komfortabel aus.

So blitzblank, läßt 's Christkind sich sehen.

Es streichelt dem Lausherrn das doppelte Kinn,
Der zufrieden im Lehnstuhl sich räkelt.

Das war mal ein Jährchen mit hübschein

Gewinn,

Wenn auch der Prolet daran mäkelt.

Es häufte der Schutzzoll im tiefen Gelaß
Des Geldschranks die blinkenden Kronen,
Druin frisch mit dem Leber ins Moselweinfaß,
Mit Goldtrank das Christkind zu lohnen.
Geschmaust und gefeiert, daß wetzen sich läßt
Am gespannten Dickwänstlein das Messer,
Es ist ja das heil'ge Familienfest
Der christlich-germanischen Fresser.

Drum lebe die köstliche Weihnachtszeit,

Lei, wie die Kinnbacken krachte».

Darüber geht nur an Gemütlichkeit
Nach Neujahr das Schweineschlachten.

„.Lat Geld der Bauer, hat Geld die Welt,
Drum haltet im Preise die Schweine",

So betet gar rührsam zum Limmelszelt
Auf der Christmeß die fromme Gemeine.

„Ein Schelm ist, wem heimlich der Magen knurrt.
Aufsässig und demokratisch;

Doch wir sind zufrieden und keiner murrt,
Gott'sfürchtig sind wir und phlegmatisch.
Wir sind der Stand, der alle ernährt,

Drum erhalt' uns den Frieden auf Erden,
Daß in Ruh' wir verdau» und, was Gott uns

beschert,

Ans ein Wohlgefallen kann werden."

Richard Wagner.

Worte und Werke.

Ein Weihnachtsmärchen für große Kinder.

Die Kirche war aus, und der Herr Pastor
ging heim. Still und zufriedenen Gemüts,
denn es waren doch nun mal erhebende Fest-
tage — so zum Beispiel erwartete seiner heute
zu Hause ein fetter Karpfen. Die brave, treue
Haushälterin verstand sich auf das Kochen.
Sie würde ihni wohl auch etwas schenken.
Irgend was Nettes, Liebes... der gute Hirte
schmunzelte. Dann zog ein Schatten über sein
Gesicht, denn er dachte an das, was sie ihm
voriges Jahr geschenkt hatte. Das war ja
auch sehr nett und lieb gewesen, nur paßte
es nicht so recht in seine Junggesellenstube.
Alle beide hatten seitdem davor scheußlichen
Respekt.

Doch seine Sorge war grundlos. Unterm
Weihnachtsbaum lag ein Paket Tabak, ein
Paar Socken und ein gesticktes Kopfkissen,
lauter harmlose Sachen. Und der Karpfen
schmeckte prächtig. Als nur noch Gräten übrig
ivaren, setzte des Pfarrers sündiger Leib sich
in den Lehnstuhl und schmauchte sein Pfeifchen,
während das kleine, dicke, runde Seelchen seinem
lieben Herrgott dankte für die schöne Pfründe,
ivo die dummen Bauern so große Kartoffeln
bauten.

Da klopfte es. Und wie der Pastor ganz
in Gedanken „Herein!" sagte, trat auch richtig
ein armer Handwerksbursche ein. So einer
von der Sorte, die einem mit st)rem bloßen
Anblick schon den Magen verderben kann ...
abgesehen davon, daß sie die ganze Bude voll
Schnee trampeln.

Erst wollte ihn der empörte Hausherr hinaus-
werfen. Dann aber dachte er, daß heilig Abend
sei, und daß es doch keinen netten Eindruck
machen würde, wenn der Lümmel nun zum
Vorsteher ginge und sagte: er komme direkt
von der Pfarre und habe auch dort nichts
gekriegt.

Deshalb griff er in die Tasche, suchte lange,
bis er etwas fand, und gab dem vermaledeiten
Pennbruder mit vielen frommen Mahnungen,
vom liederlichen Lebenswandel abzulassen, auf
Gottes Wort zu hören und das gute, blanke
Geld ja nicht zu versaufen, einen leibhaftigen —
Taler!

Der Taler war echt. Wer's etwa nicht glaubt,
der zahlt ihn. E. T.
 
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