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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0002
5670 . -
~ t-ST 4S°l°s C ß1
1908.k—
Rorcbt! Uom Kircbturin schlägt es Zwölfe:
Wieder ist ein Jabr dabin!
In die Zukunft blickt der Bürger
Grübelnd, mit besorgtem Sinn.
Mancherlei an schönen Gaben
Bat das alte Jahr gebracht -
Aber sagt, was wird bescheren
Man uns Deunzehnhundertacht!
Gins erkennen wir schon heute,
Wenn wir etwas tiefer schaun:
Uiel* Kanonen wird man giessen
Und viel’Panzerkähne bann;
Immer droh’nder sich entfalten
Sehn wir unsres Beeres Macht -
Und das Holk muss alles blechen
JInno neunzehnhundertacht.
Rüstig wird man weiterwursteln
JTn dem kolonialen Baus
Und mit blanken Schienensträngen
Pflastert man die Wüste aus.
Was das Unternehmen kostet,
Kommt nicht weiter in Betracht
Gott erhalt’ uns unsern Dernburg
JInno Heunzehnhundertacht!
Stolz, als JTuge des Gesetzes,
Waltet unsre Polizei -
Zwar bei Dieben, Räubern, Mördern
Greift sie meistens nebenbei,
Doch wird in polit’schen Dingen
Manche Beldentat vollbracht:
Kein Uerscbwörernest entgeht ihr
JInno Deunzehnhundertacht
In den allerhöchsten Sphären
Gab es Revolution -
Doch, Gottlob, aus den Ruinen
Blüht ein neues Leben schon:
Während Pbilis Cafelrunde
Stürzet in des Orkus Dacht,
Sammelt sich vergnügt’ne zweite
JInno Deunzehnhundertacht.
Doch auch sonst keimt mancher Len-
nach wie vor mit viel Geschick [beer:
führt der Kanzler die Geschäfte
In der äussern Politik;
Manche Rede wird gehalten,
Manches Doch wird ausgebracht
Und an „Burras “ wird’s nicht mangeln
JInno Deunzehnhundertacht.
In dem Parlament nicht minder
Winkt dem Unterlande Ruhm,
mächtig wird sich dort entfalten
Das erwachte Bürgertum;
Kraftvoll wird es opponieren,
Um nach bitz’ger Zungen schacht
Kleinlaut alles zu bewill’gen
JInno Deunzehnhundertacht.
Kurz und gut, wir sehen deutlich:
JTlIes bleibt im neuen Jahr
Leider ganz so, wie’s im alten,
Glücklich überstand’nen war.
Doch, wie vordem, griisst auch ferner,
Leuchtend durch des Crübsinns Dacht,
freundlich hell „Der wahre Jacob“
JInno Deunzehnhundertacht! j.s.
2uUunftstelcgramttie.
In der Neujahrsnacht durch drahtlose Telegraphie von maß-
geblichster Seite erhalten. Für ihre Nichtigkeit übernimmt die
Redaktion aber keine Gewähr!
Berlin. Traf Kuno Moltke wird die Tochter Maxi-
milian tzardens heiraten.
— Das Deutsche Reich wird von einem im Jahre |908
sterbenden Rentenempfänger vier Milliarden Mark erben.
— Der preußische Landtag wird die Republik pro-
klamieren.
Posen. Line polnische Familie wird ihren siebenten
Lohn „Friedrich Wilhelm" taufen lassen,, und der Kaiser
wird sein Pate sein.
Dresden. Die frühere Kronprinzessin wird mit ihrem
Mann hier Konzerte geben und durch des Sanges All-
gewalt die tzerzen rühren.
München. Der bayerische Landesverband des Flotten-
vereins wird auf dem Starnberger See eine partikula-
rtftische §Iotte gründen.
— Dr. Pichler wird vom Katholizismus zum Libera-
lismus übertreten und sich kastrieren lassen.
Stuttgart. Im „Wahren Jacob" werden offiziöse
Mitteilungen der Reichsregierung über die auswärtige
Politik erscheinen.
Köln. Der Karneval wird ausfallen. Die Leute
werden ihre Betten versetzen, um die Deutsche Flotte zu
vergrößern.
Essen. Bei Krupp wird die soziale Wohlfahrt so weit
getrieben werden, daß jeder Arbeiter sein Automobil im
Stalle hat.
Hannover. Hier wird eine welfische Revolution aus-
brechen. die mit Hilfe der Feuerwehr mühsam besiegt
werden wird.
Hamburg. Lin braver Seemann wird tätlich erkranken,
weil er aus versehen Zitronenlimonade trank.
London. Auf König Lduard wird ein Attentat ver-
sucht werden, und der Dolch wird nicht lang genug sein.
Paris. Lin deutscher Spion wird verhaftet und wegen
Beschwindelung der deutschen Regierung endgültig ein-
gelocht werden.
Rom. Der Prozeß gegen Rast wird fortgesetzt werden.
Petersburg. Väterchen Zar wird in seinem Gfen
eine Bombe finden, sie überall herumzeigen und fragen,
was das für ein sonderbares Ding sei.
— Lin russischer Gouverneur wird vom Teufel geholt
werden, und der Teufel wird dann nachher sein Porte-
monnaie vermissen.
Tokio. Das amerikanische Besuchsgeschwader wird an
der japanischen Küste feierlichst empfangen werden. Ls
liegt genügend Munition bereit, um kräftig „Salut" zu
schießen.
stungernüe üinüer.
In Berlin würben 14000 Bolksschiiler ermittelt, die
ohne Mittag und teilweise ohne Frühstück find.
viel Taulend der Kleinen schrein nach Brot,
viel Tausend, denen in Wintersnot
Kein Feuer am Herde erglommen.
Mit eisigem Lächeln läßt der Tod
Die Kindlein zu sich kommen. . .
Sonst klang's so hell in den Tag hinein:
„D selig, o selig ein Kind zu sein!"
Man sang's mit weicher Seele;
Run tönt aus derTiefe desHungersSchrei'n
Und es stockt das Lied in der Kehle.
Das klingt so häßlich! Das stört im Ru
Das gute Gewissen, es raubt die Ruh',
Die gute Ruh'zum verdauen!
Drum wirft man schnell ein paar Groschen zu
Den fronenden Männern und Frauen.
Man spielt ein wenig die gute Fee
Und leerte man etwas das Portemonnaie,
Dann proyt man mit der Tugend;
Und bald klingt wieder gerührt zur Höh'
Das Lied von der seligen Zugend P.s,
Dringende Frage.
Beim Schwurgericht Nürnberg mußte kürz-
lich eine Sitzung ausfallen, weil gar kein Ver-
haudlungsstoff vorhanden war.
Wohin soll das noch führen, wenn selbst die
Verbrecher streiken? Ist denn in Nürnberg keine
Polizei da, die Arbeitswillige heranschleppt??
Zirkus Bülow.
.Nur brav gesprungen! Zur Belohnung gibt'« dann
bi« Wurst!"
~ t-ST 4S°l°s C ß1
1908.k—
Rorcbt! Uom Kircbturin schlägt es Zwölfe:
Wieder ist ein Jabr dabin!
In die Zukunft blickt der Bürger
Grübelnd, mit besorgtem Sinn.
Mancherlei an schönen Gaben
Bat das alte Jahr gebracht -
Aber sagt, was wird bescheren
Man uns Deunzehnhundertacht!
Gins erkennen wir schon heute,
Wenn wir etwas tiefer schaun:
Uiel* Kanonen wird man giessen
Und viel’Panzerkähne bann;
Immer droh’nder sich entfalten
Sehn wir unsres Beeres Macht -
Und das Holk muss alles blechen
JInno neunzehnhundertacht.
Rüstig wird man weiterwursteln
JTn dem kolonialen Baus
Und mit blanken Schienensträngen
Pflastert man die Wüste aus.
Was das Unternehmen kostet,
Kommt nicht weiter in Betracht
Gott erhalt’ uns unsern Dernburg
JInno Heunzehnhundertacht!
Stolz, als JTuge des Gesetzes,
Waltet unsre Polizei -
Zwar bei Dieben, Räubern, Mördern
Greift sie meistens nebenbei,
Doch wird in polit’schen Dingen
Manche Beldentat vollbracht:
Kein Uerscbwörernest entgeht ihr
JInno Deunzehnhundertacht
In den allerhöchsten Sphären
Gab es Revolution -
Doch, Gottlob, aus den Ruinen
Blüht ein neues Leben schon:
Während Pbilis Cafelrunde
Stürzet in des Orkus Dacht,
Sammelt sich vergnügt’ne zweite
JInno Deunzehnhundertacht.
Doch auch sonst keimt mancher Len-
nach wie vor mit viel Geschick [beer:
führt der Kanzler die Geschäfte
In der äussern Politik;
Manche Rede wird gehalten,
Manches Doch wird ausgebracht
Und an „Burras “ wird’s nicht mangeln
JInno Deunzehnhundertacht.
In dem Parlament nicht minder
Winkt dem Unterlande Ruhm,
mächtig wird sich dort entfalten
Das erwachte Bürgertum;
Kraftvoll wird es opponieren,
Um nach bitz’ger Zungen schacht
Kleinlaut alles zu bewill’gen
JInno Deunzehnhundertacht.
Kurz und gut, wir sehen deutlich:
JTlIes bleibt im neuen Jahr
Leider ganz so, wie’s im alten,
Glücklich überstand’nen war.
Doch, wie vordem, griisst auch ferner,
Leuchtend durch des Crübsinns Dacht,
freundlich hell „Der wahre Jacob“
JInno Deunzehnhundertacht! j.s.
2uUunftstelcgramttie.
In der Neujahrsnacht durch drahtlose Telegraphie von maß-
geblichster Seite erhalten. Für ihre Nichtigkeit übernimmt die
Redaktion aber keine Gewähr!
Berlin. Traf Kuno Moltke wird die Tochter Maxi-
milian tzardens heiraten.
— Das Deutsche Reich wird von einem im Jahre |908
sterbenden Rentenempfänger vier Milliarden Mark erben.
— Der preußische Landtag wird die Republik pro-
klamieren.
Posen. Line polnische Familie wird ihren siebenten
Lohn „Friedrich Wilhelm" taufen lassen,, und der Kaiser
wird sein Pate sein.
Dresden. Die frühere Kronprinzessin wird mit ihrem
Mann hier Konzerte geben und durch des Sanges All-
gewalt die tzerzen rühren.
München. Der bayerische Landesverband des Flotten-
vereins wird auf dem Starnberger See eine partikula-
rtftische §Iotte gründen.
— Dr. Pichler wird vom Katholizismus zum Libera-
lismus übertreten und sich kastrieren lassen.
Stuttgart. Im „Wahren Jacob" werden offiziöse
Mitteilungen der Reichsregierung über die auswärtige
Politik erscheinen.
Köln. Der Karneval wird ausfallen. Die Leute
werden ihre Betten versetzen, um die Deutsche Flotte zu
vergrößern.
Essen. Bei Krupp wird die soziale Wohlfahrt so weit
getrieben werden, daß jeder Arbeiter sein Automobil im
Stalle hat.
Hannover. Hier wird eine welfische Revolution aus-
brechen. die mit Hilfe der Feuerwehr mühsam besiegt
werden wird.
Hamburg. Lin braver Seemann wird tätlich erkranken,
weil er aus versehen Zitronenlimonade trank.
London. Auf König Lduard wird ein Attentat ver-
sucht werden, und der Dolch wird nicht lang genug sein.
Paris. Lin deutscher Spion wird verhaftet und wegen
Beschwindelung der deutschen Regierung endgültig ein-
gelocht werden.
Rom. Der Prozeß gegen Rast wird fortgesetzt werden.
Petersburg. Väterchen Zar wird in seinem Gfen
eine Bombe finden, sie überall herumzeigen und fragen,
was das für ein sonderbares Ding sei.
— Lin russischer Gouverneur wird vom Teufel geholt
werden, und der Teufel wird dann nachher sein Porte-
monnaie vermissen.
Tokio. Das amerikanische Besuchsgeschwader wird an
der japanischen Küste feierlichst empfangen werden. Ls
liegt genügend Munition bereit, um kräftig „Salut" zu
schießen.
stungernüe üinüer.
In Berlin würben 14000 Bolksschiiler ermittelt, die
ohne Mittag und teilweise ohne Frühstück find.
viel Taulend der Kleinen schrein nach Brot,
viel Tausend, denen in Wintersnot
Kein Feuer am Herde erglommen.
Mit eisigem Lächeln läßt der Tod
Die Kindlein zu sich kommen. . .
Sonst klang's so hell in den Tag hinein:
„D selig, o selig ein Kind zu sein!"
Man sang's mit weicher Seele;
Run tönt aus derTiefe desHungersSchrei'n
Und es stockt das Lied in der Kehle.
Das klingt so häßlich! Das stört im Ru
Das gute Gewissen, es raubt die Ruh',
Die gute Ruh'zum verdauen!
Drum wirft man schnell ein paar Groschen zu
Den fronenden Männern und Frauen.
Man spielt ein wenig die gute Fee
Und leerte man etwas das Portemonnaie,
Dann proyt man mit der Tugend;
Und bald klingt wieder gerührt zur Höh'
Das Lied von der seligen Zugend P.s,
Dringende Frage.
Beim Schwurgericht Nürnberg mußte kürz-
lich eine Sitzung ausfallen, weil gar kein Ver-
haudlungsstoff vorhanden war.
Wohin soll das noch führen, wenn selbst die
Verbrecher streiken? Ist denn in Nürnberg keine
Polizei da, die Arbeitswillige heranschleppt??
Zirkus Bülow.
.Nur brav gesprungen! Zur Belohnung gibt'« dann
bi« Wurst!"