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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0006
5674 - -
Jahreswende.
Sternlicbt seine Silbernetze spann.
Sernber läuten Blocken dann und wann.
Will ein Müder seinen Laut vollenden?
Heb, du weisst nur: eine ÜJelle rann ...
eine Welle rann, zerrann am Strand,
Spülte manches Kleinod an das Land,
Löschte leise manchen lieben Namen,
Mancher Cat Bedenken aus im Sand.
Sternlicbt längst die Silbernetze spann.
Jernber läuten Blocken dann und wann.
Wollen Cote auterstebn und rufen?
Heb, du weisst nur: eine Welle rann!
Und ein stilles Leuchten zieht herauf;
Schneller hastet der Sekunden Lauf
Und ich neige mich: da unten flimmert’s,
Blinkt es bell wie eines Schwertes Knauf.
Aus den licbtdurcbflarnniten Wolkenböbn
Will ein süsses Singen niedergebn
Und ich wende mich zum neuen ]abre:
„Wenn du Kämpfe bringst, dann bist du
schön!" Paul enderlitig.
Prophezeiungen für 1908.
Der Militäretat fordert neue Festungen, da
die vorhandenen nicht mehr für die Hoch-
verräter ausreichen. ,
Die „Post" bringt eine ganze Woche lang
keine Lüge über die Sozialdemokratie.
Die Alldeutschen werden durch die sich häufen-
den Skandale veranlaßt, nach Frankreich auszu-
wandern, da es dort doch moralischer zugeht.
Da der preußische Landtag von den Roten
gestürmt wird, fordern auch die Konservativen
eine Änderung des Wahlrechts, nämlich: daß
jeder Abgeordnete geheim und direkt — vom
König gewählt wird.
Prophezeiungen für 1908.
Fortsetzung.
Es findet sich ein Altersrentner, der an Fett-
sucht stirbt. ,
Zur Förderung der kolonialen Begeisterung
benützt die Kavallerie fortan bei Paraden nur
noch Zebras. .
Während eines Nachmittagsschläfchens der
Friedenskonferenz ertönt plötzlich ein lauter
Knall. Bei näherer Untersuchung stellt sich
heraus, daß — der Weltfriede ausgebrochen ist.
Auf dem Tempelhofer Feld wird eine leere
Konservenbüchse entdeckt, die nach Ansicht von
Sachverständigen zur Herstellung von Bomben,
Höllenmaschinen usw. geeignet erscheint. Der
Block fordert daraufhin ein Sozialistengesetz.
Deutschland annektiert den Südpol. Oberst
Gaedke wird zu seinem Gouverneur ernannt
und so ganz kalt gestellt.
Dernburg hält eine fulminante Rede und
fordert hundert Millionen zur wirtschaftlichen
Erschließung der überaus entwicklungsfähigen
Kolonie. Die Freisinnigen beantragen die
doppelte Summe. »
Der italienische Hungerkünstler Saeeo wird
von Bethmann-Hollweg engagiert, um Beamte
und Arbeiter in seiner Kunst auszubilden. Da
diese leider passive Resistenz leisten, scheitert
die Reform. *
Es wird ein Gardeoffizier gefunden, der
noch niemals männerliebend war.
Die Franzosen erobern Marokko. Bülow
weist im Reichstag nach, daß das ein glänzen-
der Erfolg seiner Politik ist. Der französische
General bekommt den „Pom- le merite“; er
schickt ihn aber unfrankiert zurück.
Eulenburg entlarvt eine Harden-Kamarilla.
Das andauernd schlechte Wetter erklärt sich
daraus, daß die Reichsverbändler alles Blaue
vom Himmel herunter — gelogen haben.
Da die Fürstin Wrede notorisch seit der
Anzeige ihres Dieners andauernd an Migräne
leidet, wird dieser wegen fahrlässiger Körper-
verletzung zu einer Zusatzstrafe von zwei
Jahren verurteilt. *
Die russische Regierung fordert von der drit-
ten Duma ein Kosakenregiment zu ihrer Aus-
einandertreibung und erhält es auch bewilligt.
Peters kandidiert in einem frei gewordenen
Wahlkreise, erhält keine Stimme und verklagt
alle Wähler wegen Beleidigung.
Auf Antrag der Sittlichkeitskonferenz er-
halten die nackten männlichen Figuren auf der
Berliner Schloßbrücke Badehosen; der Bild-
hauer Tuaillon wird aufgefordert, das herunter-
gerutschte Hemd seiner „Amazone" in die Höhe
zu ziehen.
Die wenigen europäischen Staaten, die am
Ende des Jahres noch nicht Republiken sind,
kommen überein, zur Verringerung der Un-
kosten gemeinsam einen Herrscher mit vier-
wöchentlicher Kündigungsfrist zn engagieren.
Durch die Vorsorge einer gütigen, für das
Volkswohl fieberhaft tätigen Regierung haben
wir wieder ein neues Jahr zurückgelegt. Das
ist zwar das einzige, was wir „zurückgelegt"
haben, es bietet aber genug Anlaß zu patrio-
tischen Ovationen auf Kanzeln, Kathedern und
Kasernenhöfen. x
Der geleimte Block.
„Wenn det man hält!"